So., 02.08.09 | 17:03 Uhr
Das Erste
Feinstaubbelastung beim Radfahren
Feinstaub ist gefährlich für die Gesundheit, und Radfahrer sind ihm im Straßenverkehr besonders ausgesetzt. Ein internationales Forschungsprojekt untersucht zum ersten Mal, wie viel Feinstaub Radfahrer wirklich einatmen, und in welchen Situationen die Belastungen am größten sind. Dabei stellt sich heraus: Für Radfahrer ist die Feinstaubbelastung stellenweise hoch – aber sie ist immer noch niedriger als für Autofahrer!
Feinstaub: Je kleiner, desto gefährlicher
Feinstaub ist unsichtbar, und er ist allgegenwärtig. In Ballungsgebieten trägt vor allem der Straßenverkehr zu einer hohen Feinstaub-Belastung bei. Die unsichtbaren Partikel stammen nicht nur aus Motoren, sondern auch vom Bremsen- und Reifenabrieb und aus dem aufgewirbeltem Staub der Straßenoberfläche. Als Feinstaub werden Staubpartikel bezeichnet, die nicht sofort zu Boden sinken, sondern noch in der Atmosphäre bleiben und so Teil der Atemluft werden. Je kleiner die Partikel, desto gefährlicher sind sie, denn vor allem die ultrafeinen Staubpartikel, kleiner als 0,1 Mikrometer, können über die Lungenbläschen in die Blutbahnen vordringen und sich so im Körper verteilen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat nachgewiesen, dass auch geringste Konzentrationen gesundheitsschädlich sind, wenn sie über einen längeren Zeitraum aufgenommen werden.
Feinstaub für Radfahrer
Radfahrer sind der hohen Feinstaub-Belastung im Straßenverkehr besonders ausgesetzt. Wie viel Feinstaub sie aber tatsächlich tagtäglich einatmen sind, und welche Verkehrs-Situationen dabei besonders belastend sind, ist bisher nicht bekannt: Feinstaubmessungen liefern bisher nur die fest installierten Messstationen der Umweltbehörden. Ein internationales Forschungsteam, an dem von deutscher Seite der ADFC beteiligt ist, hat jetzt zum ersten Mal die Feinstaub-Belastung für Radfahrer mit einem mobilen Messsystem untersucht. Herzstück ist ein Messfahrrad, ausgestattet mit einem auf ultra-feine Staubpartikel spezialisierten Messsystem und einer Videokamera, die hinter dem Kopf des Testfahrers angebracht wird. Zum ersten Mal ist es damit möglich, Feinstaub mobil zu messen, an unterschiedlichen Orten und unterschiedlichen Situationen.
Distanz zur Feinstaubquelle ist entscheidend
In vier europäischen Städten, Budapest, Vilnius, Utrecht und Hamburg, führten die Wissenschaftler Messungen durch. Wie sie dabei feststellten, sind die Feinstaubbelastungen für Radfahrer nicht nur in befahrenen Straßen und vor Ampeln hoch, sondern vor allem auch in Brückenunterführungen und Tunnels. Solche Orte sollten Radfahrer also besser meiden. Spitzenbelastungen zeigten die Messgeräte auch in engen, hoch bebauten Straßen mit hohem Verkehrsaufkommen, in Straßenschluchten. Überraschender ist aber vor allem ein weiteres Ergebnis: Die Feinstaub-Belastung hängt entscheidend von der Distanz zur Quelle ab. Gerade unmittelbar neben Lastwagen aber auch Mopeds ist die Feinstaub-Belastung besonders hoch. Mit dem Abstand zu diesen Feinstaub-Schleudern nimmt sie aber auch schnell wieder ab. Die Feinstaubbelastung in Städten ist also sehr ungleich verteilt.
Autos: Noch höhere Belastungen als für Radfahrer
Überraschend ist auch ein anderer Befund der Wissenschaftler. Anders als man vielleicht meinen würde, fahren Autofahrer in puncto Feinstaub nämlich keineswegs besser als Radfahrer. Ganz im Gegenteil: Gerade die Insassen geschlossener Fahrzeuge sind einer besonders hohen Feinstaub-Belastung ausgesetzt. Das liegt daran, dass fahrende Autos ein Vakuum erzeugen, das den Feinstaub ansaugt. Zusätzlich bläst auch noch die Belüftung Feinstaub in den Innenraum. Und dort bleibt er dann erst einmal. Radfahrer dagegen sind zwar oft hohen Kurzzeitbelastungen ausgesetzt, sobald die Feinstaubquelle, etwa ein Laster oder ein Moped, wieder weg ist, nimmt unmittelbar darauf auch die Feinstaub-Belastung ab.
Konsequenzen: Radfahrer weg vom Autoverkehr
Um hohe Feinstaub-Belastungen zu vermeiden, scheint es langfristig nur einen Weg zu geben: Der motorisierte Verkehr in den Innenstädten müsste drastisch reduziert werden. Dass das durchaus funktioniert, zeigt das Beispiel von Städten, die eine Innenstadtmaut eingeführt haben. In London etwa sank die Feinstaub-Belastung um sieben Prozent, seit dort die Autofahrer einen Bogen um die City machen oder hohe Gebühren zahlen müssen. Auch andere Konsequenzen werden diskutiert: Da vor allem die Distanz zur Feinstaubquelle entscheidend ist, würde es Sinn machen, Fahrradwege künftig abseits von stark befahrenen Straßen anzulegen und Routen durch Unterführungen und andere stark belastete Orte zu vermeiden. Und Zweitaktfahrer, die zu einer hohen Feinstaubbelastung beitragen, konsequent von den Radwegen zu verbannen.
Umwege fahren lohnt sich – vor allem für Kinder
Wer nicht erst auf autofreie Innenstädte und neue Fahrradwege warten, sondern sich jetzt schon vor hohen Feinstaubbelastungen schützen will, sollte Umwege in Kauf nehmen und statt Straßen mit hohem Verkehrsaufkommen möglichst ruhige Seitenstraßen benutzen, auch wenn das nicht immer der kürzeste Weg ist. Vor allem Eltern sollten das beherzigen, denn die Forscher stellten fest, dass die Feinstaub-Belastung in Bodennähe noch mal rund doppelt so hoch ist wie für einen Erwachsenen! Systematisch untersucht wurde das zwar bisher nicht, klar ist aber, dass gerade Kinder, etwa in Fahrrad-Anhängern, besonders von Feinstaub-Belastungen betroffen sind und daher besonders geschützt werden sollten.
Stand: 03.11.2015 14:28 Uhr