So., 07.12.08 | 17:03 Uhr
Das Erste
Rettung aus dem Tunnel
Wer im Tunnel verunglückt, hat schlechte Karten. Nur wenige Minuten bleiben zur Flucht vor dem tödlichen Rauch.
Auf den ersten ICE Schnellfahrstrecken, gebaut in den 70er und 80er Jahren, fahren die Hochgeschwindigkeitszüge durch sehr einfach gebaute Tunnel. Welche Chance hat die Feuerwehr im Falle des Falles für eine Rettung?
Tagtäglich fahren zwischen Brüssel, Paris und Köln die Hochgeschwindigkeitszüge mit Hunderten Passagieren an Bord, die alle heil ans Ziel kommen wollen. Kurz vor Aachen geht es durch den neuen Buschtunnel.
Übung im neuen ICE-Tunnel
Dort übt heute Nacht die Feuerwehr. Das Szenario: Ein Zug entgleist im Tunnel, fängt Feuer, viele Verletzte. Der Aachener Buschtunnel ist nagelneu, hat eine eigene Stromversorgung und Löschwasseranschlüsse für die Feuerwehr sowie einen separaten Fluchtstollen.
Trotz schwieriger, realitätsnah dargestellter Bedingungen: Die Sicherheitseinrichtungen bewähren sich. Der Brand ist schnell unter Kontrolle, die Feuerwehr birgt die Verletzten und bringt sie in Sicherheit.
Ältere Tunnel ohne Rettungsröhre
Auch auf der ICE-Strecke von Hannover nach Würzburg donnern die ICEs mit 250 Kilometern pro Stunde durch viele Tunnel. In den 70er und 80er Jahren wurden sie ohne Rettungsröhre und schnell erreichbare Notausgänge gebaut.
Im Notfall sind sie daher – wie der Landrückentunnel bei Fulda – eine besondere Herausforderung: Am 26. April 2008, kurz nach 9 Uhr abends kommt vom Landrückentunnel die Meldung: ICE-Unfall im Tunnel. An jenem Tag war der Chef der Feuerwehr Fulda, Thomas Hinz, im Dienst: "Dann bekommen sie über Funk, ich hatte an dem Abend Rufbereitschaft als Einsatzführungsdienst, genauere Informationen, die ersten Lagemeldungen, also Feuer im Tunnel, vermutlich Verletzte, eventuell Tote, eventuell Eingeklemmte. Und dann müssen sie sich auf das, was sie bisher immer geübt haben, verlassen können, und dann sind sie in der Einsatzvorbereitung voll drin."
Unfall im Landrücken-Tunnel
19 der 135 Fahrgäste wurden verletzt. Das Unglück ereignete sich im zehn Kilometer langen Landrückentunnel, dem längsten Eisenbahntunnel Deutschlands. Der ICE war mit einer Schafherde kollidiert und entgleist. Die Fuldaer Rettungskräfte fanden die Verletzten relativ schnell und brachten sie aus dem Tunnel. Ein Unfall-Bericht des zuständigen Kasseler Regierungspräsidiums vom Herbst 2008 sieht jedoch ein Versagen auf Seiten der Notfallleitstelle der Bahn: Sie habe falsche Informationen weitergeleitet.
Rettungszüge der Bahn
Zuständig für die Rettung im Tunnel ist die Feuerwehr. Dabei hängt deren Erfolg vom schnellen Einsatz der Rettungszüge der Bahn ab. Nur solche Züge können derzeit die Feuerwehr mit Löschwasser und Notärzte in die Tunnel bringen. Auf der Strecke Würzburg – Hannover mit ihren 60 alten Tunneln gibt es vier Rettungszüge in Hildesheim, Kassel, Fulda und Würzburg. Beim Landrückentunnel-Unfall kam der Fuldaer Zug schnell zum Einsatz, während der Würzburger offenbar zurückgehalten wurde und erst Stunden nach dem Ereignis im Tunnel ankam.
Im Bericht des Regierungspräsidiums Kassel heißt es dazu: "Zwingend erforderliche technische Ausstattung, die heute Stand der Technik sind und bei allen Verkehrsprojekten eingebaut werden, fehlen auf der Schnellfahrstrecke Hannover – Würzburg."
Nachrüstung statt Totalumbau
500 Kilometer Tunnel gibt es auf deutschen Bahnstrecken. Ein Totalumbau der vielen alten Tunnel ist unmöglich. Was wirklich hilft, ist eine radikale Nachrüstung mit moderner Sicherheitstechnik.
Zwar gibt es seit 2000 ein Nachrüstprogramm. Aber eine Löschwasserversorgung fehlt im Tunnel, moderne Funktechnik zur Kommunikation zwischen Bahn, Feuerwehr und Fluchtstollen, wie sie in neuen Tunneln vorhanden ist.
Denn wenn etwas passiert, hängt gerade in den alten Tunneln, alles von den Rettern ab. Nur wenn die Helfer sich wirklich auskennen und die richtigen Handgriffe immer wieder geübt haben, sitzen die auch im Ernstfall. Und das gilt in alten wie in neuen Tunneln.
Bericht: Michael Hänel
Stand: 11.05.2012 13:05 Uhr