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Covid-19-Risikogruppen: Wie gefährdet sind Menschen mit Asthma und Heuschnupfen?

Arzt spritzt eine Patientin
Prof. Roland Buhl spritzt Patientin ein Antikörper-Medikament . | Bild: SWR

Asthmatiker und Pollenallergiker sind verunsichert: Bei schwerem Asthma hilft nur Cortison, doch das schwächt das Immunsystem. Gefährlich in Corona-Zeiten. Trotzdem raten Mediziner davon ab, die Therapie zu ändern.

Das Telefon steht nicht still im Allergiezentrum Wiesbaden: Es herrsche große Verunsicherung bei den Patienten, sagt Prof. Ludger Klimek: "Viele wissen gar nicht mehr, was sie tun sollen." Allergiker und Asthmatiker sind in der Corona-Krise in zweifacher Hinsicht verunsichert: Sie können mitunter schwer einschätzen, ob Atemnot und Husten von ihrer Erkrankung herrühren – oder ob es die Warnsignale einer Covid-19 Infektion sind. Dazu kommt die Unsicherheit bezüglich der Cortison-Medikamente, die sie meist nehmen: In seinem Podcast sagte der Virologe Christian Drosten einmal, Asthmatiker sollten in der Corona-Krise eventuell auf Medikamente ohne Cortison ausweichen. Er relativierte das zwar später, doch oft liest man: Cortison schwächt das Immunsystem, ist ein Risikofaktor. Doch genau Cortison-Spray zum Inhalieren benutzen vor allem aber Asthmatiker, aber auch viele Heuschnupfen-Patienten und andere Allergiker als dauerhaftes Medikament gegen ihre Beschwerden. Sie fragen sich derzeit: das Cortison-Spray lieber absetzen? Und wie nun die Symptome der Allergie von Covid-19 unterscheiden?

Symptome lassen sich unterscheiden

Allergieexperte Prof. Ludger Klimek im Interview.
Prof. Klimeks Patienten sind verunsichert. | Bild: SWR

Laut Allergie-Experte Ludger Klimek gibt es einige recht klare Hinweise zur Abgrenzung der Symptome: Gegen die Viruserkrankung spricht: "Heftiges Niesen, Jucken der Nase, tränende und juckende Augen." Auch Fieber sei völlig untypisch für Allergie oder Asthma. Und schließlich: Hilft das bronchien-erweiternde Aerosol-Spray, das viele Patienten mit Atemwegsproblemen immer dabei haben, schnell gegen Atemnot -– dann spricht sehr viel für eine asthmatische Ursache der Beschwerden.

Prof. Klimek wirbt seit Jahren dafür, dass Allergiker sich schon in jungen Jahren gegen ihr Leiden "hyposensibilisieren" lassen. Mit dieser Impftherapie wird das Immunsystem quasi auf mehr Toleranz gegenüber den Allergieauslösern (zum Beispiel Blütenpollen oder Milben) "trainiert". Die Corona-Krise bestärkt ihn nur darin: Hyposensibilisierung – vor allem schon in jungen Jahren – sei wahrscheinlich der beste Schutz: "Denn dadurch verhindern Sie, dass Sie in solchen Pandemie-Situationen noch zusätzlich allergische Entzündungen bekommen." Denn genau die sind das eigentliche Risiko für Allergiker in der Corona-Krise.

Kein Risiko durch Cortisonsprays

Damit ist man beim zweiten Punkt, der Allergie- und Asthma-Patienten verunsichert: Stimmt es, dass Cortison-Medikamente anfälliger für das Virus – und auch für einen schweren Krankheitsverlauf machen? Prof. Roland Buhl, Lungen- und Asthmaexperte der Uniklinik Mainz, muss derzeit ebenfalls viele verunsicherte Patienten beruhigen. Und beschwört sie, keinesfalls eigenmächtig die individuell abgestimmte Therapie zu verändern, oder Cortison-Medikamente abzusetzen: Vor allem die Sprays zum Inhalieren enthielten nur minimale Mengen Cortison, die den Patienten "in 100 Jahren nicht schaden werden", so Buhl.

Stichwort Cortionspray
Cortisonsprays gehören zu den inhalativen Glukocortikosteroiden (ICS). Sie hemmen die Aktivierung von Entzündungszellen und Freisetzung von Botenstoffen, um:

  • die ständige Entzündungsbereitschaft in den Atemwegen abzuschwächen
  • Asthmaanfällen vorzubeugen
  • auf lange Sicht zu erreichen, dass Beschwerden insgesamt seltener und weniger heftig auftreten
  • ein Abschwellen der Bronchialschleimhaut zu erreichen, verringerte Schleimproduktion, hemmen der allergischen Reaktion und vermindern die Überempfindlichkeit der Bronchien.
(Quelle: Lungenärzte im Netz)

Diese Medikamente seien ein Segen für Asthmatiker: Das Cortison hemmt die Aktivierung von Entzündungszellen, bringt die Bronchialschleimhaut zum Abschwellen und vermindert die Überempfindlichkeit der Bronchien. "Eine durch das Cortison intakte innere Schleimhaut", sagt Prof. Buhl, "ist viel weniger empfindlich für Virusinfektionen als eine entzündete Schleimhaut, die entzündet ist, weil sie unzureichend behandelt ist."

Es gebe allerdings tatsächlich einen kleinen Anteil von Patienten mit schwerem Asthma, etwa zwei bis drei Prozent, die wesentlich höher dosiertes Cortison in Tablettenform benötigen. Die könnten, auch dauerhaft, auf neue Therapien mit biotechnologisch hergestellten, sogenannten Biologika ausweichen. Da seien tatsächlich langfristig weniger Nebenwirkungen als bei hochdosierten Cortisontabletten zu erwarten.

Eine Umstellung der Therapie, auch unabhängig von der Corona-Krise, könnte bei schwer erkrankten Asthma-Patienten sinnvoll sein. Für die allermeisten Patienten gilt aber: Konsequent die individuell verschriebenen Medikamente einnehmen. Und bei auch leichten allergischen Beschwerden rechtzeitig über Asthmaprävention nachdenken. Das wäre in diesen unsicheren Zeiten eine wirklich sinnvolle Vorsorge.

Autor: Oliver Wittkowski (SWR)

Experten zum Thema
Prof. Ludger Klimek
Zentrum für Rhinologie und Allergologie
An den Quellen 10
65183 Wiesbaden
(0611) 308 60 80
www.allergiezentrum.org

Prof. Roland Buhl
III. Medizinische Klinik und Poliklinik / Pneumologie
Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Langenbeckstr. 1
55131 Mainz
www.unimedizin-mainz.de/3-med/startseite/mitarbeiter/portraits/buhl-roland.html

Stand: 04.04.2020 16:23 Uhr

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