So., 23.11.08 | 17:03 Uhr
Das Erste
Islands Vulkane – Segen für die Insel
Island ist jung. Erst vor rund 17 Millionen Jahren wurde die Insel aus dem Atlantik geschoben – von einem so genannten "Hot Spot", einer Art Ausziehung in der Erdkruste, in der das glühende Innere unseres Planeten sehr weit nach oben ragt. Island liegt also direkt auf einer Magmablase.
Darüber hinaus verläuft durch das Eiland die Trennlinie zweier tektonischer Platten, der europäischen und der amerikanischen Platten. Die Spalte durchzieht deutlich sichtbar die gesamte Insel. Europa und Amerika driften hier etwa zwei Zentimeter pro Jahr auseinander.
Tanz auf dem Vulkan
Diese Linie markiert auch den Verlauf der vulkanisch aktiven Zone des "Mittelatlantischen Rückens". Magma gelangt durch die Risse zwischen den auseinander driftenden Platten an die Erdoberfläche. Das unterseeische Gebirge ragt an einigen Stellen über die Meeresoberfläche hinaus. Und eine dieser Stellen ist Island.
Mehr als dreißig aktive Vulkane zählt die Insel. "Aktiv" bedeutet, dass die Vulkane in den letzten 10.000 Jahren mindestens einmal ausgebrochen sind. Auf Island brechen die Vulkane häufiger aus: Der letzte große Vulkanausbruch fand in Island 1971 auf den Westmänner-Inseln statt. Er dauerte Tage. Die jüngste Eruption – am Grimsvötn – geschah 2004. Durchschnittlich melden sich die Vulkane alle fünf Jahre zurück und zeigen den Bewohnern, was "Naturgewalt" bedeutet.
Fußbodenheizung von Mutter Natur
Die Isländer leben mit den Vulkanen und ihren Launen. Seit rund 70 Jahren sind die Feuerschlote für die Nachfahren der Wikinger sogar ein echter Segen. Denn sie erzeugen unterirdisch heißes Wasser, das mit Druck nach oben drängt.
Islands Geysire sind das sichtbarste Zeichen für diese unterirdische Kraft. Auf dem nordatlantischen Eiland dampft und brodelt es an vielen Orten. In zahllosen Farben, Formen und Arten drückt die Hitze das kochende Wasser flüssig oder als Dampf nach oben. Es gibt wenige Orte auf der Welt, an denen dieses Phänomen so deutlich zu sehen ist.
Die Isländer nutzen diese geologischen Besonderheiten: Allerorts sind mehr als 2.000 Meter tief ins Erdinnere reichende Rohre zu entdecken, aus denen Wasserdampf zischt. Es sind Testbohrungen. Der Wasserdampf soll künftig warmes Wasser oder Strom erzeugen. Mehr als die Hälfte ihrer Energie holen die Isländer heute schon aus dem Erdinneren. Knapp neunzig Prozent des warmen Wassers und fast zwanzig Prozent des Stroms erzeugt die Insel mit regenerativer Energie, absolut CO2-neutral.
Geothermale Energienutzung: umweltfreundlich und billig
Die neueste geothermale Anlage "Hellisheidi" erzeugt allein mit Dampfdruck 200 Megawatt elektrische Leistung. 2009 soll sie sogar auf 300 Megawatt erhöht werden. Das ist zwar nur ein Viertel der Leistung eines Kernkraftwerkes, aber dafür völlig ohne umweltschädliche Nebenwirkungen. Der Dampf, der aus den Kraftwerksschloten quillt, ist ungefährlich: Es ist reiner Wasserdampf.
"Hellisheidi" liegt auf einem so genannten "Hochtemperatur-Feld". Das bedeutet, dass die Wassertemperatur in eintausend Meter Tiefe mehr als 200 Grad Celsius beträgt. Unter "Hellisheidi" sind es sogar bis zu 350 Grad Celsius. Experten vermuten knapp 6.000 Megawatt Energie in den "Hochtemperatur-Feldern" der Insel. Für die ökologisch und fast gratis erzeugte Energie zahlen die 300.000 Isländer nur Cent-Beträge.
Im Bereich der geothermalen Energieversorgung nimmt Island eine führende Rolle ein. Weltweit erzeugen nur fünf Länder bis zu zwanzig Prozent ihres Stroms durch Energie aus der Erde: Costa Rica, El Salvador, Kenia, die Philippinen und Island. Das weltweite Potenzial an geothermaler Energie wird auf 140 Gigawatt geschätzt. Das entspricht der Leistung von rund 130 Atomkraftwerken.
Geothermale Wellness
Die Isländer nutzen die heißen Quellen seit Jahrhunderten aber auch anders und erwirtschaften damit seit Jahrzehnten erfolgreich Devisen. In einem öden Lavafeld, in der Nähe des Flughafens "Keflavik International Airport", liegt das bekannte Thermalbad "Blaue Lagune". Jedes Jahr nehmen hier über 700.000 Menschen aus aller Welt im 35 Grad heißen Wasser ein Bad. Auch an der Entstehung dieser Touristenattraktion waren wieder Vulkane beteiligt. Sie ist das Ergebnis eines Vulkanausbruchs vor 800 Jahren. Seitdem strömt an dieser Stelle heißes Wasser nach oben.
Feuerberge und Geysire auf Island sind Touristenmagneten geworden. Der Tourismus ist inzwischen die zweitwichtigste Devisenquelle Islands. Im Jahre 2007 besuchten 413.000 Touristen die Insel. In der Besucherstatistik führen nach wie vor die Briten, vor Nordamerikanern und Deutschen.
Autor: Ingo Herbst
Stand: 18.09.2015 14:14 Uhr