So., 13.01.08 | 17:03 Uhr
Das Erste
Pilotensicherheit
Ein Pilot einer Fluglinie lebt nicht besonders gefährlich, statistisch betrachtet sterben mehr Busfahrer bei der Arbeit.
Anders verhält es sich bei Bundeswehrpiloten: Ein Ausfall der Maschine, Freund- oder Feindkontakt oder gar ein Abschuss. All das kann schon mal in einem Soldatenleben vorkommen. Deshalb müssen die Piloten der Bundeswehr alle drei Jahre zum Überlebenstraining auf See.
Überleben - im Schwimmbad
Die Hubschrauberkabine taucht unter und kippt. Die Soldaten haben 45 Sekunden Zeit: Abschnallen, orientieren, raustauchen. Durch diese aufwendige Simulation muss jeder Bundeswehrpilot.
Wer hier versagt, verliert die Fluglizenz. Es ist der Höhepunkt einer Übung in einem Schwimmbad. Der Schlüssel zu allem steckt im Kopf der Soldaten. Sie müssen dahin gebracht werden, im entscheidenden Moment automatisch die richtige Reaktion abzurufen.
Nachdenken hilft nicht
Major Manfred Löckler, der Ausbilder beim "Überlebenstraining auf See", will nicht, dass die Bundeswehrpiloten über eine Notfallsituation nachdenken: "Die Handgriffe sind sehr einfach gestrickt. Ist auch bewusst so gemacht, dass man sie anwenden kann ohne groß darüber nach zu denken, weil gerade in diese Stresssituation noch viele andere Dinge auf den Kameraden einwirken. Deshalb ist es wichtig bestimmte Handlungsabläufe zu können, so dass man aus dem Gerät herauskommt, aus dem gekenterten Hubschrauber."
Körper und Geist kontrollieren
Hauptmann Jan Mattler macht das Überlebenstraining erst zum zweiten Mal. Er versucht locker zu bleiben, der Druck ist aber deutlich zu spüren. Orientierung unter Wasser heißt diese Lektion. Die Schikane: Mit verdunkeltem Visier sieht er nichts.
Das Wasser schießt sofort in die Nase. Jeder würde jetzt versuchen den Kopf zu drehen. Jan Mattler hat gelernt den Reflex zu unterdrücken. Denn: Abschnallen ist wichtiger. Nach 15 Sekunden ist er wieder oben.
Überlebt –aber noch lange nicht gerettet
Ein geglückter Fallschirmsprung ins Wasser ist noch lange nicht die Rettung. Selbst der ausgebreitete Fallschirm über dem Kopf des Piloten kann eine tödliche Falle sein. Jeder Fallschirmspringer hat ein Einmann-Rettungsboot im Gepäck. Es bläst sich bei Wasserkontakt automatisch auf. Doch die Schlauchboote sind schwer zu besteigen, ein hoher Wellengang lässt sie kentern. Schwierig, wenn man nichts sieht.
Nötiger Drill
Auch Hauptmann Mattler muss blind in den Parcours und findet den Auslöser für die Rettungsweste nicht. Der Ausbilder macht richtig Stress – bewusst.
Ohne Pause geht es weiter. Wie bei Windstärke acht werden die Piloten vom Fallschirm durchs Wasser gezogen – Strangulationsgefahr. Dieses Training nennt man Drill. Für Major Löcker ein wichtiges Element der Ausbildung: "Das hat so ein bisschen Drill-Touch, wir versuchen auch ein bisschen Stress aufzubauen, indem wir ein dunkles Visier runterfahren oder eine Blindbrille aufsetzen. Das funktioniert nur durch ein bisschen drillmäßiges Üben."
Eiserne Disziplin holft auch im privaten Leben
Jan Mattler sieht Drill ebenfalls positiv. Das ständige Durchleben von Extremsituationen hilft ihm sogar im Privatleben – auch wenn es keinen Spaß macht: "Ich glaube, ich bin einfach ruhiger durch diese Stresssituation, die man in der Ausbildung hat, dass man z.B. beim Autofahren viel gelassener ist. Manche Leute regen sich auf, wenn mal was nicht so klappt und wir wissen eben, na gut dann ist das so, man bleibt einfach ruhiger."
Überleben – auf See
Zweiter Tag. Es gibt Wellen und böigen Wind. Die Soldaten werden in die vier Grad kalte Nordsee geworfen oder verklappt, wie sie selbst sagen. 20 Minuten kann man im Wasser überleben, die Auskühlung setzt schlagartig ein. Wichtig ist, so schnell wie möglich das Einmann-Rettungsboot zu besteigen. Je länger es dauert, desto klammer werden die Finger. Das kleine Schlauchboot gibt Jan Mattler Überlebenszeit. Ist er drin, hat er 24 Stunden gewonnen. Die Boote schützten nicht nur vor dem Ertrinken, sie sind beheizt.
Die Rettung kommt aus der Luft
Der Hubschrauber sammelt die abgestürzten Soldaten ein und setzt sie später auf dem Schiff ab. Bei der Übung lassen die Hubschrauberpiloten ihre Kameraden etwas länger baumeln. Das fordert Geduld, Vertrauen und keine Panikreaktion.
Auch der letzte kommt heil zurück. Major Löcker sah viel weniger Fehler als im Schwimmbad: "Die Leute waren mehr auf die Umgebung fixiert. Kaltes Wetter, kaltes Wasser und hatten keine Probleme ihren eigentlichen Drill durchzuführen. Hat die Sache erleichtert und sie haben dann den Kopf frei für diese ungewohnte Situation, die gerade hier draußen jetzt herrscht."
Die Soldaten hoffen trotzdem, dass sie das erst wieder in drei Jahren können müssen. Beim Training und nicht im Ernstfall.
Autor: Uwe Leiterer
Stand: 11.05.2012 13:05 Uhr