SENDETERMIN So., 11.11.07 | 17:03 Uhr | Das Erste

Afrikas neuer Ozean

In Nordostafrika, genauer: im äthiopischen Tiefland, liegt die Wüste von Afar, eine der trockensten und kargsten Regionen der Welt.

Aufgerissener Boden mit Kratern
Im äthopischen Tiefland verändert sich die Landschaft. | Bild: HR

Die Temperaturen erreichen über sechzig Grad. Afar bedeutet "Rauchender Berg" und zeugt davon, dass die Region schon seit Generationen vulkanisch extrem aktiv ist. An einigen Stellen verwandeln heiße Gase aus dem Erdinneren den Boden in kochenden Schlamm. Kaum zu glauben: aber ausgerechnet hier, mitten in der Wüste, entsteht ein neuer Ozean.

Kontinentalplatten driften auseinander

Die Afar- Senke ist eine der größten Baustellen des Planeten. Das Gebiet liegt im Länderdreieck zwischen Äthiopien, Eritrea und Dschibuti. Hier entfernen sich drei große Kontinentalplatten:

Die arabische, die afrikanische und die somalische Platte. Auf einer Länge von 60km öffnet sich bereits die Erde. Wenn der Riss weit genug ist wird das Rote Meer ihn fluten und ein neuer Ozean bildet sich.

Tiefer kilometerlanger Riss im Boden

Im September 2005 wird die Afarwüste von mittelstarken Erdbebenserien erschüttert. Das allein ist eigentlich nicht so bemerkenswert.

Aber als sich Satellitenexperte Tim Wright die Bilder nach dem Beben ansieht, ist er fassungslos: "Als die Bilder erschienen war es unglaublich. Es war das größte Signal, das wir mit dieser Methode je gemessen hatten. Es war ehrlich so ein Moment, wo man fast vom Stuhl fällt", erinnert er sich.

Die Satellitenbilder zeigten Unglaubliches: Die Erdoberfläche war offenbar bei dem Beben kilometerweit aufgerissen und der Boden um mehrere Meter abgesackt. In diesem Tempo ist so etwas bisher noch nie passiert. Wenn der Eindruck nicht täuscht, entsteht Afrikas neuer Ozean quasi im Zeitraffer.

Plötzlich reißt die Erde auf

Die amerikanische Wissenschaftlerin Cindy Ebinger ist der Kopf eines internationalen Geologenteams. Schon seit über 25 Jahren erforscht sie, was hier vor sich geht.

Die Wissenschaftler wollen die betreffende Region überfliegen und sich mit eigenen Augen von den gewaltigen Erdbewegungen überzeugen. Wie gebannt suchen die Forscher den Boden nach den Spuren des Bebens ab. Dann plötzlich - ein riesiger Riss.

Das Team ist sprachlos: Mit einem Schlag hat sich hier ein über 500 m langer Vulkanspalt geöffnet. Und frische Aschspuren zeigen, dass die Erde hier noch nicht zur Ruhe gekommen ist.

Einige Kilometer weiter wird dann das ganze Ausmaß der Plattenverschiebung deutlich: auf einer Fläche, anderthalb mal so groß wie Berlin, haben sich hunderte von Rissen im Boden geöffnet.

Erdschichten wie aus Weichkaramel

Die Erklärung für die unglaublichen Kräfte, die hier wirken, liegt zwei Kilometer tief unter der Erde:

Dort ist die Grenze der gewaltigen Kontinentalkrusten. Zum Zeitpunkt des Bebens hatte sich hier über Jahrhunderte eine enorme Spannung aufgebaut. Die Krusten streben auseinander und die teilweise weichen Gesteinsgrenzen werden wie Weichkaramel gedehnt.

Anfang September 2005 künden erste leichte Beben von der steigenden Spannung. Weitere folgen und am 25. September ist es soweit: Mit einem Schlag löst sich die Spannung. Die Platten streben mit Wucht auseinander und die Erdkruste reißt auf wie Papier.

Ähnlich große Erdbewegungen konnten Geologen nur Ende der siebziger Jahre in Island beobachten. Dort dauerte der Prozess allerdings nicht einige Wochen, sondern fast zehn Jahre.

Bevölkerung muß Dörfer verlassen

Die Expedition war ein voller Erfolg. Cindy Ebinger und ihr Team sind hellauf begeistert: “Nur ganz selten in ihrem Leben haben Geologen die Chance, so etwas zu sehen. Ich fühle mich richtig privilegiert!”

Doch was für die Forscher ein gewaltiges Naturereignis ist, ist für die Einheimischen eine permanente Bedrohung. Viele mussten schon ihre Dörfer verlassen. Einige Projekte zur Entwicklung der Region wie ein Staudamm, der gerade im 50 Kilometer entfernten Semera gebaut wird, sind bedroht. Denn der Staudamm liegt direkt auf der Verlängerung des Kontinentalrisses und könnte in Zukunft sogar zur Gefahr werden.

Was hier in der Wüste Äthiopiens geschieht, wird den afrikanischen Kontinent für immer verändern. Noch verhindert das Danakil-Hochland das Einströmen des Roten Meeres. Doch diese Barriere schrumpft. Afrikas neuer Ozean wird zwar noch etwas auf sich warten lassen - vermutlich ein paar hunderttausend Jahre - aber den Beginn dieses spannenden Prozesses kann man bereits heute beobachten.

Autorin: Natalie Reinking

Stand: 11.05.2012 13:08 Uhr

Sendetermin

So., 11.11.07 | 17:03 Uhr
Das Erste