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Medikamentensuche: Was hilft gegen Covid-19?

In einem Labor greift eine Hand nach einem Reagenzglas.
Weltweit suchen Forscher nach einem Mittel gegen das Coronavirus. | Bild: hr

Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit: Weltweit suchen Forscher nach einem wirksamen Mittel im Kampf gegen das neuartige Coronavirus, SARS-CoV-2. Für die Forscher eine riesige Herausforderung. Einen Impfstoff gibt es bisher noch nicht. Aber es gibt erste erfolgversprechende Behandlungsansätze mit Medikamenten, die jetzt in klinischen Studien getestet werden. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat eine internationale Studie organisiert, in der vier Therapien mit sechs Wirkstoffen getestet werden. Die Studie hat sie auf den Namen "Solidarity" getauft. Normalerweise dauert eine klinische Zulassung etwa fünf Jahre. Dafür schreibt die deutsche Arzneimittelbehörde vier streng festgelegte Schritte für die Zulassung eines neuen Medikamentes vor:

  • Phase 1:  Die Substanz wird an gesunden Menschen getestet, um die Sicherheit und Verträglichkeit zu erforschen und mögliche Nebenwirkungen.
  • Phase 2: Hier werden an erkrankten Patienten Dosierung und auch Verträglichkeit getestet.
  • Phase 3: Nur wird die neue Therapie im Vergleich zu bisherigen Therapien geprüft.
  • Phase 4: Sie dient noch einmal letzten Anpassungen.

Doch es gibt da ein Problem: Für solch ein Zulassungsverfahren reicht im Moment die Zeit nicht.

Vier Kandidaten im Rennen

Eine Medikamentenverpackung mit der Aufschrift Hydroxychloroquin
Ein Malariamittel könnte auch gegen Corona-Viren helfen. | Bild: hr

Es müssen schnell wirksame Medikamente gefunden werden. Die WHO setzt deshalb auf Medikamente, die ursprünglich gegen andere Erkrankungen entwickelt wurden, schon zugelassen sind oder bereits große Teile der klinischen Phasen durchlaufen haben. Experten weltweit haben für die WHO-Studie Solidarity empfohlen, vier Medikamente zu testen:

  • ein Mittel gegen HIV namens Kaletra, das auch kombiniert mit einem Multiple Sklerose-Mittel getestet wird
  • die Malaria-Medikamente Chloroquin und Hydroxychloroquin
  • Remdesivir, das gegen Ebola entwickelt wurde.

Diese Medikamente sind besonders erfolgversprechend, da sie an verschiedenen Stellen der Virusvermehrung ansetzen.

Die Malaria-Medikamente können verhindern, dass die Viren in die Zellen eindringen beziehungsweise weniger eindringen.
Das Medikament Chloroquin wurde bereits 1934 von der Firma Bayer entwickelt und wird bereits seit vielen Jahren gegen Malaria eingesetzt. Auch Hydroxychloroquin wirkt gegen Malaria.

Mit Malaria-Mitteln gegen Covid-19?

Wie effektiv sie gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 wirken, ist bisher noch nicht in großen klinischen Studien getestet worden. Es gibt einzelne Fallbeispiele, bei denen COVID-19 Patienten mit dem Medikament behandelt wurden. Diese Tests lieferten allerdings keine allzu ermutigenden Ergebnisse. Das könnte aber auch daran liegen, dass diese Patienten alle schon sehr krank waren und das Mittel eventuell zu spät eingesetzt wurde. Wie wirksam es insgesamt bei allen Patientengruppen ist, müssen die WHO Studien erst noch zeigen.

Ist das HIV-Medikament erfolgversprechender?

Das HIV-Medikament Kaletra verhindert, dass sich die Viren in menschlichen Zellen vermehren können. Erste Tests zeigen, dass Kaletra die Viruslast in Patienten mit Sars CoV2 deutlich verringert: um etwa 40-60 Prozent bis zum Tag 8 der Behandlung. Kaletra wird bereits seit 20 Jahren gegen HIV eingesetzt. Die Nebenwirkungen des Medikaments sind gut erforscht. Mittlerweile gibt es zwar auch neuere HIV-Mittel mit weniger Nebenwirkungen, aber der Vorteil von Kaletra ist seine weltweite Verfügbarkeit. Und Verfügbarkeit ist ein wichtiges Kriterium der WHO für die Auswahl der Testkandidaten. Denn die Zeit drängt.

