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Heilender Honig

Sein guter Ruf als Hausmittel bei Erkältungen eilt ihm voraus. Seit fast 2400 Jahre schwört man auf den Honig. Damals erklärte der Grieche Hippokrates ihn zum Allheilmittel.

Dr. Arne Simon, Mediziner der Krebsstation der Bonner Universitäts-Kinderklinik, sammelt seit einigen Jahren überwiegend positive Erfahrungen mit dem sogenannten medizinischen Honig.

Vor allem in der Wundversorgung nach Operationen wird der als Medizinprodukt zugelassene Honig in der Klinik eingesetzt. Denn was die Wundversorgung anbelangt, zählen seine kleinen Patienten zur Hochrisikogruppe: Medikamente gegen Krebs, die sogenannten Zytostatika, bremsen nicht nur die Vermehrung bösartiger Zellen, sondern stören auch die Wundheilung.

Wirksamer Bakterienkiller

"Normalerweise heilt eine Hautverletzung in einer Woche, bei den krebskranken Kindern dauert es oft einen Monat oder mehr", so Arne Simon. Gefährliche Wundkeime stören die Heilung. Die krebskranken Kinder haben zudem ein geschwächtes Immunsystem. Gelangt durch eine Wunde ein Krankheitskeim in ihre Blutbahn, kann daher eine tödliche Blutvergiftung die Folge sein. Darum müssen die Patienten regelmäßig mit Antibiotika versorgt werden, um die Keime abzutöten. Und das belastet den Körper zusätzlich. Durch den Einsatz des medizinischen Honigs konnte der Antibiotika-Einsatz extrem gesenkt werden, so die Ärzte. Sogar multiresistenten Keimen wie den sogenannten Krankenhauskeimen MRSA kann das Naturprodukt den Garaus machen.

Der Mix macht es

Der eingesetzte medizinische Honig besteht aus zwei verschiedenen Honigsorten aus Neuseeland und Australien. Der australische Honig enthält große Mengen an Wasserstoffperoxid, welches antiseptisch auf die Bakterien wirkt. Die Bienen setzen bei der Produktion des Honigs ein Enzym namens Glucose-Oxidase hinzu. Dieses Enzym sorgt dafür, dass aus dem Zucker im Honig permanent in kleinen Mengen das Wasserstoffperoxid entsteht. Doch das Problem ist: Das Wundwasser verdünnt diesen Honig mit der Zeit und so lässt die Wirkung schnell nach. Darum kommt zusätzlich der Honig einer neuseeländischen Baumgattung, dem Manuka-Teebaum, zum Einsatz. Dieser Honig wirkt besonders stark antibakteriell und das sogar noch in einer zehnprozentigen Verdünnung, so Dr. Arne Simon. Die genauen Wirkstoffe im neuseeländischen Honig waren bisher aber noch nicht eindeutig bekannt.

Methylglyoxal als Bakterienkiller?

Um zu klären, was genau im neuseeländischen Teebaum-Honig wirkt, haben ihn Dresdner Chemiker mit 100 einheimische Sorten verglichen und chemisch analysiert.

Das Ergebnis: Vor allem eine Substanz findet sich nur in dem Produkt, das vom neuseeländischen Manuka-Teebaum stammt, so der Lebensmittelchemiker Professor Thomas Henle, und zwar ein Zuckerabbauprodukt mit dem Namen Methylglyoxal. Die antibakterielle Wirkung hing scheinbar direkt mit dem Gehalt an Methylglyoxal zusammen. Das zeigten die mikrobiologischen Labortests. Aufgetragen auf Bakterienkulturen, tötet der neuseeländische Honig die Mikroben ab, bei einheimischen Honigarten konnte das Bakterienwachstum nicht gehemmt werden.

Mögliche Wirkmechanismen

Professor Thomas Henle vermutet zwei mögliche Wirkmechanismen – zum einen könnte Methylglyoxal die Bakterienzellwand zerstören – mit der Reaktion von bestimmten Eiweißstoffen - und zum anderen kann Methylglyoxal in den Energiestoffwechsel der Bakterien eingreifen und diesen regelrecht lahmlegen. Auf diese Art und Weise wird die Bakterienaktivität ausgeschaltet. Eine Resistenz gegen die Honigwirkstoffe, wie sie bei Antibiotika bekannt ist, konnten die Forscher nicht entdecken.

Eine Symbiose aus Bakterien und Teebaum

Die Bienen scheinen nichts mit der heilenden Substanz zu tun zu haben, so der Chemiker weiter. Methylglyoxal muss direkt aus dem Manuka-Teebaum stammen. Die Forscher vermuten, dass das Methylglyoxal in der Pflanze gebildet wird, abhängig von bestimmten Stresssituationen. Besonders wenn die Bäume sehr trocken stehen. Eine andere Möglichkeit wäre auch, dass Mikroorganismen, die in Symbiose mit den Pflanzen leben, Methylglyoxal bilden. Und dann dass dieses Methylglyoxal mit dem Nektar zusammen von den Bienen aufgesammelt und in den Honig abgegeben wird. Doch weitere Studien müssen das noch beweisen.

Der Naturstoff ist ein effektives Mittel bei der Behandlung von Wunden

Alle zwei Tage muss die Wundbehandlung mit dem medizinischen Honig durchgeführt werden. Und da zeigt das Naturprodukt seine weiteren Vorteile gegenüber der herkömmlichen Wundversorgung: Der Verbandswechsel bereitet den kleinen Patienten weniger Schmerzen, weil sich die Umschläge leicht entfernen lassen, ohne die neu gebildeten Hautschichten zu verletzen. Normalerweise riechen manche Wunden unangenehm - eine enorme Belastung für den Patienten, so die Mediziner. Der Honig hilft auch hier, indem er geruchsmindernd wirkt.

Erste klinische Studien viel versprechend

Mittlerweise nutzen zwei Dutzend Kliniken in Deutschland Honig in der Wundversorgung. Doch trotz aller Erfolge gibt es bislang nur sehr wenige belastbare klinische Studien zu seiner Wirksamkeit. Zusammen mit Kollegen aus Düsseldorf, Homburg und Berlin haben die Bonner Ärzte nun Abhilfe geschaffen. Sie haben Hunderte von Krankheitsverläufen dokumentiert und jetzt wird die Studie ausgewertet.
Die ersten Ergebnisse der Studie zeigen: Das Naturprodukt kann mit herkömmlichen Behandlungsmethoden scheinbar mühelos mithalten.

Adressen & Links

Dr. Arne Simon und Kai Sofka

Universitäts-Kinderklinik Bonn
Tel.: 02 28 - 287 - 3 32 54
E-Mail: asimon@ukb.uni-bonn.de

Prof. Dr. Thomas Henle

Institut für Lebensmittelchemie
Institute of Food Chemistry
Technische Universität Dresden
Bergstr. 66, Neubau
01062 Dresden
Tel.: 03 51 - 463 - 3 46 47
Fax: 03 51 - 463 - 3 41 38
E-Mail: Thomas.Henle@chemie.tu-dresden.de

Autor: Volker Ide

Stand: 10.11.2015 14:29 Uhr

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