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Sicherer Ökostrom?

"Zu teuer und nicht grundlastfähig" so lautet das Totschlag-Argument der Gegner von Erneuerbaren Energieträgern wie Solarkraft oder Windenergie.

Umweltingenieure sehen das ganz anders, Kohle und Kernkraft könnten schon sehr bald von sauberen Energieträgern ersetzt werden.

Bundeskanzlerin Merkel wollte die verfeindeten Lager mit echten Argumenten versorgen und forderte vor wenigen Monaten ein Leuchtturm-Projekt, in dem die Erneuerbaren Fraktion beweisen solle, was behauptet wird: dass Wind, Sonne, Wasser und Biokraft eben doch grundlastfähig sind, also in der Lage, 24 Stunden Strom zu liefern, und das nicht nur wenn die Sonne scheint und der Wind weht.

Einen ganzen Tag nur mit Ökostrom

Schauplatz des Pilotprojektes ist Kassel. Hier haben sich Forscher des Instituts für Solare Energie- Versorgungstechnik (kurz ISET) ganz real dem Strombedarf eines Tages gestellt und eine Region mit Öko-Energie zu versorgen versucht. Der Großversuch wird von Dr. Kurt Rohrig geleitet.

Der Ingenieur sieht unsere Zukunft in den "Erneuerbaren" - den Energiepatenten der Natur. Sonne, Windkraft und Biogase - das ist das Kraftpaket für seine Vision: "Wir wollen demonstrieren, dass man mit Windenergie, Biogasen und Photovoltaik Deutschland Mitte des Jahrhunderts zu hundert Prozent aus Erneuerbaren versorgen kann."

Ökostrom am Morgen

Adieu Kohle- und Kernkraft? Wie soll das gehen? Kurt Rohrig will zeigen, dass der Ausstieg keine Theorie ist: Durch eine computergestützte Schaltzentrale, die erneuerbare Energieträger miteinander kombiniert. Für ihren Versuch speisen die Forscher diesen Öko-Strommix ganz real ins regionale Netz ein.

Am frühen Morgen ist der Wind das Energie-Zugpferd für die erste große Herausforderung. Denn in Tausenden Haushalten beginnt der Tag, und damit der Stromverbrauch. "Das passiert zwar alles nicht ganz gleichzeitig, aber innerhalb von kürzester Zeit. Dann steigt der Verbrauch enorm an und die Erzeugung muss dann hinterher fahren, weil sonst das System ins Wanken gerät", so Kurt Rohrig.

Damit dies nicht passiert, haben die Forscher den Strombedarf vorausberechnet. Für den gesamten Tag müssen sie diese Grundlast abdecken. Mit Windkraft alleine ist das nicht zu leisten. Doch es gibt Unterstützung: Die Sonne. Solarzellen verwandeln die Sonnenstrahlung in Strom.

Was ist aber, wenn die Sonne durch Wolken verdeckt ist und der Wind nicht bläst?
"Für diesen Fall müssen Anlagen in anderen Regionen mit ihrer Energieerzeugung aushelfen", sagt Kurt Rohrig gelassen. "Selbst wenn ich keinen Wind zur Verfügung habe und kein Photovoltaik, dann kommt die Biomasse ins Spiel und kann immer noch genügend Energie bereitstellen, um dann diese Lücke zu füllen." Biomasse. Gehäckselter Mais aus landwirtschaftlichen Brachflächen wird in speziellen Reaktoren zu Biogas verwandelt. Von der Zentrale aus wird dieses Gas als Energieträger je nach Bedarf abgerufen.

Ökostrom am Mittag

Am Mittag deckt vor allem noch der Wind den größten Teil des Strombedarfs. Das reicht aus, denn der Verbrauch ist im Moment gering. Doch schon am Abend erwartet das Ökokraftwerk die große Bewährungsprobe: der Bedarf wird extrem ansteigen. Was dann?

Die Windräder laufen auf Hochtouren. Kurt Rohrig muss feststellen, ob sie womöglich mehr Energie liefern als gerade benötigt wird. Normalerweise würde dann diese überschüssige Energie verpuffen, denn der Wind lässt sich schließlich nicht wie Biogas als Energieträger einfangen.

Die Anlage produziert tatsächlich Überschuss. Das kann für den Abend reichen. Mit einem Mausklick aktiviert Kurt Rohrig ein verblüffendes Patent seines Ökokraftwerkes: Die Speicherung von Windkraft.

Über das Netz liefert der Windpark die überschüssige Energie zu einem Pumpkraftwerk. Dort pumpen Generatoren mit dieser Energie Wasser einen Berg hinauf. Die flüchtige Windenergie verwandelt sich in gespeicherte Wasserkraft. Wird Energie benötigt, werden die Ventile geöffnet und das Wasser kann zu Tal strömen. Dadurch entsteht wiederum Energie, die als Strom in das Netz fließt.

Ökostrom am Abend

Dieser Strom wird jetzt benötigt für die Industrie: Sie fährt ihre Nachtschichten. Zum Feierabend erwartet Kurt Rohrig zudem den zweiten großen Energiefresser: die Haushalte. Jetzt muss er beweisen, dass sein Netzwerk aus gespeicherter Windenergie und Biogas genügend Strom bereitstellen kann.

Und tatsächlich: es reicht! Das Experiment ist ein Erfolg! Kurt Rohrig ist zufrieden. "Allein wenn nur der Fortschritt beim Ausbau beibehalten wird, sind wir 2050 vom Potential her so weit das Ganze auf Erneuerbare umzustellen. Die technischen Fragen müssen natürlich noch Schritt für Schritt gelöst werden." Der Tag hat gezeigt: dem Ökostrom gehört die Zukunft! Kohle- und Kernkraft sind dem Untergang geweiht.

Autor: Axel Wagner

Stand: 11.05.2012 13:09 Uhr

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