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Der Duft der Pharaonin

Der Flakon im Museum
Ein Ausstellungsstück unter vielen | Bild: WDR

Der Flakon stand lange kaum beachtet im Museum. Doch dann untersuchte Michael Höveler-Müller, der neue Kurator des ägyptischen Museums in Bonn, die Flasche näher. Ein Detail machte ihn besonders neugierig: Der 3.500 Jahre alte Parfum-Flakon mit dem Namen der Pharaonin Hatschepsut war durch einen kleinen Lehmpfropfen verschlossen! Konnte es sein, dass der Pfropfen eventuell ein Parfum der Pharaonin über die Jahrtausende konserviert hatte? Michael Höveler-Müller ließ die Flasche von Experten in einem Computertomografen untersuchen. Die Aufnahmen zeigten Reste einer eingetrockneten Flüssigkeit! Hatschepsuts Parfum? Der Ägyptologe witterte eine einmalige Chance: „Wir könnten nicht nur herausfinden, welche Inhaltstoffe in dem Parfum enthalten sind, sondern haben vielleicht sogar irgendwann die Möglichkeit, dieses Parfum in Teilen wiederauferstehen zu lassen!“

Wer war Hatschepsut?

Hatschepsut
Hatschepsut | Bild: WDR

Es wäre der Duft einer der mächtigsten Frauen, die die Menschheitsgeschichte kennt: die ägyptische Pharaonin Hatschepsut. Doch sie ist den Forschern bis heute ein Rätsel. Denn Frauen durften nach der altägyptischen Religion niemals den Pharaonenthron einnehmen. Dennoch regierte sie über 20 Jahre! Um ihre Herrschaft zu rechtfertigen, ließ sie in ihren Bauwerken einmeißeln, sie sei direkt vom Reichsgott Amun gezeugt worden. Michael Höveler-Müller: „Sie wollte die Macht, sie wollte die Krone, sie wollte das, was ihr zustünde, wenn sie ein Mann gewesen wäre. Das sollte uns dazu verleiten, eigentlich den Hut vor ihr zu ziehen.“

Bei einer großen Expedition Hatschepsuts nach Ost-Afrika ließ sie zahlreiche Weihrauch und Myrrhe-Bäume mitnehmen. Weihrauch galt als Geruch der Götter. Sollte dieser Duft Hatschepsuts Herrschaftsanspruch betonen? Michael Höveler-Müller: „Wenn eine Königin ein Parfum hat und da Weihrauch beimischt, und es selber trägt, dann ist sie Teil dieser göttlichen Sphäre!“
Doch nach Hatschepsuts Tod wurden fast alle ihre Bildnisse gezielt zerstört. Jahrtausendelang geriet sie völlig in Vergessenheit! Archäologen haben die Geschichte der Frau auf dem Pharaonenthron wiederentdeckt. 2007 wurde Hatschepsuts Mumie identifiziert und der Öffentlichkeit vorgestellt.

Parfumflasche auf dem Operationstisch

Und nun soll das Geheimnis ihres Parfums gelüftet werden. Dazu wurde die Parfumflasche im Juli 2009 in der HNO Abteilung der Bonner Uniklinik auf den Operationstisch gelegt! HNO-Chef Prof. Friedrich Bootz hatte die Aufgabe, aus dem wertvollen Flakon Proben zu entnehmen, ohne die Flasche zu beschädigen. Eine Operation ohne Beispiel: Mithilfe von Mikroskop- und Endoskopkameras beseitigte der Mediziner den Lehmpfropfen aus dem zierlichen Flaschenhals und barg mit seinem chirurgischen Besteck einige Gramm sandartigen Materials aus dem Bauch der Flasche, die 3.500 Jahre lang verschlossen war. „Wie eine Ausgrabung im Kleinformat!“ kommentierte Michael Höveler-Müller den ungewöhnlichen 20 minütigen Eingriff.

3.500 Jahre alte Parfumreste

Eine ölige Substanz
Eine ölige Substanz konnte gewonnen werden | Bild: WDR

Für die Analysen der Proben ist nun Dr. Helmut Wiedenfeld, Pharmazeut an der Universität Bonn zuständig. Ihm gelang es, aus dem Sand mit Hilfe von speziellen Lösungsmitteln tatsächlich eine ölige Substanz zu gewinnen: Eine erste Bestätigung für die Vermutung, dass tatsächlich Parfumreste in der Flasche sein könnten! Denn im alten Ägypten wurden Parfums auf Ölbasis hergestellt. Doch die genaue Analyse, ob Weihrauch oder andere Pflanzen in der Probe enthalten sind, wird noch Monate dauern, auch weil sich der Ölrest und seine Inhaltsstoffe über die Jahrtausende chemisch verändert haben.

Hatschepsuts Duft - ein ewiges Geheimnis?

Das Parfum der Pharaonin
Bleibt der Inhalt ein Geheimnis? | Bild: WDR

Wird man Hatschepsuts Parfum wiederherstellen können? Das haben wir Johann Maria Farina, den Leiter des traditionsreichen Kölner Parfumhauses Farina gefragt. Er ist skeptisch, denn er weiß: Schon bekannte Düfte immer gleich herzustellen, ist schwierig. Die Pflanzenernten fallen jedes Jahr anders aus. Schon kleinste Unterschiede verändern das Bouquet. Und wie genau rochen Pflanzenessenzen vor 3.500 Jahren? Aus den Ölresten in der Parfumflasche wird sich das kaum ermitteln lassen.
„Den Duft der Pharaonin zu rekonstruieren halte ich fast für unerreichbar, aber die Kenntnisse welche Inhaltsstoffe verwandt worden sind und zu welchen Pflanzen die unter Umständen gehören können, das ist eine sehr interessante Forschungsarbeit, zumal das absolutes Neuland ist.“
Würde Weihrauch, der Duft der Götter, in den Ölresten nachgewiesen, wäre das für die Forscher allein schon eine Sensation. Denn dann hätten sie zumindest ein Erfolgsgeheimnis der Pharaonin Hatschepsut gelüftet...

Adressen & Links

Im Ägyptischen Museum in Bonn können die Parfumflasche der Pharaonin Hatschepsut und die computertomografischen Aufnahmen des Flakons besichtigt werden.

Literatur

Marianne Schnittger
Hatschepsut – eine Frau als Königin von Ägypten
Verlag Philipp von Zabern, Mainz, 2008
150 Seiten
ISBN 978-3-8053-3810-3

Autor: Mike Schaefer (WDR)

Stand: 29.10.2015 14:33 Uhr

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