Sa., 06.02.21 | 16:00 Uhr
Das Erste
Corona: Kampf gegen die Pandemie
Am 28. Januar 2020 wurde erstmals in Deutschland das neuartige Coronavirus diagnostiziert, und zwar bei einem Mitarbeiter eines bayerischen Automobilzulieferers, der Kontakt mit einer Kollegin aus China hatte. Kaum jemand konnte sich damals vorstellen, wie schnell sich der Erreger mit dem Namen SARS-CoV2 verbreiten würde, und welche dramatischen Konsequenzen das für jeden für uns bedeuten würde. Doch ebenso überraschend war, wie schnell und effektiv die Wissenschaft und die Medizin auf diese Bedrohung reagiert hat.
Die Bombe tickte schon lange
Auch wenn die Pandemie uns alle überrumpelt hat und sogar absurde Verschwörungstheorien über ihren Ursprung befeuerte – die Befürchtungen, dass so etwas passieren könnte, gibt es schon lagen. Eine Metastudie aus dem Jahr 2007 kam zu dem Ergebnis, dass das Coronavirus in den chinesischen Fledermauspopulationen ein Reservoir gefunden hat, in denen es für Menschen gefährliche Mutationen entwickeln kann. Wörtlich heißt es dort: "Zusammen mit der Kultur des Essens wilder Tiere in Südchina, ist das eine Zeitbombe." Wie genau das Virus den Weg von seinem Wirt, der Fledermaus, zum Menschen gefunden hat, ist allerdings immer noch nicht geklärt.
Corona-Impfstoff: eine einzigartige Wissenschaftliche Leistung
Doch so erschreckend schnell die Pandemie über den Planeten hereinbrach, so energisch war die Reaktion der Wissenschaft: In kürzester Zeit konnten Forscher das komplette Erbgut des Erregers entschlüsseln und nach Schwachstellen suchen. Ein bereits seit vielen Jahren erforschte, doch bislang kaum zum Einsatz gekommene Impfmethode sollte jetzt eine Chance bekommen: Die Impfung mittels künstlich hergestellter sogenannter mRNA. In so kurzer Zeit eine derartig wirksamen Impfstoff herzustellen und damit auf die Bedrohung reagieren zu können, ist eine einzigartige Leistung in der Geschichte der Wissenschaft. Doch wie genau funktioniert er?
Virus-Bauanleitung in den Körper geschmuggelt
Die "Messenger-" oder kurz mRNA, also die Boten-RNA, dient dazu, Bauanleitungen für bestimmte Proteine von der DNA im Zellkern, die unserer gesamte Erbinformation speichert, zu den Ribosomen zu bringen, den "Handwerkern" der Zelle. Sie können diese Anleitung lesen und daraus das benötigte Protein herstellen. Eine passgenaue m-RNA für die Herstellung von Virusproteinen kann heute auch im Labor hergestellt werden.
Die Impfung enthält solche künstlich erzeugten Bauanleitungen vom sogenannten Spike-Protein aus der Coronavirushülle. Diese Bauanleitung wird ebenfalls von den Ribosomen ausgelesen, die daraufhin – statt körpereigenen Proteinen - Virusbausteine herstellen. Unser Immunsystem erkennt die so hergestellten Virusteile als körperfremdes Eiweiß und beginnt damit, Antikörper gegen die Eindringlinge zu entwickeln. Die "Erfahrungen" mit dem neuen "Eindringling" speichert unser Immunsystem dann in speziellen Gedächtniszellen ab. Treffen sie dann bei einer Infektion auf das "echte" Virus, wissen sie, was zu tun ist – und können um ein Vielfaches schneller mit den Abwehrmaßnahmen beginnen.
