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Wo bleiben die Mehrweg-Systeme?

Grafik: Kasten mit Mehrweg-Glasflaschen
Ersetzt 600 Einwegpfandflaschen: ein Kasten Mehrwegglasflaschen. | Bild: SWR

Der Verpackungsmüllberg in Deutschland wächst unaufhaltsam. 2018 erreichte er 19 Millionen Tonnen! Tendenz weiter steigend – trotz stetiger Bemühungen beim Verpackungs-Recycling weiter voranzukommen. Oder gerade deshalb? Denn bei genauerer Betrachtung sorgt Recycling nicht dafür, dass wir weniger Verpackungen verbrauchen, sondern ändert bestenfalls die Art und Weise, wie wir Verpackungen herstellen und entsorgen. Was uns dagegen tatsächlich beim Abbau von Verpackungen helfen könnte, wären mehr Mehrweglösungen. Denn jede Verpackung die mehrfach verwendet werden kann, spart die Herstellung und Entsorgung einer neuen Verpackung ein.

Dabei geht es einerseits darum, bekannte Mehrweglösungen wieder stärker in Anspruch zu nehmen, zum Beispiel bei Getränkeflaschen. Andererseits müssen für bestimmte Bereiche dringend neue Lösungen entwickelt und eingeführt werden, um eine Wende bei der Verpackungsflut zu erreichen.      

Der Klassiker: Mehrweg-Getränkeflaschen

Eine schon lange bekannte Mehrweglösung sind Mehrwegflaschen, entweder aus Kunststoff oder aus Glas. Bei den Verwendungszyklen liegt die Glas-Mehrwegflasche klar vorne. Bis zu 50 Mal kann sie wiederverwendet werden. Ein Kasten mit 12 Flaschen ersetzt damit bis zu 600 Einweg-Pfandflaschen. Davon werden in Deutschland immerhin fast 17 Milliarden jährlich verbraucht.

Immer wieder gibt es Diskussionen darüber, wie stark der erhöhte Transport- und Reinigungsaufwand bei Mehrwegflaschen die Ressourcenbilanz im Vergleich zu Einwegflaschen verschlechtert. Da Getränke in Mehrwegflaschen aber in der Regel von regionalen Herstellern stammen, sind die Transportwege entsprechend kurz. Und die Reinigungsverfahren, so die Argumentation der Mehrwegbefürworter, werden immer effizienter. Die Empfehlung von Umweltorganisationen ist daher klar: Bei Getränken sind regionale Mehrwegflaschen, insbesondere aus Glas, die beste Wahl. 

No-Go: Verpackungsmüll in der To-go-Gastronomie

Grafik: Mehrwegkaffeebecher
Ersetzt 1.000 Einwegbecher: ein Mehrweg-Kaffeebecher. | Bild: SWR

Dringenden Mehrwegbedarf gibt es auch in der To-go-Gastronomie. Die hat in den letzten Jahren stark zugelegt und produziert nach Angaben von NABU und Umweltbundesamt mittlerweile mehr als 350.000 Tonnen Verpackungsabfälle pro Jahr. Dabei gäbe bessere Möglichkeiten, Start-ups drängen mit Mehrweglösungen in den Markt: Ein einziger Mehrwegkaffeebecher zum Beispiel, könnte bis zu 1.000 Einwegbecher ersetzen. Die Resonanz vieler Anbieter und auch der Kundschaft ist positiv, trotzdem überwiegen immer noch Einwegverpackungen. Vor allem große Fastfood-Ketten, aber auch die meisten Pizzerien und Dönerläden setzen auf Einweg.

Die Bundesregierung führt ab 2023 für Gastro-Betrieben ab einer gewissen Größe eine Angebotspflicht von Mehrwegverpackungen ein. Ein erster Schritt zu mehr Mehrweg in dieser Branche – immerhin. Umweltverbände wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) weisen allerdings darauf hin, dass die Angebotspflicht nur der Anfang sein könne. Sie fordern deshalb eine Einweg-Abgabe, mit der Mehrweganbieter unterstützt werden sollen. Die Strategie müsse sein, Einweglösungen so teuer zu machen, dass die Kunden automatisch zu Mehrwegverpackungen greifen.      

Lösungen für den Versandhandel

Mehrere Mehrwegversandtaschen in Nahaufnahme
Ersetzt 20 Kartonverpackungen: eine Mehrwegversandtasche. | Bild: SWR

Der Versandhandel boomt, vor allem online. Und das spiegelt sich drastisch im Verpackungsverbrauch der Branche wider. Über 850.000 Tonnen Verpackungsmaterial werden aktuell pro Jahr von den Versandhändlern verbraucht – fast zu 100 Prozent Einweglösungen. Dass die Versandverpackungen zum großen Teil aus Pappe oder Papier bestehen, macht die Sache nicht besser. Auch Papierrecycling ist enorm ressourcenaufwendig, und die Papierherstellung ebenfalls.

Verschiedene Versandhändler testen zurzeit Alternativen: Mehrwegversandtaschen, die zwischen Händlern und Kunden hin- und hergeschickt werden können. Die Versandtaschen sind bereits für den Rückversand vorfrankiert und können je nach Zufriedenheit mit der Bestellung als Retoure oder leer zurückgesendet werden. Eine einfache und praktikable Lösung, die bis zu 20 Kartonverpackungen einsparen könnte. Trotzdem haben sich bislang nur wenige Handelshäuser darauf eingelassen.  

Fazit: In vielen Bereichen gibt es bereits Mehrweg-Alternativen zur Einwegflut. Sie werden aber noch nicht konsequent eingesetzt. Doch angesichts des immer stärker wachsenden Verpackungs-Müllbergs braucht es dringend mehr davon. Was fehlt, sind konkrete und gesetzliche Vorgaben.

Autor: Niels Waibel (SWR)

Stand: 07.05.2021 13:58 Uhr

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