So., 05.10.08 | 17:03 Uhr
Das Erste
Fliegenforscher
Fruchtfliegen sind wahre Plagegeister, die über unser Obst und Gemüse herfallen. Doch für Professor Martin Göpfert von der Universität Köln sind die Winzlinge das Größte. Fruchtfliegen, auch Taufliegen oder Essigfliegen genannt, sind die Forschungsobjekte des Biologen.
Die geflügelten Versuchstiere sollen ihm dabei helfen, etwas über eine wichtige Sinnesleistung des Menschen herauszufinden: das Gehör! Bei den Fliegen sitzt das Ohr zwar auf einer Antenne zwischen den Augen, doch trotz des Unterschiedes zu unserem Hörorgan ist das Fliegenohr mit dem des Menschen vergleichbar. "Das wirklich Verblüffende an unserer Forschung ist, dass immer mehr Parallelen zutage treten und die Ähnlichkeiten wirklich enorm sind. Wir sehen alle ausgefeilten Tricks unseres Ohrs im Fliegenohr wieder", sagt Martin Göpfert begeistert.
Von Fliegen lernen
Die Auslenkung der Antenne durch Schallwellen führt bei der Fliege zu einem Hörreiz. Nicht anderes geschieht auch bei der Hin- und Herbewegung dieser Sinneshärchen im Innenohr des Menschen. Zwar besitzen Fliegen nicht die für uns typische Hörschnecke, und auch das Mittelohr besteht nicht aus Knochenspangen, die den Schall aus dem Trommelfell übertragen. Aber das Prinzip der Reizung von Nerven ist dasselbe.
Deshalb nutzt Martin Göpfert die Fliegen als Modell, um die Biologie des Hörens besser zu verstehen. Dazu wird eines der Versuchstiere auf einem Wachstropfen fixiert. Aber nicht nur ihre einfache Handhabung macht eine Fruchtfliege zum idealen Stellvertreter für den Menschen. Kein Organismus ist so gut erforscht wie der der Fruchtfliege. Drosophila melanogaster - wie sie wissenschaftlich heißt - ist bis zur Funktion einzelner Gene exakt untersucht. Die Verwandtschaft mit dem genetischen Bauplan des Menschen könnte deshalb vielleicht der Schlüssel für Therapien gegen Hörschäden bei uns sein.
Hörtherapie
"Interessanterweise gibt es momentan Versuche, eine genetische Hörtherapie einzuführen", so Biologe Göpfert: "In unserem Ohr sterben die Haarzellen mit der Zeit ab, die werden nicht regeneriert und es gibt ein Gen bei der Fliege, das die Hörzellen im Fliegenohr, die Entwicklung dieser Zellen initiiert. Das gleiche Gen macht das auch bei uns im Ohr und auch bei Mäusen, und jetzt laufen momentan Untersuchungen, dieses Gen zu verwenden, um wieder Haarzellen im Ohr zu regenerieren."
Haarzellen wieder herzustellen, wäre ein Riesenerfolg im Kampf gegen Hörschäden. Denn sie sind das wichtigste Element, damit die Schallwellen im Gehirn als Geräusch wahrgenommen werden können. Um analysieren zu können, wie das Ohr genau funktioniert, wird die vorbereitete Fliege deshalb zum Versuchstier in Sachen Hören. Elektroden sollen den Nervenreiz direkt messen. Nun geht es darum, das Tier einem genau definierten Schall auszusetzen. Ein Laser misst nun die durch den Schall ausgelöste Bewegung der Antennen.
Tinnitus im Fliegenohr
Bereits eine Auslenkung von einem zwanzig Millionstel Millimeter wird von diesem empfindlichen Schallempfänger, der Fliegenantenne, wahrgenommen. Durch das Studium der Hörzellen von Fliegen kommt das Team von Martin Göpfert dem Hören des Menschen näher, und liefert damit womöglich die Basis für eine medizinische Anwendung dieser Forschung. "Wir haben vor zwei Jahren zum Beispiel Gene gefunden, wenn die defekt sind, dann summt das Fliegenohr. Es erzeugt Schall, wir kennen so was auch vom menschlichen Ohr und nennen das Phänomen dann Tinnitus, dass nämlich unser Ohr Töne produziert", erklärt Martin Göpfert.
Ob der Tinnitus von Fliegen bei der Heilung des Tinnitus beim Menschen dienen kann, muss die weitere Forschung zeigen. Prof. Martin Göpfert ist sich jedenfalls sicher, dass uns die Fliegen noch vieles verraten werden, über sich selbst und die Zweibeiner, die mit Begeisterung ihre Biologie studieren.
Autor: Axel Wagner
Stand: 11.05.2012 13:02 Uhr