Extrem hoher Wirkungsgrad – aber Impfstoff ist schwer zu lagern
Sowohl der Biontech/Pfizer-Impfstoff als auch der von Moderna gehören zu diesem Typ, der mit einem Wirkungsgrad von rund 95 Prozent eine hochwirksame Waffe gegen das Virus darstellen. Seit Ende Januar ist noch ein weiterer Impfstoff des schwedisch-britischen Herstellers AstraZeneca in der EU zugelassen. Er funktioniert nach einem ähnlichen Prinzip, allerdings bring hier eine harmlose Virushülle die Erbinformation zur Herstellung des Virusproteins in die Zelle, die in einem DNA-Strang eingebettet ist. Der Vorteil: Andres als die reinen RNA-Impfungen, die zum Teil bei -70 Grad Celsius gelagert werden müssen, ist der Impfstoff auch bei normalen Kühlschranktemperaturen über Monate hinweg stabil. Allerdings legen die Studien derzeit noch einen geringeren Wirkungsgrad nahe.
Schnelle Reaktion dank wissenschaftlicher Vorarbeit
Gerade diese extrem schnelle Entwicklung nährt die Skepsis bei Impfskeptikern. Doch einen triftigen Grund dafür gibt es nicht. So verschaffte beispielsweise die Forschung an den "Vorgängermodellen" des jetzigen SARS-CoV2 Virus den Wissenschaftlern einen wichtigen Vorsprung bei der Impfstoffentwicklung. Professorin Ulrike Protzer, Virologin am Lehrstuhl für Virologie der TU München, resümiert: "Man hat schon mal drei bis vier Jahre gewonnen, weil man genau wusste, wie das Impf-Antigen aussehen musste. Dann hatte man zum Glück seit zwei, drei Jahren die mRNA-Technologie fertig. Dann gab es da noch ein paar wirklich schlaue Köpfe, die die Studien sehr intelligent designt, und das auch mit den Regulatoren abgesprochen haben."
Die Impfstoffe sind gut verträglich – bei etwa einem von 100 000 Personen können schwerere allergische Reaktionen auftreten, die aber gut behandelbar sind. Deshalb bleiben die frisch geimpften Personen noch eine Viertelstunde zur Überwachung im Impfzentrum.
Virusmutationen – eine neue Bedrohung?
Sorgen machen den Forschern dagegen verschiedene Mutationen, die seit Anfang des Jahres in verschiedene Teilen der Welt auftauchen. In England, Südafrika und Brasilien sind inzwischen besorgniserregende Mutanten entstanden. Besonders schnell verbreitet sich die britische Mutation, und zwar auch dank Veränderungen am Spike-Protein, den Zacken des an der Außenseite des Virus. Sie funktionieren wie ein Schlüssel, mit dem das Virus in die Zellen eindringt, um sich dort zu vermehren. Bei dem Wildtyp verfehlen diese Schlüssel oft die passenden "Schlüssellöcher" an unseren Zellwänden. Die Veränderungen an den Spike-Proteinen der Mutanten sorgen dafür, dass die "Schlüssel" die Schlüssellöcher leichter aufsperren können. Bei der britischen Variante ist deshalb inzwischen eine deutlich höhere Ansteckungsgefahr belegt.
Doch können die Mutationen auch die Antwort unseres Immunsystems und damit auch Impfungen unwirksam machen? Bei der britischen Variante halten Forscher das bisher für wenig wahrscheinlich. Allerdings deutet eine erste Studien darauf hin, dass die südafrikanische oder auch die brasilianische Mutation sich tatsächlich zumindest teilweise der Immunantwort entziehen könnte – in rund zehn Prozent der Fälle.
Die Virologin Professor Ulrike Protzer gibt allerdings derzeit noch Entwarnung "Das reicht aber noch lange nicht, dass der Impfstoff nicht wirksam ist. Andere sagen, das macht eigentlich nichts aus. Da muss man, glaube ich, die endgültige Datenlage noch abwarten." In wieweit neue Medikamente gegen Covid-19, die auf Antikörpern beruhen, ihre Wirksamkeit auch bei den Mutanten erhalten, ist noch nicht ausreichend erforscht.
Autor: Frank Bäumer (BR)
Stand: 06.02.2021 13:36 Uhr