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Die vegetarische Forelle

Forellen sind Raubtiere, sie fressen Insekten, kleine Fische und Krebse. Auch die Forellen aus Zuchtteichen erhalten tierisches Eiweiß, normalerweise als Trockenfutter. Diese bestehen überwiegend aus Meeresfisch, getrocknet, zu Fischmehl gemahlen und zu Pellets gepresst. Die Aquakultur-Branche boomt weltweit und damit explodiert auch die Nachfrage nach Fischmehl. Schon jetzt gibt es davon viel zu wenig. denn die Ozeane sind überfischt. Und die Fische, die noch gefangen werden, reichen kaum noch für die Menschen.

Die Futterhersteller mischen daher seit Jahren immer mehr Pflanzen ins Fischmehl. Mit unerwarteten Folgen. Forellen vertragen manche pflanzlichen Inhaltsstoffe nicht, sie bekommen Durchfall. Für die Züchter ist das ein gravierendes Problem. Flüssiger Kot lässt sich nicht filtern. Er gelangt selbst durch die feinsten Mikrofilter und verschmutzt danach die Gewässer. Den Forellenzüchtern droht der Verlust ihrer Existenz. Wegen der zusätzlichen Verschmutzung müssten sie eigentlich aufwändige und teure Kläranlagen bauen. Das würde die meisten Betriebe ruinieren.

Vegetarisches Futter von Anfang an

Damit es auch in Zukunft noch schmackhafte Zuchtforellen aus Deutschland geben kann, sucht Dr. Alexander Brinker, Biologe an der Fischereiforschungsstelle Langenargen in Baden Württemberg gemeinsam mit seinem Team nach einem Ausweg.
Für ihn ist das pflanzliche Futter die einzige realistische Alternative zum Fischmehl. Nur dieses wird über lange Zeit noch in großen Mengen verfügbar sein. Seine Forellen sollen daher gleich ganz zu Vegetariern werden. Denn in den Pflanzen finden sich alle Nährstoffe, die auch im Fischmehl enthalten sind.

Forschungsziel: Stabiler Forellenkot

Entnahme einer Kotprobe
Entnahme einer Kotprobe | Bild: WDR

Um das Problem des Durchfalls zu verhindern, kommt es vor allem auf die richtige Auswahl der Zutaten an. Er prüft unzählige Rohstoffe. Testet, ob sie von den Forellen vertragen werden. Zunächst im Reagenzglas mit Bakterienkulturen, dann in Fütterungsversuchen.
Schnell zeigt sich, dass diese Forschung nichts für zart Besaitete ist. Denn um die Futtermischungen bewerten zu können, muss Brinker den Fischkot abfangen, bevor dieser ins Becken gelangt. Seine kostbaren Versuchstiere stellt er besonders schonend mit Nelkenöl ruhig. Innerhalb weniger Sekunden streift er die Probe aus dem Darm und setzt den Fisch anschließend unbeschadet wieder zurück.

Viele der Testapparaturen hat er selbst entwickelt. Auch einen einfachen Simulator der exakt misst, ob die Forellenexkremente das Gewimmel im Fischbecken überstehen und grob genug für die Filter bleiben.
Nach unzähligen Versuchen ist Brinkers Team erfolgreich. Mit dem neuen Futter bleiben die Partikel groß genug für die Filter der Fischzüchter. Das erste große Hindernis ist überwunden.

Alle Tests bestanden?

Eine zerlegte Forelle
Eine zerlegte Forelle | Bild: WDR

Aber nur wenn die mit seinem neuen Futter aufgezogenen Forellen auch wirklich perfekte Qualität aufweisen, hat er sein Ziel erreicht. Er muss sie von unabhängigen Wissenschaftlern testen lassen.
Die Bayerische Landesanstalt für Fischerei in Starnberg erforscht nicht nur neue Methoden zur Fischzucht. Sie ist auch eine Art TÜV für Forellen. Dem Leiter Dr. Reinhard Reiter würde jede Schwäche an Brinkers Vegetariern auffallen.
Zunächst ist er skeptisch, denn die Verdauung der Raubfische ist eigentlich nicht für rein pflanzliche Kost ausgelegt. Reiter erwartet Unterschiede zu normalen, mit Fischmehl gemästeten Tieren. Doch alle messbaren Ergebnisse aus Analysen und Tests zeigen: Brinkers Vegetarier sind mindestens so gut wie normale Forellen.

Die schwierigste Prüfung ist jedoch die Verkostung. Nur wenn die Fische lecker schmecken, taugt Brinkers Futter für den Markt. Geschulte Testesser vergleichen die Vegetarier mit herkömmlich gefütterten Forellen. Und selbst diese wissenschaftliche Verkostung bestehen Brinkers Forellen mit Bravour.
Der Fischexperte hat es geschafft. Er hat ein Futter gefunden, mit dem man Forellen auch in vielen Jahren noch züchten kann. Seine Forellen lieben jetzt sogar Grünzeug.

Aber Brinker will in Zukunft noch viel mehr erreichen. Seine Idee: Mit der richtigen Mischung ist es möglich, dass sich im jetzt festen Kot winzige Bläschen bilden. Dann würden die Hinterlassenschaften an der Wasseroberfläche schwimmen, würden nicht zerschlagen und könnten bequem ohne Rückstand abgeschöpft werden. Brinker sieht darin einen wichtigen Schritt in die Fischzucht der Zukunft: „... Das würde dazu führen, dass die Fische gesünder sind und wir auch das Wasser wiederverwerten können. Und dann, denke ich, hätten wir einen wichtigen Schritt getan für eine nachhaltige Fischzucht, auch in Deutschland.“
Mit den ersten Versuchen hat er bereits begonnen.

Adressen & Links

Auf der Website der Fischereiforschungsstelle Langenargen findet man Infos zu den Projekten des Institutes und zu allgemeinen Fischthemen:
www.landwirtschaft-mlr.baden-wuerttemberg.de

Die Landesanstalt in Starnberg bietet auf ihrer Website sehr viele interessante Fachartikel und Informationen rund um die Fischzucht an:
www.lfl.bayern.de

Autor: Vladimir Rydl (WDR)

Stand: 12.08.2015 11:52 Uhr

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