So., 09.11.08 | 17:03 Uhr
Das Erste
Die Allianz der Tiere
Die Azoren, das sind neun Inseln, die mitten im Atlantik liegen - fast genau zwischen Nordamerika und Europa. Im Sommer kommen riesige Schwärme von Bastard-Makrelen hierher.
Denn hier trifft der Golfstrom nach Tausenden von Kilometern zum ersten Mal auf Land. Wie auf einem Förderband transportiert er Unmengen von Kleinstlebewesen heran: Nahrung für die Makrelen. Diese wiederum ziehen dann Räuber aus allen Ozeanen an.
Golfstrom ist Nahrungsquelle
Die Gelbschnabel-Sturmtaucher haben eine Jagd-Reichweite von bis zu 10.000 Kilometern. Sie bleiben wochenlang auf dem Meer und können bis zu sechs Meter tief tauchen. Finnwale, die zweitgrößten Lebwesen der Erde, wandern jedes Jahr um den halben Erdball. Die Azoren sind eine ihrer Lieblingsstationen, nicht zuletzt wegen der Makrelenschwärme. Acht von zwölf Delphinarten tummeln sich rund um die neun Inseln. Sie sind immer hungrig und brauchen mehrere Kilo Futter am Tag.
Gemeinsame Jagd verschiedener Tiere?
Die Biologin Monica Silva von der Universität der Azoren hat ihr Leben den Meeressäugern gewidmet. Sie untersucht, ob Delfine, Wale und Vögel zusammenarbeiten, um satt zu werden. Denn wenn die Makrelen auftauchen, passieren seltsame Dinge: Von Walen und Delfinen hat Monica Tausende von Photos geschossen und archiviert. Anhand der einzigartigen Flossenform kann sie die einzelnen Tiere bestimmen. So weiß sie, dass manche nur wegen der Makrelen auf die Azoren kommen, und andere länger bleiben. Und sie erforscht die komplexe Kommunikation der Meeressäuger. Viele Delfinarten bleiben ihr Leben lang in Gruppen zusammen. Sie kommunizieren über Bewegungen, Luftblasen und Geräusche. Monica hat sogar schon richtige Streitgespräche beobachtet. Diese "Sprache der Delfine" hilft aber auch, Konflikte zu entschärfen. Denn jedes Gruppenmitglied muss sich auf das andere verlassen können.
Wale orten Makralen mittels Schallwellen
Bei Walen ist das nicht viel anders. Doch wie finden die Unterwasser-Jäger in der unendlichen Weite des Ozeans ihre Beute? Der Finnwal spürt die Schwingungen des Makrelenschwarms kilometerweit mit seinen sensiblen Sinnesorganen: Denn Wale und Delphine stoßen Schallwellen aus. Und die Körper der Makrelen reflektieren diese Wellen. Vögel verfügen nicht über diese Fähigkeiten, haben dafür aber einen anderen Vorteil: Von ihrer erhöhten Position aus entdecken sie sehr früh Beute nahe der Wasseroberfläche.
Der gemeinsame Jagdzug
Plötzlich startet eine Armada unterschiedlicher Tiere scheinbar grundlos in eine Richtung. Sind es die Landungen und das Platschen der Vögel, die die Delphine zu den Makrelen führen? Oder folgen die Sturmtaucher den Delphinen und Walen, die mit ihrem "Echolotsystem" als erste den Schwarm entdeckt haben? Noch greifen die Räuber nicht an. Sie warten. Delphine jagen mit einem System, das allen nützt. Eine Gruppe umkreist den Makrelenschwarm an den Seiten – eine andere taucht nach unten ab.
Der scheinbare Nachteil von Meeressäugern, immer wieder Luft holen zu müssen, wird jetzt zum Vorteil: Die abgetauchte Gruppe stößt einen dichten Blasenvorhang aus. Gefangen in diesem "Netz" drängen sich die Opfer immer enger zusammen und steigen an die Oberfläche. Von oben halten die Sturmtaucher die Makrelen in Schach. Alle warten auf ein Zeichen.
Der Schwarm ist auf engstem Raum zusammengedrängt. Die Delphine verständigen sich jetzt mit Hilfe von Tönen. Jedes Tier bekommt seinen Anteil – auch die, die in der Tiefe die Blasen ausgestoßen haben. Und auch die Vögel kommen zum Zug. Der Finnwal ist der letzte am Schauplatz. Er war zu weit entfernt. Doch ohne es gesehen zu haben, hat er das ganze Geschehen lange vorher "erspürt". Jetzt profitiert er von der Vorarbeit der Delphine.
Tierisches Stimmengewirr unter Wasser
Mit einem Unterwassermikrophon hat Monica Silva die "Stimmen" und "Töne" während der großen Jagd aufgezeichnet. Ob Wale und Delphine sich verständigen können, ist noch unklar. Aber Monica hat herausgefunden, dass die unterschiedlichen Delphinarten miteinander kommunizieren. Was sie sich dabei genau mitteilen, das muss allerdings noch enträtselt werden.
Autor: Florian Guthknecht
Stand: 11.05.2012 13:08 Uhr