So., 07.06.09 | 17:10 Uhr
Das Erste
Fidschi – Die Farm der Korallen
Bedrohung durch Erderwärmung
Mehr als 330 Inseln gibt es in Fidschi, ausgedehnte Korallenriffe liegen zwischen ihnen. Das Inselreich im Südpazifik gilt als eines der besten Tauchreviere der Welt. Aber es hat die gleichen Probleme wie alle tropischen Korallenreviere: Die Riffe sterben, weil ihre Umwelt, das Meer, durch den Klimawandel immer wärmer wird.
Die rettende Idee
Der Meereswissenschaftler Austin Bowden-Kerby hat eine einzigartige Methode entwickelt, mit der er neue Korallenriffe unter Wasser anpflanzt. Die Fidschianer nennen ihn den "Korallengärtner". Den Schlüssel zu seiner Methode fand der 55jährige Ökologe im Regenwald, der hier stellenweise bis ans Meer reicht. Die Bäume wachsen auf uralten Korallenriffen, die durch tektonische Bewegungen aus dem Meer gehoben wurden. "Diese wundervollen Ökosysteme - Regenwald und Korallenriff - sind die vielfältigsten auf unserem Planeten", sagt Austin Bowden-Kerby. "Sie sind vollgepackt mit allen möglichen Arten. Der Grund für diese Artenvielfalt ist nicht der Wettbewerb sondern die Zusammenarbeit. In den kälteren Zonen, in denen Eiszeiten kommen und gehen, ist Wettbewerb der primäre Faktor fürs Überleben einer Art. Im Regenwald und am Riff ist es dagegen die Zusammenarbeit, die für den Erfolg ausschlaggebend ist."
Was ist eine Koralle?
Um die Zusammenarbeit der Meereslebewesen mit den Korallen zu verstehen, muss man wissen, wie eine Koralle funktioniert. "Was eigentlich ist eine Koralle?", fragt Austin. "Sie sieht aus wie kristalliner Stein. Sie ist auch ein Stein, sie ist hart, wenn ich drauftrete, zerschneide ich mir meine Füsse. Aber in Wirklichkeit ist es auch eine Pflanze. Die braune Farbe hier unten, das sind Algen. Und die brauchen das Sonnenlicht zum Wachsen", erklärt er. "Wenn man noch genauer hinschaut, sieht man kleine Löcher, in jedem Loch lebt ein kleines Tier, ein Polyp. Die Koralle wächst, indem diese kleinen Polypen unter sich Zement bzw. Calcium ausscheiden. Das ist also tatsächlich eine Kombination aus Stein, Pflanze und Tier. Die Pflanzen und Tiere lernen zusammenzuleben. Die Fische leben mit der Koralle. Wären die Fische nicht da, würde die Koralle eingehen."
Zuchterfolge
Es dauerte Jahre, bis es Austin gelang, aus kleinen Korallensetzlingen ganze Korallenbeete bzw. -bänke anzulegen. Überraschend war aber, dass die Setzlinge schon in wenigen Monaten zu richtigen Korallenbüscheln und schließlich zu einem gesunden Riff heranwuchsen. Die ausgewachsenen Korallenblöcke konnten entfernt und anderswo wieder angepflanzt werden.
Sieben neue Riffe sind so allein in Fidschi entstanden, ähnliche Projekte gibt es im benachbarten Samoa und in der Karibik.
Austin nennt das Aqua-Forstwirtschaft. Man könnte es auch Wieder-Korallisierung nennen oder Wiederaufforstung der Korallen. Es folgt den gleichen Prinzipien wie die Forstwirtschaft. Ein guter Förster kümmert sich um das Wohl seiner Setzlinge, sodass ständig neuer Wald nachwächst. Und er braucht Menschen, die solche natürlichen Wachstumskreisläufe verstehen und das Wissen weitergeben.
Unterstützung nötig
Die Fidschianer in den Dörfern an der Küste wissen Austins Arbeit zu schätzen, die neuen Riffe bescheren ihnen mehr Fische im Netz. Die Raubfische, die auf dem Markt verkauft werden, ernähren sich von den kleineren Korallenfischen, die wiederum an den Korallen knabbern. Ohne Korallen gibt es also keine Fische, sie stehen am untersten Ende der Nahrungskette im tropischen Meer. Das wissen die Fischer in Fidschi. Austin Bowden-Kerby fischt mittlerweile Menschen. Er holt die Kinder aus den Dörfern an der Küste, um ihnen das Korallenpflanzen beizubringen. Am Strand zeigt er ihnen, wie man aus alten Korallenbrocken und Zement Fischhäuser baut. Auf diese Behausungen pflanzt er Korallensetzlinge. Sie haben Schlupflöcher, in denen sich kleine Fische verstecken können. "Kinder sind unsere wichtigste Zielgruppe", sagt der Ökologe, "denn wir wollen Veränderungen in der nächsten Generation. Wir hoffen auf die Zukunft. Die Kinder sind unsere Versicherungs-Police dafür, dass sich das Leben verbessert, wenn sich das Bewusstsein verbessert."
Korallenretter der Zukunft
In der Lagune zeigt Austin den Kindern, wie sich früher installierte Fischhäuser entwickelt haben. Die Korallen sind ausgewachsen, Fische haben sich um sie angesiedelt. Auch die Kinder der Touristen zieht Austin Bowden-Kerby in seinen Bann. In einem Strandhotel veranstaltet er Korallenkurse. Zwar tragen die Gäste zur Klimakrise bei, weil sie aus aller Welt hierher fliegen. Aber vielleicht nehmen sie ja auch eine Erfahrung mit nach Hause, die zur Lösung des Problems beiträgt. "Wir wollen dass sich die Leute verändern", sagt Austin Bowden-Kerby, "dass sie Weltbürger werden und anfangen, sich um den Planeten zu kümmern."
Unermüdlich kümmert sich der Korallenförster um seine Biotope, damit die tropischen Korallenriffe wieder ein Refugium der Artenvielfalt werden können.
Autor: Ulli Weissbach (BR)
Stand: 17.09.2015 14:10 Uhr