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Der Freund der Tigerhaie

Ein Tigerhai jagt eine Schildkröte
Ein Tigerhai jagt eine Schildkröte. | Bild: BR

Den weißen Hai kennt jeder, seinen Verwandten, den Tigerhai, kaum jemand. Er beherrscht die tropischen Meere. Aber er ist bedroht – der Mensch dringt immer weiter in sein Territorium vor.
Um ihnen zu helfen, muss man erst etwas über sie wissen. Doch: Tigerhaie haben mehr Unfälle verursacht als der Weiße Hai. Tigerhaie haben fast die selben Maße wie die „Weißen“ - bis zu sechs Meter lang sind sie und eine Tonne schwer. Ihrem kraftvollen Biss kann nicht einmal ein zentimeterdicker Schildkrötenpanzer standhalten.

Ruhe und Respekt

Der Biologe Matt Dicken besendert Tigerhaie, um ihr Wanderverhalten zu verstehen. Schon bei seinen Vorbereitungen trainiert er, seinen Puls niedrig zu halten. Denn Tigerhaie sind in der Lage, Körperfunktionen eines Menschen wie den Pulsschlag zu erfühlen. Doch die Angst vor Haien hat wenig mit biologischen Tatsachen, sondern vor allem mit der menschlichen Psyche zu tun. Der 36jährige Südafrikaner, einer der renommiertesten Haiforscher weltweit, taucht seit fünf Jahren mit Tigerhaien, um mehr über sie zu erfahren. Aber Matt ist nicht lebensmüde. Die „Tiger“ sind zwar die größten Raubfische in tropischen Meeren. Doch eine Fahrt mit dem Motorboot ist statistisch gesehen gefährlicher als mit ihnen zu schwimmen. Denn die riesigen Fische haben es nicht auf Menschen abgesehen. Weltweit werden durchschnittlich ein tödlicher Tigerhai -Angriff pro Jahr registriert.

Identifikation per Brustflosse

Matts Bootsführer legt in 15 Metern Tiefe Köder aus, um die Tiere anzulocken. Sofort erscheinen Schwärme von Schwarzspitzenhaien. Doch sonst passiert nichts – kein „Tiger“. Vielleicht werden sie von der Masse der kleineren Verwandten abgeschreckt. Ein stundenlanges Warten beginnt - auch vorbeikommende Taucher haben nirgendwo Tigerhaie gesehen. Für Matt ein verlorener Tag, aber eine Gelegenheit, sein Archiv zu „pflegen“. Der Biologe hat Dutzende Tiere identifiziert und ihnen sogar Namen gegeben. Dazu machte er tausende Fotos ihrer Brustflossen – jede Flosse ist individuell geformt. Manchen der Fische konnte Matt unter Wasser sogar richtig kennenlernen: „Jedes Tier hat einen sehr ausgeprägten Charakter. Manche – einen habe ich zum Beispiel „Cheeky“ genannt - sind sehr dominant, drängen ihre Artgenossen regelrecht aus dem Feld. Ich muss immer ein Auge auf sie haben. Andere dagegen sind fast passiv und sehr entspannt.“

Sender für die Wanderung

Am nächsten Tag sind die Tigerhaie endlich da. Sie umkreisen das Boot, kurz nachdem der Köder im Wasser ist. Aber um die Tiere zu schützen, genügt es nicht, nur ihre Identität zu bestimmen. Matt muss sie besendern, um genau zu wissen, wohin sie wandern. Tigerhaie sind wie inzwischen fast alle Haiarten durch gnadenlose Jagd und Treibnetze stark bedroht! Matt hat sich ein Weibchen ausgesucht. Es ist über viereinhalb Meter lang. Neugierig nähert sich der Riese immer wieder. Mehr als 2000 Euro kostet ein Sender – ein Fehlschlag wäre bei den knappen Forschungsbudgets eine Katastrophe. Endlich sitzt der Sender - für das Weibchen ist es nicht mehr als ein kleiner Stich. Und Matt hat schon einen Namen für sie – Ella, wie die Tochter einer Freundin.

Menschen gemieden

Doch Matts Arbeit ist noch lange nicht beendet. Er hat unter Wasser entlang der Küste ein Netz aus Empfangstationen aufgebaut. Sie speichern die Signale der vorbeischwimmenden Tigerhaie auf hunderten von Metern. In den nächsten Stunden und Tagen werden die Stationen kostbare Informationen liefern - vorausgesetzt Ella bleibt noch eine Weile in der Gegend. An Land genügt ein kleines Hightechgerät und alle Daten sind auf dem Laptop. Matts Resüme: „Es war spannend zu sehen, wie weit Ella in 12 Stunden schwimmt – mehr als 40 Kilometer – die Küste rauf und runter. Und das Weibchen hat sich immer von den Badebuchten ferngehalten. Was am interessantesten ist: Wir konnten das Weibchen registrieren, als direkt daneben eine Gruppe von Tauchern im Wasser war. Es waren fünf Tauchboote – niemand hatte den Tiger gesehen. Das beweist: Tigerhaie meiden den Menschen.“

Die Daten, die Ella liefert, sollen Matt helfen, einen großen Plan zu verwirklichen. Hainetze sind überall vor den Küsten aufgespannt, um Badende zu schützen. Unzählige verschieden Haie – auch völlig ungefährliche - verfangen sich darin und sterben - so wie viele andere Fische, Delphine und Schildkröten. Matt hofft, dass seine Forschung dazu beiträgt, die Hainetze abzubauen. Dazu hat er einen langen Weg vor sich – es ist ein Kampf gegen die Angst des Menschen vor dem Hai. Ella hilft vielleicht, ihn zu gewinnen.

Adressen & Links

Die Homepage der Organisation SharkProject, die sich dem Schutz der Haie verschrieben hat:
www.sharkproject.org

Autor: Florian Guthknecht (BR)

Stand: 11.05.2012 13:03 Uhr

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So., 06.09.09 | 17:03 Uhr
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