So., 13.01.08 | 17:03 Uhr
Das Erste
Überleben beim Flugzeugabsturz
Experten sind sich einig, das Flugzeug ist eines der sichersten Verkehrsmittel. Aber, durch den hohen Anstieg des Luftverkehrs, steigt auch weltweit die Anzahl der Flugzeugunglücke.
Die amerikanische Flugsicherheitsbehörde FAA hat herausgefunden, dass bei 568 untersuchten Flugunfällen, mit 53.457 Passagieren, 51.207 den Unfall überlebt haben. Nur zehn Prozent der Passagiere kamen ums Leben.
Der Grund sind die hohen Sicherheitsstandards in den Flugzeugen.
Das gilt allerdings nur für Passagiere, die bei den Sicherheitshinweisen vor dem Start nicht gelangweilt aus dem Fenster schauen, sondern besonders gut aufpassen. Bei einer Bruchlandung entscheidet das richtige Verhalten über Leben und Tod.
Gerade Vielflieger ignorieren gerne die Sicherheitsshow vor dem Start. Statt diese aufmerksam zu verfolgen lesen sie Zeitung. Wenn es zum Notfall kommt, hat der coole Vielflieger ein Problem, denn er findet dann im Stress den Notausgang nicht.
Glück im Unglück
2. August 2005, Toronto / Kanada. An diesem Tag herrschte schlechtes Wetter: Die Air France - Maschine setzte zu spät auf und schoss über die Landebahn hinaus und stürzte in einen Graben. Nach der Bruchlandung können sich zum Glück alle 309 Menschen an Bord aus dem brennenden Flugzeug retten.
Die Bruchlandung ging als das Wunder von Toronto in die Geschichte der Luftfahrt ein. Dabei lief lediglich alles so wie es eigentlich sein sollte.
Verkehrsflugzeuge sind so konstruiert, dass alle Passagiere im Notfall binnen 90 Sekunden das Flugzeug verlassen können.
Flugzeughersteller müssen dies vor der Zulassung eines neuen Flugzeuges mit einem Evakuierungstest nachweisen. Airbus konnte beispielsweise beim A380 über 800 Menschen in eineinhalb Minuten evakuieren.
Die Bremsen versagen
Eine echte Evakuierung nach einer Bruchlandung hat Johannes von Kesselstatt erlebt. Am 14. September 1993 kurz nach dem Aufsetzen in Warschau wundert sich von Kesselstatt, dass der Airbus nicht bremst, sondern mit hoher Geschwindigkeit über die Rollbahn rast: "Kurz nachdem ich das wahrgenommen habe, hat dann die Maschine eine Bewegung gemacht, Ich hab dann nur gemerkt, wie die Maschine dann seitlich auf diesen Erdwall der seitlich am Ende der Landebahn war, reingerutscht ist, über diesen Erdwall drüber und hinten runter, Alles hat geschrien, die Passagiere haben alle geschrien."
Bei dieser Turbulenten Landung setzte das Flugzeug zu spät auf. Anschließend versagten dann noch die Bremsen. Der Airbus kracht gegen einen Erdwall am Ende der Piste und fängt Feuer. Im Cockpit stirbt einer der Piloten. In der Kabine kann nur noch ein Passagier nicht mehr aus dem brennenden Flugzeug flüchten und stirbt an einer Rauchvergiftung.
Unfallforscher klären Todesursache
Mit einem Crashtest rekonstruieren Unfallforscher beim TÜV Rheinland die Bruchlandung. Dabei finden sie heraus, dass der tödlich verunglückte Passagier beim Aufprall unter dem Beckengurt hindurch gerutscht ist. Der Unfallforscher Martin Sperber vom TÜV Rheinland nimmt an: „Er hat sich vermutlich nicht richtig angeschnallt. Im Crashfall kann er sehr weit nach vorne rutschen mit seinem Becken zunächst mal, dann ist er mit seinem Kopf gegen diese Wand geschlagen, beim Aufschlag der Arme hat er sich beide Unterarmknochen gebrochen, rechts und links, die brauch ich aber um meine Finger zu bewegen um dann dieses Klappenschloss zu öffnen, um mich selber zu befreien."
Passagier übersehen
Der Passagier hing hilflos in der ersten Reihe halb am Boden und wurde bei der Evakuierung des brennenden Flugzeuges einfach übersehen.
Johannes von Kesselstatt wurde kaum verletzt. Bei der Landung war er richtig angeschnallt und hat sich intuitiv richtig verhalte: "Ich habe eine Bewegung gemacht, die, ich würde mal sagen so war, und hab die Beine so angezogen, auf jeden Fall habe ich die Wirbelsäule so gedehnt und habe so ein Päckchen gemacht."
"Brace-Position"
Beim Aufprall ist Johannes von Kesselstatt schon fast in der so genannten „Brace – Position“. So bezeichnen Unfallforscher das Anlehnen am Vordersitz. Dadurch wird der Körper vom Sitz gebremst. Bei einer geraden Sitzhaltung, würde der Oberkörper nach vorne fallen und auf dem Vordersitz regelrecht aufschlagen. Tödliche Halswirbelverletzungen sind die Folge eines solchen Aufschlages.
Richtige Sitzposition
Unfallforscher legen deshalb bei Notlandungen großen Wert auf die richtige Sitzhaltung.
Martin Sperber rät sich richtig hinzusetzen, den Beckengurt übers Becken zu legen, damit er nicht den Bauch einschnürt und möglichst straff anzuziehen: "Zunächst mal gehört dazu, dass ich mich richtig auf dem Flugsitz hinsetze, das Becken möglichst weit nach hinten schiebe, den Beckengurt übers Becken lege, schließe und anziehe. Möglichst straff anziehen, dass der Beckengurt möglichst eng über meinem Becken sitzt und nicht im Weichteilebereich. Dann müsste ich meine Füße relativ weit nach vorne bringen, so weit es geht, mit dem Kopf möglichst weit nach vorne, bis ich Berührung mit der Rückenlehne habe mit der Stirn und meine Hände rechst und links neben dem Kopf ablege."
Johannes von Kesselstatt weiß aus eigener Erfahrung, warum er die Sicherheitshinweise im Flugzeug ernst nehmen muss. Wenn er heute fliegt, dann liest er das Faltblatt aufmerksam durch und bleibt den ganzen Flug über angeschnallt, denn: Durch Turbulenzen werden mehr Passagiere verletzt als bei Flugunfällen.
Autor: Harald Stocker
Bearbeitung: Sebastian M. Krämer
Stand: 11.05.2012 13:08 Uhr