So., 12.10.08 | 17:03 Uhr
Das Erste
Blutvergiftung
Es war nur ein Tritt in einen rostigen Nagel – doch er hat fatale Folgen. Nach diesem eher harmlosen Unfall bekommt Peter Brunck aus Wiesbaden Schmerzen und Fieber.
Sein Hausarzt tippt auf einen Muskelfaserriss, verschreibt Schmerzmittel. Aber die helfen kaum. Als die Schmerzen immer stärker werden, alarmiert seine Frau den Notarzt. "Er hat sich das Bein angeguckt", erinnert sie sich, "hat auch die Wunde gesehen, ist auf die Wunde aber nicht weiter eingegangen. Und hat eigentlich nichts gemacht. Sagte: Dann wird die Diagnose vom Hausarzt wohl stimmen, dass es ein Muskelfaserriss ist."
Schmerzen verschlimmern sich
Als Peter Brunck die Schmerzen nicht mehr aushält, fährt ihn sein Schwiegervater ins nächstgelegene Krankenhaus. Doch auch dort weiß man nicht weiter und verlegt den 38-jährigen auf die Intensivstation einer Uniklinik. Aber Peter Bruncks Zustand verschlechtert sich weiter.
Die Klinik informiert daraufhin seine Familie und bittet sie, sofort ins Krankenhaus zu kommen. Peter Bruncks Frau wird diesen Moment nie mehr vergessen: "Und dann sind wir hoch zur Intensivstation und stehen da vor der Tür, weil da muss man ja klingeln. Und gerade in dem Moment kommt mir der Arzt entgegen und sagt: Frau Brunck, tut mir leid, aber ihr Mann ist vor fünf Minuten gestorben. An Herz-Kreislaufversagen."
Überreaktion des Körpers
Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn eigentlich starb Peter Brunck an einer Blutvergiftung. Da die bakterielle Infektion durch den rostigen Nagel nicht erkannt wurde, überschwemmten die Keime schließlich den Blutkreislauf. Peter Bruncks Organismus reagierte über: Um die Unmengen von Erregern zu bekämpfen, setzte er sinnlose Abwehrmechanismen in Gang. Doch dieser Angriff schadete nicht den Erregern, sondern zerstörte nach und nach Herz und Lunge des Opfers.
Langwierige Analyse
Das ist kein Einzelfall: Blutvergiftungen werden oft erst spät erkannt. Die Symptome sind vielfältig, teilweise ähneln sie denen eines grippalen Infektes.
Blutvergiftungen sind die dritthäufigste Todesursache in Deutschland überhaupt, noch vor dem Schlaganfall. Zwar lässt sich der Erreger durch eine Blutuntersuchung feststellen. Doch die Untersuchung dauert in der Regel zwei bis drei Tage. Und erst dann wissen die Ärzte, welches Antibiotikum überhaupt treffsicher wirkt. Zwei bis drei Analysetage sind für einen Patienten mit fortgeschrittener Sepsis aber zu lang. Bekommt er nicht schnell ein wirksames Antibiotikum, verringert sich seine Überlebenschance pro Stunde um fünf Prozent. In spätestens zwanzig Stunden ist der Patient tot.
Analyse der Bakterien-DNA
Doch nun gibt es neue Hoffnung – aus Jena. Die Forscher dort legen nicht wie bisher eine klassische Blutkultur an, sie isolieren nur die DNA aus dem Blut des Patienten. Aber die Wissenschaftler hatten zunächst ein Problem: die DNA des Erregers zu finden.
Denn das Erbgut, das aus dem Blut gefiltert wird, besteht fast ausschließlich aus gesunder menschlicher DNA und nur zu einem geringen Bruchteil aus der DNA des Erregers.
Durch ein spezielles Verfahren gelang es den Jenaer Mikrobiologen schließlich, die gesunde Materie auszuwaschen und dann die Erreger-DNA mit chemischen Zusätzen zu vermehren. In nur sechs Stunden liegt das Ergebnis vor! Und: die Methode ist treffsicher! In Hessen wird das Verfahren noch nicht angewendet. In einigen Kliniken anderer Bundesländer aber schon.
Lebensrettende Zeitersparnis
Für viele Betroffene könnte das in Zukunft die Rettung sein. Denn nun können die richtigen Antibiotika deutlich früher gegeben werden.
Hätte die neue Analysemethode Peter Brunck gerettet? Wahrscheinlich nicht, sagt seine Frau – selbst sechs Stunden wären bei ihm zu viel gewesen. Sie appelliert an die Ärzte, die Krankheit ernst zu nehmen. Denn hätte Peter Brunck einen kompetenten Arzt an seiner Seite gehabt, würde er heute vermutlich noch leben.
Autor: Stefan Venator
Stand: 11.03.2014 13:50 Uhr