SENDETERMIN So., 02.11.08 | 17:03 Uhr | Das Erste

Filmeffekte

Die Hohe See ist vernebelt. Stille. Doch diese Stille ist trügerisch: Plötzlich taucht aus den Nebelschwaden ein Schiff auf. Ein Piratenschiff – bereit, jedes herannahende Schiff zu entern.

Was im Fernsehen bedrohlich aussieht, entpuppt sich als einfaches, aber wirkungsvolles Spiel mit der Perspektive: In Wirklichkeit schwimmt ein Modell eines Piratenschiffes in einem Teich, umhüllt von ein wenig Stickstoff-Nebel. So oder so ähnlich wurde es gemacht als die Bilder laufen lernen. Doch diese Methode ist schon ein wenig antiquiert. Denn die heutige Technik und auch die Qualitätsansprüche der Zuschauer erfordern immer ausgefeiltere Tricktechniken.

Sturmfluten aus dem Computer

Diese Tricktechniken sind heutzutage größtenteils computerbasiert und deshalb sind Spezialisten auf diesem Gebiet sehr gefragt: wie eine kleine Münchner Firma für Filmeffekte. Ein David, der es mit den Goliaths in der Branche aufnimmt. Und der mischt inzwischen bei großen Hollywoodfilmen mit – wie im Kinostreifen "300" von Regisseur Zack Snyder. Der Film erzählt eine Episode aus den Perserkriegen, nämlich die Geschichte der Schlacht bei den Thermopylen.

Hierzu sammelt Leonidas, der König von Sparta, 300 Getreue, um sein Reich gegen übermächtige Perser zu verteidigen. Kurz vor deren Landung zieht eine gewaltige Sturmflut auf. Die Schlachtschiffe kämpfen sich durch die stürmischen Wellen und den peitschenden Regen. Diese Sturmflut stammt aus den Rechnern der Münchner Trickschmiede "Flowline", die eine Software entwickelt hat, mit der sich Wassermassen, Lawinen, oder Feuersbrünste gestalten lassen. Und das Ergebnis sieht verblüffend echt aus.

Feilen am Spiel der Wellen

Am Anfang dieser künstlichen Szenen steht viel Konstruktionsarbeit: Beim Film „300“ diente zunächst ein virtuelles Dummy als Schiff, zusammengesetzt aus wenigen geometrischen Flächen, das durch die Wellen fährt. An den Wellen wird zuerst gefeilt – bis dem Regisseur die Wellen gefallen. Und das kann mitunter länger dauern. Das Wasser besteht in diesem Arbeitsschritt nur aus vielen schwarzen Punkten. Grüne Linien zeigen dann Bewegungen innerhalb der Welle an. Eine einfache Wassersimulation wächst heran – solange, bis der Programmierer zufrieden ist.Für den letzten Schliff liefert der Bits- und Bytes-Baukasten auch noch Gischt.

Technik-Oscar für Software

Flowline bekam für die gleichnamige Software im Frühjahr 2008 den Technik-Oscar, freut sich die Geschäftsführerin Ismat Zaidi: "Das ist eine ganz tolle Geschichte. Und dieser Oscar, dieser Technik-Oscar, war dann noch mal ein Krönchen zusätzlich. Das war immer ein Traum und der ist dann auch in Erfüllung gegangen. Wir sind immens stolz auf Flowline, ja."

Lebensechte virtuelle Welten

Aber auch wenn es um Modellbau geht – und nicht um Effekte der Flowline-Software – hat die Trickschmiede einiges zu bieten. Eine Kostprobe sieht man Fernsehfilm "Magadishu", der für die ARD verfilmt worden ist: 1977 sollen mit der Entführung der Lufthansa-Maschine "Landshut" RAF-Terroristen frei gepresst werden. Das Flugzeug, das im Film zu sehen ist, ist ein Double der damaligen Boeing 737-200 und kann nicht fliegen. So kommt die Welt zu ihm – per Mausklick.Beispielsweise wird der Flughafen von Dubai, eine der Stationen während der Entführung, geschickt reinmontiert. Der Flughafen ist ein kompletter virtueller Nachbau, kein Gebäude echt. Sogar der Tower ist mit Menschen besetzt – scheinbar. Es sind jedoch nur Kunstfiguren aus dem Rechner.

Aufwändige Konstruktionsarbeit

Computergrafiker Christian Pokorny arbeitet am virtuellen Flugzeug "Landshut" werkeln. Er muss sie zuerst originalgetreu nachbauen. Vieles sieht auf den Computerbildschirmen aus wie technische Zeichnungen. Die "Landshut" liegt zuerst als so genanntes "Drahtmodell" vor, ein Modell, das nur aus Linien aufgebaut ist. Daraus entsteht eine abgespeckte Probeversion des Jets, der über PC-Mausbewegungen steuerbar ist. Besonders zeitaufwändig ist die Detailarbeit: Jeder Teil der Maschine muss mit dem Original übereinstimmen. Dazu braucht es mehr als nur Kreativität – dafür benötigt Christian Pokorny auch die Baupläne der Maschine: "Man muss sich wirklich alles anschauen. Man muss Bücher wälzen, man muss im Internet recherchieren, man muss Bilder anschauen, Filme anschauen, was haben andere schon gemacht? Ja, man muss sich da richtig reinarbeiten, man wird sozusagen zum Flugzeugexperten."

Kombination von Real- und Computerbild

Mit dem vorliegenden virtuellen Flugzeug-Modell können viele verschiedene Filmszenen programmiert werden – wie der Landeanflug auf den Flughafen Dubai. Dabei müssen Computer-Animation und Realfilm kombiniert werden. Im Film sieht man einen Soldaten am Rande der Landebahn als die "Landshut" aufsetzt. Der Soldat spielte in Wirklichkeit vor einer grünen Leinwand. In diese grüne Fläche wurde der digitale Fliege hineinmontiert. Was noch real ist oder schon aus dem Computer kommt – künftig wird es kaum noch zu unterscheiden sein.

Autor: Andreas Szelenyi
Bearbeitung: Sebastian M. Krämer

Stand: 11.05.2012 13:06 Uhr

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