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Vulkan unterm Erzgebirge

Wenn die Forscher in den Berg hinabsteigen, spüren sie den Atem der Erde.

Im Untergrund des Erzgebirges rumort es. Ständige kleine Erdbeben sorgen für ein eigentümliches Ächzen und Knarren im Bergwerk. Mit hochempfindlichen Messgeräten sind Seismologen der Entstehung dieser Beben auf der Spur – mit beunruhigenden Ergebnissen.

Aktivstes Erdbebengebiet Europas

Landkarte von zwischen Plauen, Hof und Karlsbad
Im deutsch-tschechischen Grenzgebiet befindet sich das aktivste Erdbebengebiet Europas. | Bild: SWR Grafik

Das Gebiet zwischen Vogtland, Bayern und dem tschechischen Böhmen ist das aktivste Erdbebengebiet Mitteleuropas. Fast täglich wackelt hier die Erde. Regelrechte Serien kleiner Beben sorgen für Risse in den Häusern. „Schwarmbeben“ nennen Experten solche Erdbeben-Serien.

Der Untergrund ist in Bewegung

Siegfried Wendt öffnet Glastür zum Seismometer
Mit dem Seismometer in der Leipziger Erdbebenwarte werden die Erschütterungen im Erzgebirge registriert | Bild: SWR

Bei Siegfried Wendt laufen alle Erdbebendaten aus dem deutsch-tschechischen Grenzgebiet zusammen. Neben den kleineren Schwarmbeben gibt es immer wieder größere Erschütterungen – die letzte wurde hier in der alten Leipziger Erdbebenwarte im Herbst 2000 aufgezeichnet. Es gibt keinen Zweifel: irgendetwas tut sich tief im Untergrund, denn die größeren Beben kommen regelmäßig.

"Wir haben eine Periodizität von ca. 6 Jahren errechnet", sagt Siegfried Wendt, "das würde bedeuten, dass wir also nach dem Schwarm im Jahr 2000, wo wir mehr als 10000 Beben registriert haben, bald wieder mit einem Beben der Magnitude größer als 2 zu rechnen hätten."

Vulkane im Vogtland noch aktiv?

Riesiger Felsen im Wald mit Gedenktafel
Jüngster Zeuge einer aktiven Vergangenheit: Der erloschene Vulkan Kammerbühl bei Franzensbad | Bild: SWR

Sind die vielen erloschenen Vulkane in der Gegend der Schlüssel, mit denen sich die Beben erklären lassen? Der Kammerbühl in der Nähe von Franzensbad etwa ist der jüngste erloschene Vulkan Europas. Künden die Erdbeben davon, dass die Vulkane tief im Innern noch lebendig sind?

Aus dem Vulkan ergossen sich noch vor 300 000 Jahren glühende Lavaströme. Die Indizien mehren sich, dass die Vulkane im Vogtland nicht tot sind, sondern nur tief schlafen.

Edelgas Helium aufgespürt

Sprudelndes Wassr wird in Glasbehältnis gefüllt
Stichprobe: Dei Geologen wollen wissen, was für ein Gas da sprudelt. | Bild: SWR

Nur wenige Kilometer entfernt, in einem Sumpfgebiet, dringen Gase an die Oberfläche. Gerhard Strauch und Karin Bräuer suchen ebenfalls seit Jahren nach einer Erklärung für die Schwarmbeben im Vogtland – und fanden hier den entscheidenden Puzzlestein. Dieses Gas muss aus sehr großer Tiefe stammen: Es enthält eine bestimmte Form des Edelgases Helium, das nur im heißen Erdinnern gebildet wird. Ein klares Indiz dafür, dass die Vulkane nur schlafen.

"Durch unsere Untersuchungen", sagt Karin Bräuer, "konnten wir feststellen, dass der Heliumanteil, der aus der Tiefe kommt, zugenommen hat. Und das bedeutet, dass es hier ein magmatisches Reservoir unter diesem Becken haben muss. Und der Anstieg spricht auch dafür, dass das Magma sich auf die Erde zubewegt."

Computeranimation: Gesteinschichten mit Rissen, unten Magma
Das Helim steigt unter Druck in den Gesteins-Rissen auf und verursacht die Schwarmbeben. | Bild: SWR Grafik

Im Zusammenhang mit den hier immer wieder vorkommenden Schwarmbeben, erklärt die Wissenschaftlerin weiter, wäre das eine Erklärung, warum diese hier immer wieder auftreten. Magma könne nämlich in die Kruste aufsteigen und so der Auslöser für solche Schwarmbeben sein.

Vulkanausbrüche in Europa?

Montage: Vogtland mit Vulkanen
Wann im Vogtland wieder Vulkan ausbrechen können, das wissen die Forscher jedoch noch nicht. | Bild: SWR

Alles deutet darauf hin: eine aktive Magmablase liegt unter der friedlichen Oberfläche des deutsch-tschechischen Grenzgebiet. Drohen also tatsächlich im Herzen Europas wieder Vulkanausbrüche? Für den Geologen Gerhard Strauch ist die Antwort klar: "Wir hatten ja hier bereits Vulkanismus. Dieser Vulkanismus zeigt an, dass Gase und Magma von unten aufsteigen können. Ob das in unserem Leben hier passiert, oder ob das noch 10.000 Jahre dauert, das kann ich nicht sagen.: im Prinzip ja – man weiß nur nicht, wann."

Sicher ist: In etwa 30 Kilometer Tiefe brodelt es. Und der nächste Erdbebenschwarm wird die Menschen im Erzgebirge und im Vogtland daran erinnern: sie leben auf feurigem Untergrund.

Autor: Michael Hänel

Stand: 11.05.2012 13:08 Uhr

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