So., 12.07.09 | 17:03 Uhr
Das Erste
Harvester: Wald unter Druck
Schwere Erntemaschinen, sogenannte Harvester, haben Deutschlands Wälder fest im Griff. Etwa jeder dritte Baum wird heute mit den tonnenschweren Maschinen gefällt. Der große Vorteil: Sie sind schnell, effektiv und machen die Waldarbeit sicherer. Aber sie sind umstritten. Umweltschützer kritisieren die Harvester und befürchten dauerhafte Schäden im Wald.
Alternative Bewirtschaftung
Der Förster Peter Wohlleben verzichtet in seinem Revier in der Eifel auf die schweren Maschinen. Er lässt Bäume mit der Motorsäge fällen und mit Pferden aus dem Wald ziehen. Wohlleben ist überzeugt davon, dass Harvester langfristig dem Wald schaden. Der Wald, sagt er, sei ein langsames Ökosystem, das "eigentlich gar keine Geschwindigkeit verträgt".
Spuren der Harvester
Ein für Deutschland bislang einmaliger Langzeitversuch hat die ökonomischen und ökologischen Folgeschäden der Erntemaschinen untersucht. Wissenschaftler der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft in Freising und der Technischen Universität München untersuchten sechs Jahre nach einem kontrollierten Harvester-Einsatz ein Waldstück bei Augsburg.
Dabei fanden sie heraus, dass fast jeder zweite Baum entlang der Fahrspur der Erntemaschinen verletzt war. So gut wie jede Verletzung führte dazu, dass Pilze ins Holz eindringen konnten – unabhängig davon, ob eine Erntemaschine mit Rädern oder mit Ketten eingesetzt wurde. Diese Pilze, der Hallimasch etwa oder eine Art des Wurzelschwamms, zersetzen das Holz und breiten sich von den verletzten Wurzeln in den Stamm aus. Im Computer-Tomograph zeigte sich, dass die Pilze bereits mehrere Meter den Stamm hinaufgewandert waren, als die Bäume untersucht wurden. Über Verwachsungen an den Wurzeln können sogar benachbarte, unverletzte Bäume infiziert werden. Um mehrere Prozent sinkt der Ertrag eines Waldstücks, wenn es zu solchen Pilzinfektionen entlang der Fahrspuren kommt. Vor allem die häufigste deutsche Baumart, die Fichte, ist besonders anfällig für Pilzinfektionen. Ein Mischwald, so die Schlussfolgerung der Wissenschaftler, käme mit den Schäden weitaus besser zu Recht.
Die Mischung macht’s
Auch Förster Peter Wohlleben, der auf Harvester verzichtet, baut seinen Wald konsequent zu einem Mischwald um. Das Argument, die Fichte bringe am meisten Ertrag, weil sie besonders schnell wachse, lässt er nicht gelten. Denn die Fichte bringe zwar Geld, aber auch nur, weil die Schäden durch Stürme und Borkenkäfer der Steuerzahler in Form von Wiederaufforstungen bezahle. Laubbäume, wie die Vogelbeere etwa, wachsen sogar schneller als die Fichte, meint Wohlleben, und bringen bis zu dreihundert Mal mehr Ertrag.
Zu schwer für den Boden
Mit einem Mischwald wäre aber nur ein Problem gelöst. Denn schwere Maschinen beschädigen nicht nur das Holz, sondern haben Auswirkungen auf das gesamte Ökosystem. Der Untergrund wird so stark verdichtet, dass Wasser und Luft oft nur noch unzureichend weitergeleitet werden können. Im schlimmsten Fall - bei den Maschinen mit Reifen, bei denen der Druck ungünstiger verteilt ist - bleiben nur noch fünf Prozent der ursprünglichen Leitfähigkeit erhalten. Auch nach Jahren ist nur eine geringe - oder in einigen Fällen sogar keine - natürliche Regeneration der Böden nachweisbar. Untersuchungen aus der Schweiz zeigen, dass sich unter dem Druck der Maschinen auch die Bakterien-Zusammensetzung im Boden verändert. Eine Folge: Mikroorganismen, die alte Wurzeln, Äste und Blätter zersetzen und dafür auf Sauerstoff angewiesen sind, werden weniger. Dem Waldboden fehlt so auf Dauer wertvoller Dünger. Das Problem verschärft sich noch, wenn auch noch Baumstümpfe und Restholz nicht mehr liegen bleiben und verrotten, sondern für Hackschnitzel und Pellets aus dem Wald geräumt werden.
Empfehlung der Forscher
Die Wissenschaftler der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft in Freising und der Technische Universität München empfehlen vor allem einen vorsichtigeren Umgang mit den schweren Erntemaschinen. Weniger Einsätze auf nassen und empfindlichen Böden etwa. Weniger Einsätze in Hanglagen, wo sie besonders viele Schäden anrichten. Und vor allem eine Beschränkung von Größe und Gewicht. Denn je größer und schwerer die Maschinen sind, desto größer sind die Schäden, die sie im Wald anrichten.
Förster als Naturschützer
Förster Peter Wohlleben hat sich in der Eifel für einen eigenen, naturnahen Weg der Waldbewirtschaftung entschieden. Und hofft, dass sein Beispiel einige Kollegen zum Umdenken bewegt: "Ich wollte schon als Sechsjähriger Naturschützer werden und habe dann den Beruf des Försters ergriffen, weil der meiner Meinung nach dem am nächsten kam. Ich habe aber dann mittlerweile festgestellt, dass ein klassischer Förster mehr oder weniger Plantagenbewirtschafter ist. Ich war einige Zeit relativ konfus und habe dann festgestellt, dass man Wälder in Deutschland sehr wohl bewirtschaften und das Holz nutzen und gleichzeitig die Naturschutzziele mit berücksichtigen kann."
Adressen & Links
Förster Peter Wohlleben stellt auf seiner Homepage seine Arbeit und seinen Wald vor:
www.peter-wohlleben.de
Die Homepage der Bayrischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft, auf der es Informationen über moderne Erntemethoden gibt:
www.lwf.bayern.de
Die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL (Schweiz) befasst sich mit der Nutzung und dem Schutz von Landschaften und Lebensräumen, sie hat die Untersuchungen des Waldbodens durchgeführt:
www.wsl.ch
Autor: Daniel Schwenk (BR)
Stand: 07.08.2015 12:12 Uhr