So., 21.09.08 | 17:03 Uhr
Das Erste
Gefährdete Heilpflanzen
Arzneimittel, Kosmetika und Nahrungsmittel mit pflanzlichen Wirkstoffen liegen im Trend. Tees mit Süßholzwurzel finden sich ebenso im Sortiment von Drogerien und Reformhäusern wie Salben mit Arnika und Herzmedikamente mit Adonisröschen.
Mit 45000 Tonnen pro Jahr ist Deutschland der größte Importeur von Heilpflanzen in Europa. Mehr als die Hälfte davon wird in freier Natur gesammelt. Was die Konsumenten nicht wissen: Die Wildsammlung ist in manchen Ländern zu einem großen Problem geworden und bedroht Heilpflanzen in ihrem Bestand.
Teufelskralle für deutsche Gelenke
Eine gutes Beispiel für die Schattenseiten des Heilpflanzen-Booms ist die afrikanische Teufelskralle (lat: Harpagophytum procumbens). Benannt nach ihren krallenförmigen Früchten kommt sie vor allem in Namibia, aber auch in Botswana und Südafrika vor. Die Wurzeln dieses Gewächses enthalten Wirkstoffe, die entzündungshemmend und schmerzlindernd wirken. Schon seit Urzeiten nutzen die Einheimischen die Kräfte dieses Naturschatzes in Form von Tees.
Seitdem die Wirkstoffe aus getrockneten Wurzelscheiben extrahiert werden können und klinische Studien die Wirksamkeit der Teufelskralle vor allem bei Rheuma und Gelenkbeschwerden nachgewiesen haben, boomt der Handel. In den 1990er Jahren stieg die Ausfuhrmenge getrockneter Teufelskrallewurzeln aus Namibia von fünfzig Tonnen auf durchschnittlich dreihundert Tonnen pro Jahr. In Spitzenjahren verlassen auch über eintausend Tonnen das Land.
Ökologische und soziale Folgen
Die Folge des Booms ist in etlichen Landstrichen des südwestlichen Afrikas mittlerweile spürbar: Die Bestände der Teufelskralle gehen zurück und sind lokal sogar stark bedroht. Das ist nicht nur ein ökologisches Problem, sondern diese Entwicklung hat auch drastische soziale Folgen. Teufelskralle wird in Namibia vor allem von Angehörigen der Volksgruppe der "San" gesammelt. Diese Minderheit gehört zu den Ärmsten der Armen und ist zu großen Teilen auf das Einkommen aus dem Teufelskrallegeschäft angewiesen.
Auch ein Anbau in Plantagen – wie er von einigen europäischen Importeuren schon ausprobiert wurde – bietet keinen Ausweg aus dem sozialen Dilemma. In den Teufelskralle-Farmen werden nämlich nicht die Leute beschäftigt, die die Teufelskralle heute noch wild sammeln, sondern meist angelernte Kräfte. Außerdem konzentriert sich der Anbau sich auf wenige Landabschnitte, Wildsammlung verteilt sich über größere Gebiete.
Nachhaltige Wildsammlung
Internationale Naturschutzorganisationen wie der WWF (World Wide Fund For Nature) aber auch staatliche Stellen wie das Bundesamt für Naturschutz beobachten schon seit Jahren die Entwicklung auf dem Heilpflanzenmarkt mit Sorge. In einer gemeinsamen Aktion haben sie jetzt einen so genannten internationalen Standard entwickelt – einen Handlungskatalog, der beschreibt wie Wildpflanzen so gesammelt werden können, dass sowohl Natur als auch Mensch davon profitiert.
Für die Teufelskralle wird diese nachhaltige Wildsammlung auch schon in einem Modellprojekt getestet. So lernen Sammler in Namibia durch finanzielle Unterstützung der EU und deutscher Importeure eine neue Methode: Sie lassen die Hauptwurzel der Teufelskralle unversehrt und ernten nur die weit verzweigten Nebenwurzeln. Ist der Sammler mit einer Pflanze fertig, schüttet er das gegrabene Loch wieder zu. Die Teufelskralle kann sich erholen und in vier bis fünf Jahren wieder neue Wurzeln liefern.
In diesem Projekt gewinnen alle Beteiligten: Die Teufelskralle wird geschützt, die Importeure kommen weiterhin günstig an Rohware und auch die Buschleute profitieren vom Projekt - sie verkaufen garantierte Mengen zu einem fairen Preis.
Importeure sind gefordert
Das Projekt in Namibia hat gezeigt, dass sich Teufelskralle sehr gut nachhaltig sammeln lässt, und zwar nach ökologischen Kriterien wie auch sozialen Kriterien. Allerdings muss dieser Standard jetzt auf breiter Front umgesetzt werden. Hier sind gerade auch die deutschen Importeure gefordert. Sie müssen von ihren Lieferanten auch verlangen, dass die Teufelskralle nachhaltig gesammelt wird und sie müssen bereit sein dafür zu bezahlen.
Die Naturschützer arbeiten schon am nächsten Schritt. Sie wollen die schonende Wildsammlung zu einem verbindlichen Standard für alle Wildpflanzen machen. Bei 1.500 importierten Pflanzenarten kann die Teufelskralle nur der Anfang sein.
Autor: Daniel Münter
Stand: 01.08.2013 11:07 Uhr