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Das wahre Gesicht der Nofretete

Der Fund

Mittelägypten, Tell-el Amarna. Hier fand am 6. Dezember 1912 der deutsche Ägyptologe Ludwig Borchardt in der verschütteten Werkstatt des Bildhauers Tutmose eine wunderschöne, bunt bemalte, perfekt erhaltene Büste: die Büste der Königin Nofretete. „Wir hatten das lebensvollste ägyptische Kunstwerk in den Händen.“, notierte der Forscher begeistert. Ludwig Borchardt soll die Bedeutung seines Fundes sofort erkannt haben und sich überlegt haben, wie er seinen sensationellen Fund außer Landes bringen könnte. Die Ägypter beschuldigen ihn noch heute, sie damals getäuscht zu haben. Und man unterstellte ihm sogar, das Meisterwerk gefälscht zu haben, nur um mit einem Jahrhundertfund glänzen zu können.

Wie es Ludwig Borchardt gelang, die bunte Königin nach Deutschland zu bringen, ist heute nur schwer zu rekonstruieren. Sicher ist, dass er die Büste jahrelang geheim hielt, bevor sie im Berliner Museum endlich der Öffentlichkeit präsentiert wurde und mit einem Schlag weltberühmt wurde.

Nur eine Fälschung?

Die Büste der Nofretete
Echt oder eine Fälschung? | Bild: BR

Noch heute haften Nofretete zahlreiche Legenden und Mythen an. Immer wieder geriet die Berliner Büste in den Verdacht, eine Fälschung zu sein. So soll Hitler während des Zweiten Weltkrieges eine Kopie in Auftrag gegeben haben, die wir statt des Originals heute noch bewundern würden. Für die Fachwelt sind diese Spekulationen absurd. Trotzdem wird die Büste immer wieder aufs Neue untersucht, auch mit modernster Technologie.

Der Scan

Scan der Büste
Der Scan | Bild: BR

1992 wurde sie erstmals von einem Computertomografen durchleuchtet. Und dabei bot sich den Wissenschaftlern ein erstaunliches Bild: Unter der bemalten Stuckhülle verbirgt sich eine zweite Skulptur aus Kalkstein, ein zweites Gesicht. 1992 steckte die Technik noch in den Kinderschuhen, wie das zweite Gesicht genau aussieht, konnte Dr. Alexander Huppertz erst 2005 mit Hilfe der neuen, hochauflösenden Computertomografie darstellen. Die Kalksteinbüste zeigt eine ältere Frau mit schiefen Schultern, dürrem Hals und tiefen Mundfalten. Das wahre Gesicht der Nofretete?

Die Büste

Eine Frage, die wir vielleicht nie beantworten können, genauso wenig wie die Frage nach der Funktion der Büste: War sie wirklich nur eine Vorgabe, nach der die Bildhauerlehrlinge ihre eigenen Büsten der Königin angefertigt haben?

Nicht nur die Büste birgt Rätsel: Auch über das Leben der schönen Königin wissen wir wenig. Woher kam sie? Ihr Name: „Die Schöne ist gekommen“ könnte darauf hindeuten, dass sie eine ausländische Prinzessin war. Wahrscheinlicher ist aber, dass sie eine adlige Ägypterin war.

Nofretete – die historische Persönlichkeit

Nofretete war die große königliche Gemahlin des „Ketzerkönigs“ Echnatons. Innerhalb weniger Jahre veränderten Echnaton und Nofretete ihre Welt völlig. Sie entmachteten die einflussreichen Priester der Tempel und erhoben den Aton-Kult, eine Sonnentheologie, zur alleinigen Staatsreligion. Während bislang jeder Ägypter nach eigenem Gutdünken zu einem der zahlreichen Götter beten konnte, hatten dieses Privileg jetzt nur noch der Pharao und seine Familie. Alle anderen mussten die königliche Familie anbeten.
Auch deren offizielle Darstellungen waren revolutionär neu: Echnaton legte Wert darauf, die Porträts zu individualisieren und wollte auch emotionale und private Augenblicke darstellen.

Nofretete spielte eine bedeutende Rolle im religiösen und politischen Leben. Viele symbolische und rituelle Handlungen, die bislang dem Pharao vorbehalten waren, wurden jetzt auch von Nofretete vollzogen. So wurde sie z.B. bei der rituellen Szene des Erschlagens der Feinde abgebildet oder beim Verleihen des Ehrengoldes.
13 Jahre lebte Nofretete als mächtige königliche Gemahlin an der Seite Echnatons. Dann verschwand sie plötzlich. Manche Wissenschaftler vermuten, dass sie von ihrem Mann verstoßen wurde, andere, dass sie vielleicht umgebracht wurde und wieder andere, dass sie eine andere Identität annahm.

Der letzte Umzug der Nofretete

Ihre Büste steht jetzt wieder im Neuen Museum in Berlin. Hier wurde sie 1924 zum ersten Mal ausgestellt. Die Aufnahmen im Computertomografen haben gezeigt, dass es schlecht um die Schöne vom Nil bestellt ist. Im Stuck sind Luftlöcher und Risse zu sehen und an der hinteren Seite große Hohlräume. Dadurch ist Nofretete nur noch bedingt transportfähig. Der Umzug ins neue Museum sollte deshalb auch die letzte Reise der großen Königin gewesen sein.

Adressen & Links

Mehr Bilder und ein Artikel über die CT-Aufnahmen der Nofretete gibt es im medizinischen Magazin „Radiology“ (engl.):
radiology.rsna.org

Das Image Science Institut Berlin informiert über den Scan der Nofretete:
siemens.com

Autorin: Christiane Streckfuss (BR)

Stand: 11.05.2012 13:05 Uhr

Sendetermin

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