So., 20.09.09 | 17:03 Uhr
Das Erste
Letzte Chance für die Flussperlmuschel
Ein Schatz in unseren Flüssen
Die kostbaren Perlen der Flussperlmuschel schmückten die Kronen der europäischen Herrscher. Früher gab es diese Muscheln zu Hunderttausenden in unseren Flüssen, wie zum Beispiel in Oberfranken – Namen wie "Perlbach" erinnern daran. Nur einigen Muschelfischern war es erlaubt, im Auftrag der Landesherren nach den kostbaren Perlen zu suchen. Auf Raubfischerei standen drakonische Strafen wie zum Beispiel das Abhacken der Hand!
Die letzten ihrer Art – ein Kronjuwel für das Ökosystem Fluss
Heute ist die Flussperlmuschel fast ausgestorben. An einigen geheimen Orten in Oberfranken suchen Wissenschaftler der Technischen Universität München nach den letzten Überresten der einstmals großen Bestände. Was für die Könige Europas Symbol für Macht und Reichtum war, ist für die Forscher heute ein Kronjuwel unserer Flüsse:
40 Liter Wasser reinigt jede einzelne Muschel pro Tag - natürliche Kläranlagen, von unschätzbarem Wert für das Ökosystem. Doch es gibt ein Problem: Flussperlmuscheln können weit über 100 Jahre alt werden, und die jüngsten sind hier schon über 70! Es gibt keinen Nachwuchs.
Mit dem Forellentaxi flussaufwärts
Die Forscher wollen den überalterten Muscheln auf die Sprünge helfen. Dafür müssen zunächst einmal junge Bachforellen gefangen werden, denn nur mit der Hilfe dieser einen Art kann sich die Muschel fortpflanzen: Ihre Larven nisten sich in den Kiemen der Fische ein, um dort zu Jungmuscheln heranzureifen. Für die fast unbeweglichen Muscheln ist dieser Zwischenwirt unentbehrlich: Ohne das "Forellentaxi" könnten sie niemals flussaufwärts wandern und neue Lebensräume erobern. Doch genau dieser Trick stellt für die Muschel ein großes Problem dar: Die heimische Bachforelle wird zunehmend von der eingewanderten Regenbogenforelle verdrängt und an ihren Kiemen wollen die Jungmuscheln nicht haften. Mit Hilfe der Wissenschaftler und Naturschützer hat die Flussperlmuschel jedoch wieder eine Chance.
Verschlammte Kinderstube
Doch trotz der Bemühungen der Biologen, die Forellen mit den Muschellarven gezielt zu infizieren, will sich lange Zeit kein Erfolg einstellen. Der Grund: Die Flüsse haben sich verändert. Wo früher saubere Kiesbänke waren, verschlammen heute Feinsedimente und Dreck den Bachgrund. Die Jungmuscheln können sich nicht mehr zwischen den Steinen verstecken ohne zu ersticken. Abwässer und Schmutz von Baustellen sind eine Quelle der Verschmutzung. Das Hauptproblem sind allerdings Einträge aus der Landwirtschaft, wie Düngemittel und Erde von den Feldern. Das ganze Ökosystem rund um die Perlmuschelflüsse muss wieder in Ordnung gebracht werden!
Gemeinsam gegen den Dreck
Eine umfassende Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern, Landwirten und Behörden bringt in Oberfranken erste Erfolge. Hier wachsen zum ersten mal seit vielen Jahrzehnten wieder junge Flussperlmuscheln heran. Viel Aufwand für diese unscheinbare Art. Doch eines Tages, im Schnitt in jeder zweitausendsten dieser Muscheln, wird wieder eine Perle heranreifen. Und die Flüsse in Oberfranken bergen dann für Biologen und Romantiker gleichermaßen wieder einen verborgenen Schatz.
Stand: 19.03.2013 16:53 Uhr