SENDETERMIN So., 20.09.09 | 17:03 Uhr | Das Erste

Die Rückkehr des Bibers

Ein Biber
Biber wurden wegen ihres Pelzes gejagt | Bild: NDR

Zum Ende des 19. Jahrhunderts galten die Biber an allen großen Flüssen Deutschlands als ausgestorben. Zu lange waren die Nager gnadenlos gejagt worden. Die einen hatten es auf ihren Pelz abgesehen, die anderen auf ihren Duftstoff, das sogenannte Bibergeil. Zeitweise hatte der Biber sogar in der kirchlichen Fastenzeit als "Fisch" auf dem Speiseplan gestanden, um das Fleischverbot zu umgehen.
Dennoch überlebte schließlich eine kleine Population von nicht einmal 200 Bibern an der Elbe zwischen Belgern und Rogätz sowie an den Elbe-Altwassern und den Unterläufen der Schwarzen Elster, Mulde und Saale. Sie wurden der Grundstock für die heute bundesweit rund 7.000 Elbebiber, die in der Fachsprache "Castor fiber albicus" heißen.

Bibermanagement im Biosphärenreservat Mittelelbe

Etwa 1.200 Elbebiber leben derzeit im Biosphärenreservat Mittelelbe. Hier ist Peter Ibe für ihren Schutz zuständig und betreibt deshalb ein sogenanntes Bibermanagement. Seit mehr als 35 Jahren vermittelt der Naturschutzwart zwischen Biber und Mensch, greift ein, wenn es brenzlig wird – so wie an der Bahntrasse zwischen Rosslau und Wittenberg. Sie läuft nicht nur durchs Biosphärenreservat, sondern auch mitten durch das Revier eines Elbebibers. Während Pendler die Bahnstrecke zu schätzen wissen, scheint sie dem Tier völlig egal zu sein. Er hat genau unterhalb des Bahndamms seinen eigenen Damm gebaut. Damit reguliert er den Wasserstand eines Wasserlaufs, wie es ihm gerade passt. In regelmäßigen Abständen würde er damit die Gleise überschwemmen – aber eben nur dann, wenn Peter Ibe nicht wäre. Zusammen mit einem Kollegen setzt er heute ein Drainagerohr in den Biberdamm ein. "Das bauen wir jetzt hier ein, um den Wasserstand so flach zu halten, weil wir mit der Bundesbahn die Vereinbarung getroffen haben, dass die Standsicherheit des Dammes natürlich gewährleistet werden muss. Und da haben wir uns auf einen Kompromiss des Wasserstands geeinigt, mit dem der Biber noch auskommt und der Damm die Standsicherheit nicht gefährdet wird", erläutert Ibe die Situation.

Biberfang

Der Biber gilt heute als Markenzeichen der Elbtalauen, der letzten noch weitgehend intakten Flusslandschaft Mitteleuropas. Der Bestand der Tiere hat sich hier in den vergangenen Jahren so gut erholt, dass Ibe und seine Kollegen jeden Herbst Biber fangen können, um sie in anderen Gegenden anzusiedeln.
Mehr als 850 Nächte war der Naturschutzwart schon zum Biberfang unterwegs. Nicht gerade ein leichtes Unterfangen! Mit bis zu 1,30 Metern Länge und mehr als 30 Kilogramm sind die Biber die größten europäischen Nagetiere und wehren sich heftig. Ibe legt sich grundsätzlich erst im Herbst auf die Lauer, wenn die Jungtiere groß genug sind. Geht ihm ein Tier ins Netz, so siedelt er es erst um, wenn er auch den Rest der Biberfamilie gefangen hat. Die Tiere leben nämlich monogam.
Überall sind mittlerweile schon Elbebiber zu finden: im Saarland, an der Peene, an der Havel und sogar in Dänemark und Holland. Die Tiere sollen sich dort bei Renaturierungen von Flussauen nützlich machen – quasi als Landschaftsarchitekten.

