So., 21.09.08 | 17:03 Uhr
Das Erste
Ozon-Killer
Ein internationales Abkommen soll seit über zwanzig Jahren die lebenswichtige Ozonschicht in der Atmosphäre schützen: Die Unterzeichnung des Montreal-Protokolls am 16. September 1987 war ein wichtiger Schritt, die Produktion von Fluorchlorkohlenwasserstoffe weltweit zu stoppen.
Aber dennoch schließt sich das Ozonloch über der Antarktis nicht so schnell wie erwartet. Zwar werden in Kühlschränken und Spraydosen sowie für viele Schaumstoffe keine FCKW mehr eingesetzt – aber das Problem schwelt weiter, und die vollständige Umsetzung des Montreal-Protokolls lässt noch auf sich warten: zu viele Ausnahmen und Übergangslösungen - insbesondere für Schwellen- und Entwicklungsländer wie Indien, Russland und China. Und das hat dramatische Folgen für Umwelt und Gesundheit.
Auf der Spur der FCKW-Schmuggler
London im Jahr 1997: Julian Newmann arbeitet für die 'Environmental Investigation Agency', kurz EIA. Eine kleine Organisation, die sich auf Umweltkriminalität spezialisiert hat. Julian hat einen Hinweis bkommen. Sein Verdacht: illegaler Handel mit verbotenen Chemikalien. In der Handelskammer überprüft er, wie hoch die Produktionszahlen von FCKW in Ländern wie China sind. Er stellt fest: In den letzten zehn Jahren ist die Produktion in China nicht gesunken – sondern sogar um 300 Prozent gestiegen.
Briefkastenfirma für verdeckte Ermittlungen
Wer verkauft die Chemikalien und wohin werden sie geliefert? Um an die Drahtzieher zu kommen, gründet Julian mit seinem Kollegen Ezra Clark die Briefkastenfirma TCT. Die beiden schicken Faxe an chinesische Chemikalienhersteller. Die Adressen haben sie aus dem Telefonverzeichnis. Sie geben sich als Käufer aus.
Die Ergebnisse der Fax-Anfragen sind erschreckend: Über zwanzig Antwortfaxe gehen ein. Julian ist auf der Spur von illegalen Händlern: "Unglaublich, wie offen sie uns diese Chemikalien anboten. Wir hatten ganz allgemein geschrieben: Können Sie uns diese Chemikalien liefern? Und sie verrieten uns auch gleich, wie sie das Gesetz brechen könnten, um zu liefern, ganz offen."
Kontaktaufnahme in China
Julian Newmann und Ezra Clark wollen zu den chinesischen Händlern, mit denen sie Kontakt aufgenommen haben. Noch in London trainieren sie im sicheren Umfeld: Mit versteckter Kamera sammeln sie Undercover Videobeweise. Ezra hat die Kamera in der Tasche. Aus den Umweltschützern sind Agenten geworden. Sie wissen, dass sie ganz auf sich gestellt sein werden. Bei ihren Ermittlungen kann niemand helfen, falls sie auffliegen: keine Botschaft, keine Presse.
In Ningbo, China, kommen sie ihrem Ziel näher. Sie sind auf dem Weg zum Produzenten Sino Resource. Julian und Ezra geben sich als Händler aus England aus, und die Chinesen schöpfen keinen Verdacht.
Man zeigt ihnen die illegalen Substanzen, Ozonkiller, die in Europa und den USA streng verboten sind. Die beiden Briten betreten eine Fabrikhalle, in der einige Kartons mit der Aufschrift "Refrigerant 12" – deutscher Begriff: "Frigen 12" – aneinandergereiht sind. In diesen Kartons steckt Dichlordifluormethan, ein Kältemittel, das in Kühlschränken und Klimaanlagen verwendet wurde.
Stolz auf Unterlaufen internationaler Abkommen
Die Halle wird bald mit Gasflaschen voll gestellt sein, die Produktion laufe gerade an, sagt der chinesische Verkäufer. Auf dem Schwarzmarkt in den Industriestaaten wird ein einziger dieser Kartons mit zweitausend Prozent Gewinn weiterverkauft.
Und die chinesischen Geschäftemacher erzählen stolz, wie sie den Zoll und die Behörden austricksen: "Von unserer Seite gibt es keine Probleme. Wir haben enge Kontakte zum Zoll. Wir haben keine Schwierigkeiten, alles durch den Zoll zu bekommen. Manchmal sind die Kontrollen wirklich scharf. Aber von zwölf Monaten sind sie nur in einem Monat streng." Man wisse zwar nie, wann der genaue Zeitpunkt sein werde, erklärt der chinesische Verkäufer weiter, aber sie würden rechtzeitig informiert. Und in dem betreffenden Monat würden sie dann auch keine Aufträge mehr annehmen.
Chinesische Regierung wird informiert
Julian Newmann ist von dieser Offenheit überrascht. Zurück in London dokumentiert er die Recherchen und geht in die Offensive: "Am Ende unserer Ermittlungen haben wir der chinesischen Regierung ein Dokument mit unseren Ergebnissen überreicht. Als sie 2005 auf ein internationales Treffen kamen, waren sie also nicht ganz unvorbereitet. Sie hatten Zeit, zu reagieren. Und die Antwort war eigentlich ganz positiv. Die Delegation sagte Maßnahmen zu, um das Problem zu überwinden."
Nachrecherchen
Im Jahr 2007 – zehn Jahre nach den ersten Ermittlungen – ist Julian zurück in Shanghai. In seinem Hotelzimmer überprüft er, ob sich die Situation gebessert hat und ob man die Ozonkiller noch kaufen kann. Mit den alten Visitenkarten und Kontakten inspiziert er im Internet die Einkaufslisten der Produzenten. Julian traut seinen Augen nicht.
Trotz aller Versprechen und Verbote gibt es den Handel immer noch: "Der illegale Handel hat zwar eindeutig abgenommen. Aber noch immer gibt es Leute, die das schnelle Geld machen wollen. Wir sind ihnen auf den Fersen und versuchen sie zu stoppen", bekräftigt Newmann.
Damit die Ozonschicht sich erholen kann, braucht es couragierte Menschen wie Julian und Ezra. Denn es betrifft uns alle.
Autoren: Heinz Greuling und Thomas Weidenbach
Bearbeitung: Sebastian M. Krämer
Programmhinweis
Eco-Crimes– Geschäfte gegen die Natur
Eine ausführliche dreiteilige Dokumentation zu diesem Thema sendet der deutsch-französische Kulturkanal "ARTE" an folgenden Tagen:
Piratenfischer
1. Teil, 17. September, 20.15 Uhr;
Auf der Spur der Ozonkiller
2. Teil, 18. September, 20.15 Uhr;
Tibet-Connection
3. Teil, 19. September, 20.15 Uhr.
Stand: 16.10.2013 10:05 Uhr