So., 18.10.09 | 17:03 Uhr
Das Erste
Wie gesund ist unser Fisch?
Der Appetit der Deutschen auf Fisch und Meeresfrüchte bleibt unverändert hoch. Gerade erst hat das Fisch-Informationszentrum (FIZ) seine Zahlen vorgestellt. 15,6 Kilogramm haben wir im vergangenen Jahr pro Kopf gegessen. Tendenz steigend. Gerade Seefisch ist nämlich ein idealer Lieferant für Jod und Selen.
Gesundes vom Hamburger Fischmarkt?
Da wundert es wenig, dass auf dem berühmten Hamburger Fischmarkt sonntags früh schon die Hölle los ist. An den Ständen für Frischfisch, Fischbrötchen und Räucherfisch tummeln sich unzählige Nachtschwärmer und Frühaufsteher. Zum einen schmeckt ihnen der Fisch einfach, zum anderen glauben zumindest einige von ihnen durchaus, sich mit einer Fischmahlzeit etwas Gutes zu tun. Doch stimmt das wirklich? Und wenn ja, sind dann alle Fischarten gleich gesund?
Lebensmittel Fisch auf dem Prüfstand
Mit diesen Fragen befassen sich die Wissenschaftler vom Max Rubner-Institut in Hamburg. Bei Dr. Horst Karl und Ines Lehmann dreht sich alles um die Qualität von Fisch. Während er sich mit den Substanzen beschäftigt, die besser nicht im Fisch zu finden sein sollten, widmet seine Kollegin sich den Inhaltsstoffen, die den Fisch für die Ernährung so wertvoll machen sollen. Normalerweise landet bei beiden so ziemlich alles im Labor, was in den Weltmeeren und Flüssen schwimmt. „Wir untersuchen Fische, die aus der gesamten Welt kommen. Wir besorgen uns Fische von unseren Forschungsreisen, eben von den Großmärkten und auch aus dem Handel“, erläutert Dr. Karl die Arbeit des Forschungsinstituts. Jedes Frühjahr stechen die Wissenschaftler deshalb mit einem Forschungsschiff in See. Nur so wissen sie ganz genau über Herkunft, Frische und Fanggründe der Fische Bescheid und können dann Rückschlüsse auf ihre Untersuchungsergebnisse ziehen.
Frische-Test
Über 650 Speisefischarten sind inzwischen auf dem deutschen Markt zu haben. Heute hat sich das Forscherteam vom Max Rubner-Institut für zwei Testkandidaten entschieden: den Seelachs und den Hering. Zunächst werden die beiden Fische einem Frische-Test unterzogen. Dr. Karl und Ines Lehmann prüfen alles genau: Die Augen der Fische sind glasklar und nach oben gewölbt. Die Kiemen sind schön rot durchblutet und die Haut ist elastisch und schleimfrei. Die Wissenschaftler sind sich sicher, dass diese Fische frisch sind.
Omega-3-Fettsäuren - Gesunde Inhaltsstoffe
Jeweils ein Fischfilet landet dann im Labor von Ines Lehmann. Sie interessiert sich für die Inhaltsstoffe im Fisch, die ihn so besonders wertvoll für die Ernährung machen sollen: die Omega-3-Fettsäuren. Das sind ungesättigte Fette, die in dieser langkettigen Form nur im Fisch vorkommen und unter anderem Herzinfarkt vorbeugen.
Zunächst werden die Filets zu einer feinen Masse püriert oder „homogenisiert“, wie es in der Fachsprache heißt. Aus dem Fischbrei lässt sich dann mittels chemischer Verfahren das Fett trennen und bestimmen. Mit einem Fettanteil von 20 Prozent und mehr gehört der Hering wie auch Aal, Lachs und Makrele zu den fettreichen Fischen. Seelachs, Scholle, Kabeljau und Dorsch liegen da weit drunter. Sie sind sogenannte Magerfische und haben weniger als ein Prozent Fettanteil. Wer nun glaubt, die mageren Fische seien deutlich gesünder, dem wird Ines Lehmann widersprechen. Ein Magerfisch liefert zwar ein tolles, oft sehr weißes Fleisch, aber: „Wenn Sie sich damit eine große Portion Omega-3-Fettsäuren zuführen wollen, dann wird es schwierig. Wenn Sie weniger als ein Prozent Fett haben, dann nehmen Sie natürlich auch ganz wenig Omega-3-Fettsäuren auf“, erklärt die Wissenschaftlerin. Je fetter der Fisch also, desto mehr Omega-3-Fettsäuren. In diesem Punkt liegt der Hering gegenüber dem Seelachs klar vorn.
