So., 21.12.08 | 17:03 Uhr
Das Erste
Der perfekte Weihnachtsbaum
Etwa 27 Millionen Christbäume werden bei uns jedes Jahr verkauft. Für Weihnachtsbaumproduzenten bedeutet das einen 800 Millionen Euro schweren Markt. Zehn Jahre dauert es, bis ein Christbaum geerntet wird.
Der Druck für die Weihnachtsbaum-Züchter ist groß: Auf den Plantagen sollen nur Spitzenbäume heranwachsen. Exemplare, die zu krumm oder zu licht sprießen, enden im Häcksler und bescheren den Produzenten große Ausfälle.
Die Ausfälle sollen so klein wie möglich gehalten werden. Daran arbeiten Gartenbauingenieure der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen im Gartenbauzentrum Münster-Wolbeck. 8000 Quadratmeter Freilandfläche, Klimahallen und ein Labor stehen ihnen für die Weihnachtsbaumforschung zur Verfügung. Denn in Münster will man den Weihnachtsbaumanbau revolutionieren.
Beliebtester Weihnachtsbaum der Deutschen
Nur zwei Nadelbaumarten sind bei den Deutschen gefragt: Blaufichte und Nordmanntanne. "Der Deutschen liebster Christbaum ist die Nordmanntanne", weiß Projektleiter Peter Uehre. "Ihre Nadeln sind wunderbar weich und stechen nicht." Außerdem bleibt sie lange frisch. Auch nach drei Wochen in der warmen Wohnung nadelt sie kaum. Anders die Blaufichte: Ihre Nadeln sind spitz. Außerdem setzt ihr Trockenheit zu. Schon nach zwei Wochen ohne Wasser beginnt sie zu nadeln, wie Peter Uehre in einem Frischeversuch zeigt.
Natürliche Klone
Doch die Blaufichte hat einen Vorteil. Sie kann man über Stecklinge vermehren. Dafür werden Triebe von einem Baum genommen und in die Erde gesteckt. Bei hoher Luftfeuchte und optimaler Temperatur bildet der Steckling Wurzeln und wächst zu einem Baum heran. Aus einer optimal gewachsenen Blaufichte erzeugen die Forscher aus Münster viele gleich perfekte Nachkommen: auf natürlichem Weg geklonte Bäume. Dazu benötigen die Forscher nicht einmal Saatgut für den Anbau. Das müsste normalerweise aus der Heimat der Blaufichten, den USA, importiert werden.
Blaufichte weniger gefragt
Blaufichten sind bei den deutschen Weihnachtsbaumkäufern nicht mehr gefragt. Rund 85 Prozent aller Christbäume sind Nordmanntannen. Und die lassen sich nicht über Stecklinge vermehren. Das Saatgut für Nordmanntannen müssen die Produzenten teuer aus Georgien importieren, dem natürlichen Verbreitungsgebiet dieser Art. Doch nicht jede Saatgutlieferung ist gleich gut geeignet für den Anbau in Mitteleuropa. Das führt immer wieder zu Ausfällen. Diese Unsicherheiten bei den Saatgutimporten wollen die Tannenbaum-Produzenten zukünftig umgehen. Sie wünschen sich ein Verfahren, das ihnen immer optimale Bäume garantiert.
Nordmanntannen aus dem Labor
Peter Uehre und die Weihnachtsbaumforscher aus Münster wollen den Produzenten diesen Wunsch erfüllen. Somatische Embryogenese heißt das Verfahren – kurz: Klonen. "Es geht darum, aus einem Samen hoher Qualität unbegrenzt viele Bäume zu gewinnen", erklärt Peter Uehre. Im Labor entnehmen die Forscher dem Samen den Embryo und vermehren die embryonalen Zellen. Aus den einzelnen Zellen sprießen auf einem Nährmedium winzige, genetisch identische Pflänzchen. Peter Uehre vergleicht diese zwei Zentimeter großen Winzlinge mit Frühgeburten in einer Säuglingsstation. "Mein Job ist es nun, die Frühchen fit für das raue Freiland zu machen."
Mit Erfolg: In einer Klimahalle des Versuchszentrums wächst sie heran, die Zukunft der Nordmanntannenzucht. Hunderte kleiner Bäumchen, zwei Jahre alt, inzwischen 20 Zentimeter groß. Jedes perfekt, eine kleine Schönheit. Gerade und mit vielen Seitentrieben, so wie es sich die Produzenten wünschen. "In zehn Jahren schon könnten die ersten geklonten Nordmanntannen auf den Markt kommen", so Peter Uehres Aussicht. "Der Aufwand lohnt nur, wenn ein Produzent über 95 Prozent der so vermehrten Bäume verkauft bekommt." Aber Peter Uehre ist sich sicher: Der Weihnachtsbaum der Zukunft kommt aus dem Labor.
Bleibt nur noch die Frage: Ist die Nordmanntanne auch Peter Uehres persönlicher Favorit zum Weihnachtsfest? Nein! Bei ihm zuhause finden alle beide einen Platz – die duftende Blaufichte und die Nordmanntanne mit den schönen weichen Nadel
Autor: Frank Nischk
Stand: 11.05.2012 13:01 Uhr