SENDETERMIN So., 28.12.08 | 17:03 Uhr | Das Erste

Ein toller Hecht

Bis zu 15 Eingriffe mit Herzkathetern macht Georg Nickenig, Chefkardiologe der Uniklinik in Bonn jeden Tag. Dabei sind bei den meisten seiner Patienten die Herzkranzgefäße durch Ablagerungen verengt, so genannte Plaques, verengt.

Diese Plaques sind gefährlich: Denn manche sind instabil und können während eines operativen Eingriffs aufplatzen oder – noch schlimmer – Stunden oder Tage später. Wenn das geschieht, bildet sich an der Stelle im Gefäß ein Blutpfropf und der Patient erleidet einen Herzinfarkt. Ob eine Plaque instabil ist kann der Arzt von außen nicht erkennen. Die innere Struktur ist entscheidend: Je mehr Fett und entzündetes Gewebe in ihrem Inneren enthalten ist, desto größer das Risiko.

Schwierige Diagnose

Aus den Blutwerten kann der Arzt schließen, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Patient instabile Plaques in seinen Herzkranzgefäßen hat. Das sagt ihm aber noch nicht, wie viele es sind und welche. Abhilfe schafft eine Untersuchung mit miniaturisierte Ultraschallköpfen. Ein intravaskulärer Ultraschall kann ein grobes Abbild der inneren Struktur der Plaques liefern. Doch diese Methode ist sehr kostspielig und nicht präzise genug. Georg Nickenig und seinen Kollegen fehlt ist eine einfache und zuverlässige Methode, um ins Innere der Plaques zu blicken, ohne sie zu berühren und damit möglicherweise zu verletzen.

Ein Hecht hilft

Elefantenrüsselfisch im Aqurium
Ein Elefantenrüsselfisch | Bild: WDR

Wenige Kilometer Luftlinie von der Bonner Uniklinik entfernt tüftelt der Zoologe Gerhard an der Emde von der Universität Bonn an einer Lösung für dieses Problem. Er ist Spezialist für elektrische Fische. Zu seinen Lieblingsobjekten zählt der Elefantenrüsselfisch aus der Gruppe der Nilhechte. Durch Zufall erfuhr er auf einer Geburtstagsfeier von einem ehemaligen Kollegen, dass dieser Fisch den Herzmedizinern helfen könnte. Denn der Elefantenrüsselfisch kann genau das wovon die Kardiologen träumen: Er kann erkennen aus welchen Stoffen ein Objekte besteht ohne es zu sehen oder zu berühren.

Im Trüben fischen mit dem elektrischem Echolot

Der Elefantenrüsselfisch lebt in Westafrika in trüben Flüssen und ist noch dazu nachtaktiv. Seine Augen nutzen ihm bei Orientierung und Beutefang wenig. Deshalb hat er eine Art elektrischen Ferntastsinn entwickelt. Ein elektrisches Organ in seinem Schwanz erzeugt die ganze Zeit über schwache Wechselstrompulse, die um ihn herum ein elektrisches Feld aufbauen – wie eine Blase, die ihn die ganze Zeit umgibt. Den Strom, der in diesem Feld fließt, kann er mit speziellen elektrorezeptiven Sinneszellen auf der ganzen Haut spüren.

Jedes Objekt, das in die Reichweite seines elektrischen Feldes gerät, verändert den Stromfluss in diesem Feld. Auf diese Weise spürt der Fisch nicht nur, ob sich ein Objekt in seiner Reichweite befindet und welche Form es hat,. Er nimmt ebenfalls wahr, ob es sich um einen Stein, ein Stück Metall oder einen fetten Wurm handelt. Je nach Leitfähigkeit verändern die Objekte den Stromfluss in der elektrischen Blase des Fisches: Gute Leiter wie Metall verstärken den Stromfluss, Nicht-Leiter wie Fett oder Stein dämpfen ihn.

Der Fisch im Blutgefäß

Nach dem Vorbild des Elefantenrüsselfisch konstruieren Gerhard von der Emde und seine Mitarbeiter nun einen Sensor, der die Zusammensetzung von Plaques berührungsfrei und zuverlässig anzeigt und der auf einen Herzkatheder passt. Das Prinzip ist das Gleiche wie beim Fisch: Eine Elektrode erzeugt schwache Wechselstrompulse von etwa drei Volt. Drei Sensorelektroden registrieren die Form und Größe von Objekten, die eine andere Leitfähigkeit haben als die Blutgefäßwand.

Auf diese Weise kann man Fetteinschlüsse nachweisen, die eine Plaque instabil und damit so gefährlich machen. Denn Fett ist, anders als das Gewebe der Blutgefäße, ein Nichtleiter. Einen Prototyp des Sensors haben die Zoologen inzwischen erfolgreich getestet. Nun folgen weitere Tests und viel Feinarbeit. In zwei bis drei Jahren, so hoffen die Forscher, können dann die ersten klinischen Studien starten.

Autorin: Ismeni Walter

Adressen & Links

Prof. Dr. Georg Nickenig

Direktor der Medizinischen Klinik II Universitätsklinikum Bonn
Wilhelmstraße 35 - 37
D-53111 Bonn
Tel.: 02 28 - 287 - 52 17
Email: georg.nickenig@ukb.uni-bonn.de
Internet: [www.ukb.uni-bonn.de]

Stand: 17.09.2015 13:33 Uhr

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