Schadstoffe - Unerwünschte Substanzen
Doch da kommt der Kollege ins Spiel. Dr. Horst Karl beschäftigt sich mit den Substanzen, die wir eigentlich nicht im Fisch haben wollen: Schadstoffe. Und die sind zu einem großen Teil fettlöslich! Deshalb wäre anzunehmen, dass die Fische, die bei Ines Lehmann so besonders gut abschneiden, hier im Nachbarlabor schlechtere Ergebnisse haben. Der Testhering und der Seelachs sollen das Rätsel lösen.
In den vergangenen zwei Jahren war Dr. Karl an einer groß angelegten Studie zur Belastung der Fische mit Dioxinen auf dem deutschen Markt beteiligt. „Dioxine sind im Prinzip unerwünschte Substanzen, die bei verschiedenen industriellen Prozessen entstehen, bei Verbrennungsprozessen oder als Bestandteil der Chlorbleiche. Sie gehen über die Atmosphäre in die Meere und gelangen dann über die Nahrungskette in die Fische“, erläutert Dr. Karl. Es sind sehr stabile Substanzen, die sich über Jahre halten.
Auch er benötigt für die Analyse der beiden Testfische nur das „Fischpüree“ aus den Filets. Mit einem Lösungsmittel extrahiert er die schädlichen Substanzen. In einem komplizierten chemischen Verfahren muss die Lösung immer wieder gereinigt werden.
Und welcher Fisch ist nun stärker mit Dioxin belastet?
Dr. Horst Karl klärt auf: „Natürlich nehmen fettreichere Fische mehr an organischen Rückständen auf, aber diese Fische wachsen so schnell und werden innerhalb von zwei Jahren weggefangen. So kommt es nicht zu einer Anreicherung der schädlichen Substanzen.“ Der gesetzliche Grenzwert liegt in Deutschland bei acht Picogramm pro Gramm. Der Seelachs liegt mit 0,1 deutlich darunter, doch auch sein fettreicher Kollege, der Hering, hat gerade mal 0,5 bis 0,7 Picogramm pro Gramm Dioxin.
Anders sähe es da schon mit Heringen aus der östlichen Ostsee aus, erzählt der Wissenschaftler. Die könnten die geforderten Grenzwerte nicht einhalten, wären deshalb aber auf dem deutschen Markt verboten. Magerfische aus diesen Fanggründen sind von dem Importverbot aber nicht betroffen. Sie sind ja auch nicht so anfällig für Dioxine.
Fazit
Die Wissenschaftler vom Max Rubner-Institut sind überzeugt, dass Hering und Co. wertvolle Lebensmittel sind. Die Grenzwerte der Europäischen Union für Schadstoffe sind streng und die Kontrollen der Landesbehörden ebenso. Schon seit Jahren fallen deshalb bei den Hamburger Wissenschaftlern die Untersuchungen auch auf andere Schadstoffe positiv für die Verbraucher aus. Pestizide liegen unterhalb der Nachweisgrenze. Für Cadmium und Quecksilber, die vulkanischen Ursprungs sind und natürlich im Meer vorkommen, gibt es sogar eine Art europäisches Frühwarnsystem.
Kaum Schadstoffe und jede Menge Jod, Selen und Omega-3: Fisch ist gesund! Und der Fette manchmal noch ein bisschen mehr als der Magere!
Adressen & Links
Max Rubner-Institut, Hamburg (Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel)
Dr. Horst Karl, Ines Lehmann
Palmaille 9
22767 Hamburg
Tel.: (040) 38 90 51 19
www.mri.bund.de
Autorin: Britta Thein (NDR)
Stand: 24.09.2015 13:46 Uhr