So., 13.07.08 | 17:03 Uhr
Das Erste
Fire Lab
In den USA sterben rund 3.500 Menschen jedes Jahr durch Feuer. Bisher blieb oft unklar, ob das Feuer absichtlich gelegt oder ein Unfall war.
Seit 2003 untersuchen Ingenieure und Feuerwehrleute am Fire Research Laboratory in Beltsville bei Washington D.C. ungelöste Brandfälle. Ihre Aufträge stammen von Ermittlern aus allen Teilen der USA, die bei ihren Fällen mit den üblichen Methoden nicht weiterkommen.
Im Ehebett verbrannt
Die Polizei in West Virginia/USA, steht vor einem Rätsel. Am 29.11.2005 verbrennt der 34-jährige James M. in seinem Ehebett. Gestorben ist er, laut Obduktionsbericht, an einer Überdosis Muskelrelaxans – vor Ausbruch des Feuers.
Die Polizei vermutet, dass jemand James M. vergiftet und das Feuer gelegt hat. Die einzige Verdächtige ist seine Frau. James M. hatte eine hohe Lebensversicherung. Und sie eine Affäre mit seinem besten Freund.
Die Staatsanwaltschaft beauftragt die Feuer-Ingenieure Brian Grove und Justin Rowe mit dem Fall. Im größten Feuerlabor der Welt in der Nähe von Washington sollen sie herausfinden, ob die Frau das Feuer gelegt haben kann. Am Tatort sind alle Beweise verbrannt. Sie sollen deshalb neue schaffen: Brian Grove lässt dafür das gesamte Schlafzimmer von James M. nachbauen. Jedes Detail könnte einen Hinweis liefern, um die Frau zu überführen. Bisher hat sie kein Alibi.
Tatort wird im Labor lebendig
Das Schlafzimmer von James M. soll noch einmal in Flammen aufgehen – unter der größten Abzugshaube der Welt. Sie bauen es gleich mehrmals nach, für mehrere Versuche. Eine Zeugenaussage vom Tatort gibt ihnen den entscheidenden Hinweis, berichtet Brian Grove: "Die Nachbarn haben bemerkt, dass es verbrannt roch, aber sie wussten nicht, woher es kam. Ein Mann, der Parkuhren kontrollierte, hat schließlich durchs Wohnzimmerfenster geguckt. Überall war Rauch. Dann hat er gemerkt, dass in der Wohnzimmerdecke ein Loch war, und dass es darüber, im Schlafzimmer, brannte. Wenig später kam die Feuerwehr..."
Spurensuche mit Kameras und Sensoren
Das Loch in der Wohnzimmerdecke müssen sie im Labor also nachstellen. Das Feuer soll auch hier so lange wüten, bis es ein Loch in Teppich und Fußboden brennt. Die Ingenieure postieren einen Spannungs-Sensor – dort, wo im Experiment das Bett stehen wird. Der Spannungs-Sensor soll die Kraft des Feuers messen. Mit ihm können die Feuer-Experten herausfinden, welche Kleidungsstücke und Möbel zu welchem Zeitpunkt verbrannt sind.
Zudem verteilen sie Drähte im gesamten Raum. Diese leiten Wärme in Form von Energie weiter. Jede Drahtspitze registriert, wie heiß das Feuer an diesem Punkt gerade ist. Die Daten verraten den Ermittlern, wie sich das Feuer im Schlafzimmer ausgebreitet hat. So können sie zurückverfolgen, wann es gelegt worden sein muss.
Die wichtigsten Beweise liefern Videokameras. Mit ihrer Hilfe können sie "live" in das brennende Schlafzimmer schauen – in keinem anderen Labor ist so etwas möglich. Die Infrarotkamera soll dann weiterhelfen, wenn die anderen Kameras nichts mehr erkennen: Selbst wenn der Raum voller Rauch ist, liefert das Wärmebild noch gestochen scharfe Aufnahmen.
Stimmt das Alibi der Ehefrau?
So können sie zwar nicht mehr zusehen, ob die Ehefrau das Feuer gelegt hat. Doch sie können herausfinden, wann es passiert sein muss. Und ob sie es gewesen sein kann. Brian Grove berichtet: "Als das Feuer entdeckt wurde, hat man die Frau sofort alarmiert. Sie arbeitete gerade im Krankenhaus – und zwei Stunden vorher war sie noch einmal zu Hause gewesen. Die Frage ist also, ob das Feuer in diesen zwei Stunden das Loch in den Fußboden gebrannt haben kann. Erstaunlicherweise gab es zu so etwas vorher kaum Untersuchungen."
Die Beweisaufnahme beginnt. Das Schlafzimmer ist nun genau so eingerichtet wie im echten Haus. Das Labor wird zum Tatort. Als alle bereit sind, zündet ein Feuerwehrmann einen Stapel Kleider neben dem Bett an. Brian Grove und seine Kollegen im Kontrollraum halten den Atem an. Nach einer Weile schlagen die Flammen tatsächlich hoch. Doch im geschlossenen Schlafzimmer stirbt das Feuer schnell wieder ab – zu wenig Sauerstoff.
Die Geschworenen sind überzeugt
Fünf Mal hintereinander müssen die Forscher zusehen, wie das Feuer einfach ausgeht. Erst beim sechsten Versuch zieht es plötzlich Sauerstoff aus einem Lüftungsschacht. Es flammt wieder auf. Langsam verbrennt das Bett und dann brennt es am Boden weiter. Und nach über zwei Stunden passiert es tatsächlich: Das Feuer brennt ein Loch in den Fußboden des Schlafzimmers. Genau wie am Todestag von James M.
Brian Grove hat damit den Beweis: Das Feuer kann gelegt worden sein, während die Frau am Tatort war. "Wir haben bewiesen, dass ein Feuer in einem geschlossenen Schlafzimmer tatsächlich zwei Stunden braucht, um ein Loch in den Fußboden zu brennen. Dieses Ergebnis haben wir den Geschworenen im Gericht vorgetragen." Die Geschworenen sind überzeugt: Die Krankenschwester Michelle M. hat das Feuer gelegt, um den Gift-Mord an ihrem Mann zu vertuschen. Sie verurteilen sie im Juli 2007 zu 35 Jahren Gefängnis. Michelle M. hat sich zu der Tat bis heute nicht geäußert.
Autorin: Sarah Zierul
Stand: 11.05.2012 13:01 Uhr