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Mensch Affe!

Schimpanse klettert an Seilen
Schimpanse klettert an Seilen. | Bild: SWR

Vorbereitungen für ein besonderes Experiment. Es geht darum, mehr über den Menschen und seine Evolution zu erfahren. Unterstützt wird das Projekt von Sina, einer Vertreterin unserer nächsten Verwandten. Keine andere Spezies steht dem Menschen biologisch näher als die Schimpansen. Was verbindet, und was trennt uns von ihnen, das soll hier geklärt werden. Der zweite im Bunde ist Oliver Sandrock. Er ist Paläontologe. Sein Forschungsgebiet ist die Entstehung des Menschen. Die erste große Verwandtschaftsfrage:

Stammt der Mensch vom Affen ab?

„Nein“ sagt Oliver „aber Sina und wir haben gemeinsame Vorfahren. Und aus denen entwickelten sich vor ein paar Millionen Jahren auf der einen Seite die heute lebenden Schimpansen und auf der anderen Seite wir: Homo sapiens. Aber vielleicht kann Sina, als unser nächster Verwandter, uns etwas über unsere Vorfahren erzählen.“

Sprache

Leichter gesagt als getan, denn wirklich erzählen können Schimpansen ja nicht. Trotz der fast 99prozentigen Verwandtschaft bleibt das Gespräch einseitig. Wir verdanken die Sprache einer bestimmten Lage von Zunge, dem weichen Gaumen und dem Kehlkopf. Hier entstehen viele Sprachlaute. Viel kleiner ist dieser Resonanzraum beim Schimpansen. Menschlich zu sprechen ist daher für unsere Verwandten unmöglich.

Aufrechter Gang

Sina ist von Kopf bis Fuß auf’s Klettern eingestellt. Ein großer Unterschied zu uns. Der „Greiffuß“ macht’s möglich. Die Füße unserer Urahnen sahen ganz ähnlich aus. Erst im Laufe von Millionen Jahren entwickelte sich eine flache Standfläche, die den aufrechten Gang unterstützt und die uns heute auf Schritt und Tritt begleitet. Warum Schimpansen nicht dauerhaft auf zwei Beinen gehen hat weitere Gründe. Wenn wir uns aufrichten, gerät die Wirbelsäule senkrecht unter die Mitte des Kopfes. Die Stabilität im Stehen wird dadurch unterstützt. Bei Schimpansen sieht das anders aus. Ihre Wirbelsäule setzt eher am Hinterkopf an und steht normalerweise in dieser schrägen Haltung.
Dasselbe gilt für die Form des Beckens. Der Bauchraum droht bei längerem aufrechtem Stehen nach vorne unten abzusacken. Beim Menschen dagegen werden durch die Beckenschaufeln die inneren Organe von unten abgefangen. Für uns ist auch längeres Stehen daher kein Problem. Auch die Form der Wirbelsäule ist entscheidend. Beim Menschen ist sie wie ein doppeltes S geschwungen. Bei Schimpansen ist sie gekrümmt. Für längeres Stehen ungeeignet.

Nahrungsvorlieben

Auch bei Tisch gibt es große Unterschiede zwischen den beiden. „Weißt Du, was der Unterschied ist?“ fragt Oliver Sina „Du bist Vegetarierin und ich esse Fleisch. Und Du isst im Normalfall kein Fleisch sondern Bananen, Nüsse und Orangen. Und was wir beide machen ist: Wir schmatzen. Du schmatzt nur lauter als ich.“
Der Mensch entwickelte im Laufe seiner Evolution die Technik des Fleisch-Bratens.
Eine Erfindung mit Vorteil. „Gebratenes Essen ist viel bekömmlicher als Rohkost. So kann die Energie dem Gehirn viel schneller zugeführt werden. Der Nachteil, den die Sina hat, ist, dass sie extrem lange verdauen muss.“ Fleischkonsum war möglicherweise ein Motor für unser Gehirnwachstum. Aber wie steht es mit jener großen Leistung, die wir als Kultur bezeichnen?

Kultur

Ist Kultur etwas typisch Menschliches? Unser Experiment soll das am Beispiel Malerei überprüfen. Sind unsere nächsten Verwandten wirklich kulturlos? Sina jedenfalls ist bei der Auswahl der Farben durchaus wählerisch. Und die Pinselführung ist auch nicht weniger professionell. Ist das, was hier geschieht, also nicht durchaus schon Kultur? „Na, über Kunst und Kultur kann man bekanntlich bis heute streiten,“ meint Oliver „aber mit dem Auftreten des Neandertalers sprechen wir von einer Kulturfähigkeit. Und erst seit dem Auftreten des anatomisch modernen Menschen, also von uns, sprechen wir von Kultur, wie wir sie heute definieren.“

Autor: Axel Wagner (SWR)

Stand: 06.11.2015 08:54 Uhr

Sendetermin

So., 30.08.09 | 16:00 Uhr
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