So., 15.02.09 | 17:03 Uhr
Das Erste
Gefährliche Kräutermedizin
Bei einer kleinen Erkältung greift der Deutsche gern in seine Hausapotheke und spart sich den Weg zum Arzt. Salbeitee, Eukalyptussalbe und Co. Jeder hat da so sein eigenes kleines Arsenal. Und man kann mit den Naturheilmitteln ja auch gar nichts falsch machen. Laut einer repräsentativen Erhebung halten die meisten Deutschen die pflanzlichen Medikamente für harmlos - aber ist das wirklich so?
Ätherische Öle - Gefahr für Kinder
Seit Tagen hustet das Baby , bekommt kaum Schlaf. Zwar nur eine starke Erkältung - aber um ihm das Atmen etwas zu erleichtern, streicht die Mutter dem Kind ein paar Tropfen Pfefferminzöl auf die Lippen. Sekunden später beginnt das Baby zu röcheln, droht zu ersticken. Zum Glück reagiert die Mutter sofort und alarmiert den Notarzt.
Lebensgefahr durch harmlose Heilpflanzen? Prof. Frank Czubayko kennt solche Fälle. Der Pharmakologe von der Uni Marburg weiß: Viele Menschen unterschätzen die Gefahren solcher scheinbar harmlosen ätherischen Öle. "Wenn ein Kleinkind Minzöle einnimmt, kann es zu einem akuten Spasmus, also einem Krampf der Kehlkopfmuskulatur kommen, dabei verschließt sich die Luftröhre bis dahin, dass sie komplett verschlossen ist, und das ist ein lebensbedrohlicher Zustand."
Präparate mit Wirkung – und Nebenwirkung!
Für Kleinkinder ist Minzöl also tabu – doch einem Erwachsenen können solche pflanzlichen Heilmittel doch wohl kaum schaden, oder?
So denken in Deutschland viele: Was aus der Natur kommt, kann nicht schlecht sein. Heilpflanzen-Präparate sind seit Jahren im Aufwärts-Trend. Reformhäuser, Apotheken und Drogerien haben oft eigene Abteilungen für die Gesundheit aus der Natur. Es gibt sie meist ohne Rezept. Die meisten dieser Mittel lindern und heilen tatsächlich. Sie "wirken". Und genau da liegt das Problem.
Mediziner und Pharmakologe Prof. Frank Czubayko warnen davor, mit pflanzlichen Medikamenten sorglos umzugehen: "Sehr häufig finden Sie die Einstellung, dass diese Präparate unbedenklich sind und das sie sehr achtlos eingenommen werden, man muss hier generell betonen dass diese Präparate aktive Wirkstoffe haben, dass sie damit auch Nebenwirkungen auslösen, und damit gilt genau der gleiche sorgfältige Umgang wie mit anderen Medikamenten vorherrschen muss."
Falsche Dosierung
Gefahr droht, wenn Naturpräparate falsch dosiert oder zu lange eingenommen werden. Beispiel Baldrian: eigentlich ein bewährtes Mittel bei Nervosität und Schlafproblemen. Doch wer Baldrian wegen seiner vermeintlichen Harmlosigkeit höher dosiert als angegeben, dem kann ein böses Erwachen drohen – im wahrsten Sinne des Wortes.
Bei Überdosierung kann Baldrian zu Nierenproblemen, Bauchschmerzen und zittrigen Händen führen und Schlafprobleme sogar noch verschlimmern. Bierhefe hilft bei Hautproblemen. Wer aber meint "viel hilft viel" muss mit drastischen Nebenwirkungen rechnen, wie plötzlichen Migräneanfällen. Auch das allseits beliebte Johanniskraut hat seine "dunkle" Seite. Die gegen Depressionen eingenommene Pflanze steht unter dem Verdacht, bei falscher Einnahme extreme Nebenwirkungen zu entwickeln. Angefangen bei dauernder Müdigkeit, bis hin zu Halluzinationen und Psychosen.
Einnahmedauer begrenzen!
Doch selbst wenn man sich ganz genau an den Beipackzettel hält, kann die Einnahme pflanzlicher Heilmittel trotzdem noch gravierende Folgen haben: "Man kann nicht alle pflanzlichen Heilmittel unbedenklich über einen längeren Zeitraum einnehmen. Ein Beispiel wäre das Echinacea, das man zur Stärkung des Immunsystems für einige Wochen nehmen kann, wenn man das aber länger als sechs bis acht Wochen einnimmt, kann es hier aber bei einigen Patienten auch zur Schwächung des Immunsystems kommen."
Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln
Auch mit anderen Medikamenten vertragen sich manche pflanzlichen Mittel nicht. Johanniskraut steht laut einer schwedischen Studie im Verdacht, die Wirksamkeit der Pille aufzuheben. Problematisch sind auch Ginkopräparate, die gegen Demenzerkrankungen helfen sollen. Wird Ginko über längere Zeit zusammen mit Aspirin oder Rheumamitteln eingenommen, kann es zu spontanen Blutungen und Gerinnungsstörungen kommen. Außerdem kann Ginko den Abbau anderer Medikamente in der Leber verhindern. Im Extremfall droht totales Leberversagen!
Manche Heilpflanzen können eine Therapie sinnvoll ergänzen. Doch dem Rat "Fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker" sollte man unbedingt folgen.
"Kein Minzöl bei Kinderhusten" ist nur ein Beispiel. Aber auch, wer seinem Kind pflanzliche Hustenmittel geben möchte, sollte lieber genau hinschauen. Manche Präparate enthalten bis zu 49 Prozent Alkohol! Und sind damit nun wirklich nicht kindgerecht.
Autorin: Sabine Guth
Stand: 17.09.2015 13:55 Uhr