Hoffnungsträger: Remdesivir ein Ebola-Medikament

Kapseln mit der Aufschrift Remdesivir
Das Ebola-Medikament ist derzeit der Hoffnungsträger vieler Forscher. | Bild: hr

Remdesivir gilt als Hoffnungsträger unter den antiviralen Medikamenten gegen das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2. Es soll die Vermehrung des Virus in der menschlichen Wirtszelle verhindern. Ursprünglich wurde Remdesivir als Medikament gegen das Ebola-Virus entwickelt, hatte sich aber nicht als so effektiv erwiesen, wie erhofft. Aber die Forscher stellten fest, dass Remdesivir eine breite antivirale Wirkung hat – unter anderem auch gegen Corona-Viren. An der Uniklinik in Düsseldorf wird es bereits im Rahmen einer weltweiten Studie eingesetzt, die offiziell im April begonnen hat. Das Medikament wurde schon vor Studienbeginn bei ausgewählten Einzelfällen mit schweren Krankheitsverläufen angewandt, bei denen keine andere Therapieoptionen mehr zur Verfügung standen.

Gravierende Nebenwirkungen haben die Düsseldorfer Forscher dabei nicht festgestellt, sagt Dr. Thorsten Feldt, der die Studie an Uniklinik Düsseldorf leitet. Allerdings seien die Fallzahlen bisher noch zu gering, um eine Aussage zur Wirksamkeit machen zu können. Ist das Corona-Virus in den Körper gelangt, dringt es in die Zellen ein und programmiert diese um. Es zwingt die Zellen, das Erbgut der Viren zu reproduzieren. Dadurch vermehrt sich das Virus massenhaft. Remdesivir dockt nun an infizierte Zellen an und schleust einen Baustein ein, der in das Erbgut der Viren eingebaut wird. Der verhindert, dass sich neue Viren ausbilden können.

Weitere Tests, neue Medikamente

Neben antiviralen Medikamenten stehen auch noch weitere Arzneimittel im Fokus der Forscher: Immunmodulatoren, die zum Beispiel gegen Rheumatoide Arthritis oder entzündliche Darmerkrankungen entwickelt wurden. Sie sollen die Abwehrreaktionen des Körpers so begrenzen, dass diese nicht noch mehr Schaden anrichten als die Viren selbst.

Oder auch Medikamente für Lungenkranke. Sie sollen verhindern, dass die Lunge der Patienten das Blut nicht mehr mit genug Sauerstoff versorgen kann.

Weltweit wird außerdem an neuen Medikamenten gegen COVID-19 geforscht. So arbeiten zum Beispiel Wissenschaftler in Gießen, Marburg, Hamburg und Langen an einem Medikament, das auch gegen das neuartige Corona-Virus wirken soll. Es basiert auf einem natürlichen Wirkstoff: Silvestrol. Er wird aus asiatischen Mahagonigewächsen der Gattung Aglaia gewonnen und zum Beispiel auf Borneo schon lange als Heilpflanze eingesetzt. Die Forscher fanden heraus, dass der Wirkstoff gegen tödliche Viren wie Ebola, Lassa, Zika und eben auch gegen SARS-CoV-2 wirksam ist. Er blockiert ein Enzym in menschlichen Körperzellen, dass für die Vermehrung der Viren verantwortlich ist.

Doch Silvestrol ist nur schwierig und teuer zu gewinnen. Außerdem steht der Baum auf der roten Liste für bedrohte Pflanzen. Doch mittlerweile ist es den hessischen Forschern, zusammen mit Kollegen aus den USA, gelungen, Silvestrol künstlich herzustellen. Ein Molekül, das ähnlich aufgebaut ist wie Silvestrol und dessen künstliche Variante haben die präklinischen Studien bereits hinter sich. Das könnte den Zulassungsprozess eines Medikaments beschleunigen. In absehbarer Zeit ist damit aber nicht zu rechnen und die Kosten von rund 1 Milliarde Dollar kann nur ein Pharmakonzern stemmen.

Wann gibt es erste Behandlungsmöglichkeiten?

Die Medikamente, die derzeit in den weltweiten WHO-Studien getestet werden, könnten einen Durchbruch im Kampf gegen COVID-19 bringen. Experten gehen davon aus, dass es noch etwa 6 bis 9 Monate dauern könnte bis einzelne Behandlungsmöglichkeiten zugelassen werden. Die Studien werden strengstens überwacht, von Behörden, Ärzten und Herstellern. Auch wenn der Behandlungsdruck sehr groß ist, braucht es diese Zeit, um sicher zu gehen, dass die Medikamente wirken, die Dosierungen stimmen und auch längerfristige Nebenwirkungen ausgeschlossen sind.

Autorinnen: Stephanie Krüger/Dorothee Kaden (HR)

Stand: 16.04.2020 15:53 Uhr

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