So., 06.12.09 | 17:03 Uhr
Das Erste
Der Wald der warmen Zukunft
Der Wald ist Lebensspender für Mensch und Tier. Geheimnisvoll, spannend, voller Magie – eine Zauberwelt. Doch der Klimawandel bringt längere Trockenperioden und zwingt zum Umbau der Forstlandschaft. Der Wald der Zukunft braucht weniger Nadel- und mehr Laubbäume. Die Kiefer- und Fichtenwälder waren angelegt auf schnellen und möglichst großen Holzertrag. Zukunftsfähig sind sie nicht.
Forschung an jungen Bäumen
Forstwissenschaftler Jürgen Müller vom "Johann Heinrich von Thünen-Institut" Eberswalde will herausfinden, welche Baumarten die besten Zukunftschancen haben. Rotbuchen sind im Vorteil, weil sie mit längeren Trockenperioden besser zurechtkommen als die weit verbreitete Kiefer. Allerdings weiß man bis jetzt wenig über das Wachstum junger Bäume. Aber gerade die sind besonders empfindlich. Jürgen Müller: "Junge Buchen, junge Waldbäume insgesamt haben noch ein flaches und empfindliches Wurzelsystem. Sie sind besonders gefährdet wenn es trocken wird. Deshalb sind sie natürlich ein guter Indikator gerade für die Forschung, um Trockenheit zu untersuchen." Und, so Jürgen Müller weiter, mit jungen Bäumen sei es wie mit kleinen Kindern: Sie brauchen besondere Fürsorge.
Test im Freilandlabor
Im Freilandlabor wachsen auf 16 Quadratmetern junge Rotbuchen aus Nordostdeutschland, West- und Zentral-Polen. Um herauszufinden, welche Herkunft am robustesten ist, gehen die Wissenschaftler der Sache mit High-Tech-Gerät auf den Grund. Eine computergesteuerte Kamera im Glasrohr macht unter der Erde 360-Grad-Fotos und zeigt den Forschern, wie sich die Wurzeln entwickeln. Um zukünftige Trockenperioden zu simulieren, wird das Dach des Freilandlabors bei Regen automatisch geschlossen. Die jungen Rotbuchen werden künstlich bewässert. Sie sollen nur so viel Wasser bekommen, wie es unter dem Klimawandel in Zukunft vermutlich der Fall sein wird. Feuchtigkeitssensoren im Boden messen den Wasserhaushalt der Bäume. Die Computer-Auswertung der Daten zeigt den Forschern, wie gut die Pflanzen mit geringeren Wasserressourcen zurecht kommen und welche Arten die Nase vorn haben. Voruntersuchungen haben gezeigt, dass die Rot-Buchen aus Zentralpolen die beste Trockenanpassung haben.
Der "Vermessene Wald"
Kabelstränge durchziehen den Versuchswald des Instituts. Den Forschern entgeht nichts, alles wird hier erfasst: Niederschlagsmengen zum Beispiel. Aber auch wie viel Blätter die Bäume verlieren und wie sich der Stammdurchmesser entwickelt. In den Stämmen stecken außerdem Sensoren, die den Saftfluss im Baum messen. Daraus schließt Jürgen Müller, wie viel Wasser der Baum wieder verdunstet. Das ist wichtig für den Grundwasserspiegel. Dieser Trinkwasserspeicher geht immer mehr zurück.
Mit Hilfe von begehbaren Lysimetern, das sind übergroße Blumentöpfe, in denen die Bäume stehen, kann Jürgen Müller nachprüfen, welche Baumart am meisten Flüssigkeit ins Grundwasser speist. Jürgen Müller: "Mit den Lysimetern können wir den Bäumen unter die Haut, unter die Wurzel schauen. Und wir haben seit Jahren einen abfallenden Grundwasserstand in Brandenburg. Deshalb ist es wichtig, den Beitrag des Waldes zum Landschafts-Wasserhaushalt zu kennen."
Das gilt gerade für die urbanen Regionen, denn Grundwasser ist Trinkwasser. Die Buche gilt als das Wasserwerk des Waldes und hat hinsichtlich des Grundwasserspiegels deutliche Vorteile gegenüber der Kiefer. Bei der Kiefer bleibt ein Drittel des Jahresniederschlages in den Kronendächern hängen, und kommt nicht am Waldboden an. Sie sorgt deshalb auch für deutlich weniger Grundwasser-Neubildung.
Umbau des Ökosystems Wald
Noch ein Vorteil der Buche: Ihr dichtes Kronendach lässt wenig Licht durch. Deshalb gibt es kaum Bodenbewuchs. Ein Waldbrand kann sich so wesentlich schlechter ausbreiten als in Kiefernwäldern. Außerdem würde Bodenbewuchs auch wieder Wasser brauchen, das dann im Grundwasser fehlt.
Und so soll der Umbau vom Nadel- zum Laubwald statt finden: Zwischen den Kiefern werden junge Buchen gepflanzt. Es entsteht zunächst ein Mischwald. Sind die Buchen groß genug, werden die Kiefern gefällt. Der Umbau des Ökosystems Wald, da ist sich Jürgen Müller sicher, ist durch den Klimawandel unumgänglich, will man es als Lebensraum, Kultur- und Wirtschaftsgut erhalten.
Adressen & Links
Hintergründe über das Projekt Wald 21:
www.waldzukuenfte.de
Autor: Harald Brenner (SWR)
Stand: 07.08.2015 12:13 Uhr