Dem Biber auf den Fersen

Ein von Bibern angenagter Baum
Ein von Bibern angenagter Baum | Bild: NDR

Peter Ibe kennt die Lieblingsplätze genau. Am Ufer eines Altarms deutet er auf eine Stelle im dichten Gras. Hier liegen große Holzspäne wie in einem Nest. "Hier sehen wir eine typische Bibersasse, das ist so ein Ruhepunkt, also wie so ein Liegestuhl für einen Biber sozusagen, so ein Ruhepol", erklärt er und stapft weiter durch die dichte Vegetation. Und schon die nächste Spur! Am gegenüberliegenden Flussufer türmen sich Äste auf. Eine Biberburg! Für Peter Ibe sind gerade sie architektonische Meisterwerke. Der Eingang liegt unter Wasser, der Wohnkessel oberhalb des Wasserspiegels, aber unter der Erde im Uferstreifen.
Überall hinterlässt der Elbebiber seine Spuren in der Flussaue. Da kann es schon einmal passieren, dass Land überschwemmt wird oder Bäume zum Opfer fallen. Ibe zeigt auf einen Baum, dessen Stamm wie eine Eieruhr angenagt ist: "Das ist jetzt ein untrügliches Zeichen, dass hier der Biber zu Hause ist, weil das nur der Biber kann. Die Biber fällen natürlich nicht permanent Bäume. Wenn Sie sich hier umgucken im Revier, hier sieht’s nicht wie ein Schlachtfeld aus."
Im Sommer leben die Biber hauptsächlich von Wasserpflanzen und Kräutern, aber im Winter muss dann auch mal ein Baum daran glauben. Gefressen wird aber nicht der ganze Baum, sondern lediglich die Rinde. Ibes Fund stammt also noch aus dem vergangenen Winter.

Neues Leben durch den Biber

Eine Gelbbauchunke
Eine Gelbbauchunke | Bild: NDR

Die Biberspuren, die Peter Ibe findet, stehen für ihn keineswegs für zerstörte Natur. Im Gegenteil! Wo der Biber auftaucht, entsteht neues Leben. Im Totholz-Dschungel seiner Burgen finden andere Tiere Schutz, wie die Rotbauchunke, Ringelnattern oder Jungfische.
Durch die Biberdämme fließt das Wasser langsamer. Dort wo es über die Dämme plätschert, wird es mit Sauerstoff angereichert. Insekten lassen sich hier gerne am Ufer nieder. Die Auen werden für Amphibien so zu attraktiven Laichgewässern. Und schließlich lockt das reichhaltige Nahrungsangebot im Biberlebensraum wiederum Störche, Reiherenten und Co. Der Biber setzt quasi als Prozessor eine ganze Kette in Gang. Er bringt Dynamik in die Landschaft. "Wo Biber sind, ist immer etwas los", sagt Peter Ibe. "Es verändert sich ständig etwas, es fällt etwas um, es wächst etwas neu." Durch den stetigen Wechsel tauchen im Biberrevier ganze Pflanzengesellschaften wieder auf, die sonst Seltenheitswert haben. Wenn der Biber einen Baum fällt, hinterlässt er Licht und Luft für neue Gewächse. Überall im Biosphärenreservat Mittelelbe schlagen von Bibern abgeholzte Weiden wieder aus. Biologen sind davon überzeugt, dass die Artenvielfalt in Biberrevieren größer ist. Nicht umsonst genießt der Biber durch die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU internationalen Schutz. Für Peter Ibe und seine Kollegen vom Biosphärenreservat Mittelelbe lohnt jeder einzelne Kompromiss, mit dem sie Lebensraum für die Nager erhalten können.
So wie am Bahndamm mitten im Biosphärenreservat Mittelelbe, wo Peter Ibe und sein Kollege mit einem Drainagerohr im Biberdamm verhindern, dass die Gleise überschwemmt werden. Die Züge können ungehindert fahren.
Und auch der Elbebiber kann mit dieser Lösung hervorragend leben.

Adressen & Links

Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt, Referenzstelle für den Biberschutz im Biosphärenreservat Mittelelbe
Ansprechpartner: Peter Ibe
Kapenmühle PF 13 82
06813 Dessau-Roßlau
Tel.: (034904) 421-0
Fax: (034904) 421-21

Autorin: Britta Thein (NDR)

Stand: 01.02.2013 12:34 Uhr

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