So., 20.12.09 | 17:03 Uhr
Das Erste
Fair gehandelt - Schokolade ohne bitteren Nachgeschmack
Schokolade gehört zu unseren beliebtesten Leckereien. Mehr als 90 Tafeln essen wir pro Jahr. Fair gehandelte Schokolade verspricht Genuss ohne schlechtes Gewissen und versucht armen Bauern in der dritten Welt, ein sicheres Auskommen zu bieten. Wie unterscheidet sie sich von herkömmlicher Schokolade?
Was ist fair an Schokolade aus fairem Handel?
Wir essen durchschnittlich nicht einmal eine halbe Tafel Schokolade aus fairem Handel pro Jahr. Das ist höchstens ein halbes Prozent der 93 Tafeln, die wir insgesamt jährlich in Form von Tafeln, Schokohasen oder Überzug genießen.
Um die in Deutschland verzehrte Schokolade herzustellen, werden etwa 370.000 Tonnen Zucker, 421.000 Tonnen Kakaobohnen und 200.000 Tonnen Milchpulver benötigt. Sowohl für fair gehandelte als auch für herkömmliche Schokolade werden die Rohstoffe in europäischen Fabriken verarbeitet. Unterschiede zeigen sich höchstens bei den Rohstoffen.
Bei einem Vergleich kann man die Milch gleich ausklammern. Denn bei beiden stammt diese vor allem von deutschen Kühen. Einen Unterschied in der Produktionsweise gibt es nicht. Nur wenn Bio-Milch verwendet wird, könnte dies als Vorteil gewertet werden.
Fairer Zucker als Klimaschützer
Der Zucker für konventionelle Schokolade stammt meist von deutschen Zuckerrüben. Die für Schokolade benötigten 370.000 Tonnen Zucker machen aber nur einen kleinen Teil der deutschen Ernte aus.
Bis vor kurzem war der europäische Zuckermarkt nahezu komplett vom Weltmarkt abgeschottet. Hohe Garantiepreise verhinderten billigere Importe. Aber die Zuckerproduktion in Deutschland hat einen Nachteil. Trotz der kurzen Transportwege verbraucht sie besonders viel Energie aus Kohle, Öl oder Gas. Der Maschinenpark der Bauern, die Produktion von Mineraldünger und die Verarbeitung der Rüben in der Fabrik erzeugen so indirekt rund 225.000 Tonnen CO2 pro Jahr.
Für Schokolade aus fairem Handel wird häufig Rohrzucker aus subtropischen und tropischen Ländern verwendet. Dort wird der Zucker meist erheblich kostengünstiger produziert, allerdings oftmals zu Lasten der Bauern. Fairer-Handel-Organisationen, wie die von kirchlichen Entwicklungshilfeorganisationen getragene GEPA, helfen diesen Bauern. Aufgrund des komplizierten Zuckermarktes arbeiten diese Organisationen direkt mit Zucker-Kooperativen zusammen. Sie zahlen den Bauern für ihre Ernte höhere Preise als marktüblich. Trotz des Transportes über Tausende von Kilometern ergibt sich nicht nur ein sozialer, sondern sogar ein ökologischer Vorteil. Weil der Zuckersaft durch Verbrennen der ausgepressten Zuckerrohre eingekocht wird, entsteht ein Drittel weniger CO2 als beim deutschen Zucker: pro Tonne Zucker statt 0,6 nur 0,4 Tonnen CO2. Und bei biologisch wirtschaftenden Kooperativen ist die CO2 Ersparnis sogar noch größer. Durch die aktuelle Öffnung des Zuckermarktes der EU entstehen auch für fair gehandelten Zucker neue Chancen.
Kakao mit bitterem Nachgeschmack
Fast der gesamte Kakao für unsere Schokolade stammt aus nur zehn tropischen Ländern, alleine die Hälfte von der Elfenbeinküste in Westafrika. Die drei Millionen Kleinbauern in Westafrika ernten auf ihren wenigen Hektar meist nur zwei Tonnen Kakaobohnen. Ob sie damit überhaupt ihren Lebensunterhalt bestreiten können, entscheidet sich auf den Börsen in London und New York. Sinkt der Weltmarktpreis für Kakao unter 1.600 Dollar pro Tonne, reicht es für Kleinbauern kaum noch zum Überleben. Denn die Bauern erhalten von den Zwischenhändlern oftmals nur die Hälfte des Weltmarktpreises. Und der sank in der Vergangenheit sogar bis auf 850 Dollar pro Tonne. Einziger Ausweg für die Kleinbauern: Sie versuchen mehr zu produzieren und brauchen dazu die Hilfe ihrer Kinder. Und die Kinder haben keine Zeit mehr für den Schulbesuch. Ein Kreislauf des Elends beginnt.
Von den Zwischenhändlern werden die Bauern zum Einsatz von Spritzmittel gedrängt. Ohne Wissen über die Gefahren gefährden sie so nicht nur die Umwelt, sondern auch ihre eigene Gesundheit.
Kakao mit Zukunft
Auch der faire Handel richtet sich nach dem Weltmarktpreis. Aber die Organisationen des fairen Handels fördern den Aufbau von Kooperativen. Diese erhalten je Tonne Kakaobohnen 150 Dollar zusätzlich. Und sinkt der Weltmarktpreis ins Bodenlose, erhalten die Kooperativen trotzdem ein gemeinsam festgelegtes Minimum, derzeit 1.750 Dollar. So sind die Mitglieder der Kooperativen sozial abgesichert.
Garantierte Abnahmemengen ermöglichen zudem langfristige Investitionen. Kooperativen können eigene Lastwagen anschaffen und Vertriebsbüros in der Hauptstadt gründen. Das macht unabhängig vom Zwischenhandel. Dass die Kooperativen nun selbst über knappe Devisen verfügen, führt sogar erstmals zu politischem Einfluss auch entlegener Regionen.
Wichtig ist zudem, dass der faire Handel die Kooperativen und Bauern berät. Ziel ist ein nachhaltiger biologischer Anbau. Bio-Kakao erzielt auf dem Weltmarkt viel höhere Preise, er ist derzeit sehr knapp. Zusätzlich ermöglichen spezielle Mischkulturen den Bauern bei gleichbleibenden Kakao-Erträgen zusätzliche Produkte zu ernten.
Die GEPA und vergleichbare Organisationen prüfen regelmäßig die Bücher ihrer Geschäftspartner. Dadurch kommen etwa 85 Prozent des Handelspreises direkt beim Bauern an. Die Kinder müssen nicht mehr mithelfen und können die Schule besuchen. Und auch die Schulen stammen oft aus den zusätzlichen Geldern, die der faire Handel an die Kooperativen zahlt.
Autor: Vladimir Rydl (WDR)
Stand: 18.01.2013 15:38 Uhr