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Termiten in der Fernleitung

Meterhohe Termitenhügel prägen ganze Landschaften in den Tropen. Aber auch in unseren Städten können Termiten überleben und riesige Schäden anrichten. In Hamburg dauert der Kampf gegen Termiten bereits über siebzig Jahre. Mit wechselndem Erfolg.

Zerfressenes Holzstück mit Termite
Erster Termitenfund in Hamburg. | Bild: NDR/Wochenschau

1937 bemerkte man in Hamburg diese Schädlinge, die offenbar kurz zuvor durch einen Holztransport aus Nordamerika eingeschleppt worden waren. Das Hamburger Fernwärmenetz half ihnen auch kälteste Winter zu überstehen. Immer wieder drangen riesige Termitenvölker in Häuser ein und verzehrten dort Holz in jeder Form: Dachstühle, Wandverkleidungen, Bodendielen und Türverkleidungen, ja sogar Bücher und Akten fielen ihrem Appetit zum Opfer.

Trotz massiver Bekämpfung gelang es bis heute nicht, diese Schädlinge in Hamburg endgültig zu vernichten. Immer tauchten sie nach einigen Jahren wieder auf und beschädigten Häuser und Wohnungen. Meist erst bemerkt, wenn ein von innen heraus zerstörtes Holzteil plötzlich nachgab.

Europas größte Termitenzucht

In der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung in Berlin unterhält Prof. Dr. Horst Hertel und sein Team die größte Termitenzucht Europas. An rund 25 Arten aus aller Welt erforscht er Möglichkeiten, technische Bauteile vor der Zerstörung durch Termiten zu schützen. Seit etwa 2000 beteiligt er sich auch am Kampf gegen die Termiten in Hamburg.

Nordamerikanische Gelbfußtermite

Der Grund für die zuvor erfolglose Bekämpfung der "Hamburger" Termiten ist ihre Lebensweise. Die Nordamerikanische Gelbfußtermite "Reticulitermes flavipes", gehört zu den "niederen" Termiten, die zumeist unterirdisch leben. Holz zerfressen sie von innen, ohne dass man sie überhaupt bemerkt. Über der Erde errichten sie Schutzröhren aus Lehm, in denen sie vor Feinden, aber auch vor Giften weitgehend sicher sind.

Doch genauso problematisch ist ihre Fortpflanzung. In den Tiefen des unterirdischen Nestes sorgt ein einziges Königspaar für Nachkommen. Während des Hochzeitsfluges findet es sich und manche bleiben Jahrzehnte zusammen. Aber auch die unzähligen Arbeiter des Volkes bestehen aus Männchen und Weibchen.

Das Königspaar verhindert durch spezielle Duftstoffe, dass sich diese Arbeiter in geschlechtsreife Tiere weiterentwickeln können. Stirbt das Königspaar, fehlt dieser Duftstoff und einige der überlebenden Tiere werden geschlechtsreif. Nur wenige überlebende Arbeiter reichen daher bereits aus, um eine neue Kolonie zu gründen. Nach einigen Jahren ist das Problem wieder da.

Knifflige Bekämpfung der Termiten

Prof. Hertel entwickelt eine Methode, alle Tiere einer Kolonie zu töten. Seine Idee nutzt das Sozialverhalten der Tiere. Spezielle Röhrenfallen gräbt er in der Nähe des Baues ein. Dort können die Termiten von unten in die Falle eindringen und mit Gift behandeltes Holz fressen. Sie verfüttern dann das Gift an alle anderen Tiere der Kolonie: Arbeiter, Soldaten, Brut und das Königspaar.

Erst in den letzten Jahren wurden geeignete Gifte entwickelt, die in so winzigen Dosen eingesetzt werden können, dass sie von Termiten nicht bemerkt werden. Sie wirken sehr langsam und sind gleichzeitig so wirkungsvoll, dass bereits die normalen Sozialkontakte ausreichen, um nach und nach tödliche Dosen durch die gesamte Kolonie zu verbreiten. Vorteil: die winzigen Giftmengen erreichen nur die Holz fressenden Termiten, die Umwelt bleibt unbehelligt. Bis auf kleine Bestände ist der Hamburger Termitenbefall inzwischen zusammengebrochen. Hertel ist sich sicher, auch diese noch zu erwischen. Erstmals gibt es eine wirkungsvolle und umweltfreundliche Bekämpfungsmethode.

Fahndung nach Kleinstkolonien

Doch es besteht kein Grund zur Entwarnung. Auch zukünftig muss in Hamburg nach bislang unbekannten Mini-Kolonien gefahndet werden. Diese würden sonst als Keimzelle für eine neue Massenentwicklung dienen. Und auch andere deutsche Städte sind bedroht. Laut Hertel könnten sich in allen deutschen Städten Termiten ansiedeln wenn in Hausnähe termiteninfiziertes Holz gelagert wird. Die warmen Außenwände beheizter Keller sind ideale Winterquartiere für die Schädlinge.

Die Termiten müssen dafür nicht einmal den Atlantik überqueren. In Frankreich ist diese Termitenart inzwischen bis in die Normandie und nördlich von Paris vorgedrungen. Verschleppt durch den Menschen. Von Stadt zu Stadt.

Autor: Vladimir Rydl

Stand: 08.11.2012 17:36 Uhr

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