So., 09.08.09 | 17:03 Uhr
Das Erste
Richtig grillen!
Es war eine geniale Erfindung unserer Vorfahren! So genial, dass sie bis heute mit Wonne zelebriert wird. Manche Soziologen sprechen gar von Urinstinkten, die dabei ausgelebt werden können und so zum seelischen Gleichgewicht beitragen
Grillen ist nicht gesund!
Jedes Jahr brennen in Deutschland an die 100 Millionen Grillfeuer. Die Methode aus grauer Vorzeit beschert uns offenbar immer wieder höchsten Genuss. Aber von einem Genuss ohne Reue kann man offenbar nicht sprechen. Zumindest behaupten mahnende Stimmen jeden Sommer aufs Neue: Grillen schadet der Gesundheit! Doch in der Tat sind Ernährungs-Wissenschaftler in den letzten Jahren einigen unerwünschten Nebenprodukten zwischen Glut und Rost auf die Spur gekommen. In der archaischen Kochkunst steckt echtes Gefahrenpotenzial!
Ungewollte Neben"wirkungen"
Bei großer Hitze entstehen im Fleisch typische Aromen und Bräunungsstoffe. Dafür ist die sogenannte Maillard-Reaktion (chemisch) verantwortlich. Diese Maillard-Reaktion ist zum Beispiel auch dafür verantwortlich, dass in Pommes oder Backwaren Acrylamid entsteht. In stärkehaltigen Fleisch-Marinaden kann sich auf dem Grill ebenfalls Acrylamid bilden. Übrigens: In der Pfanne passiert bei hohen Temperaturen genau das gleiche. Zusätzlich kann hier auch in Panaden Acrylamid entstehen.
Im Inneren von gepökeltem Schinkenspeck, Kasseler oder (roter) Wurst bilden sich durch die Hitze Nitrosamine. Sie gelten als krebserregend.
Auch Fett oder Öl können schaden. Verbrennen sie in der Glut, entstehen durch Pyrolyse krebserregende polycyklische aromatische Kohlenwasserstoffe – kurz PAKs. Mit dem Rauch steigen sie auf und haften sich an das Fleisch.
Zwei Steaks = Eine Packung Zigaretten
All diese Substanzen nehmen wir auch bei anderen Gelegenheiten oder mit anderen Lebensmitteln auf. Acrylamid zum Beispiel mit Backwaren, Nitrosamine werden bei gepökelten Fleisch- und Wurstwaren auch in unserem Körper gebildet - durch unsere Magensäure. PAKs gelangen auch durch Obst und Gemüse oder durch Abgase und Zigarettenrauch in unseren Körper. Allerdings: Ein gut gebräuntes Steak (250 Gramm) transportiert ungefähr so viele krebserregende PAKs wie zehn Zigaretten.
Wissenschaftler haben aber noch eine andere Substanz im Grillfleisch entdeckt! Doch bislang nahm in der Öffentlichkeit keiner so recht Notiz von ihr. Eine schwedischen Forschergruppe bereitete bereits vor 15 Jahren verschiedenste Fleischsorten auf dem Grill und in der Pfanne zu. Hinterher analysierte sie, welche Schadstoffe entstanden und in welcher Menge. Neben den üblichen Verdächtigen fanden die Forscher auch jede Menge heterozyklische aromatische Amine, sogenannte HAA. Auch sie entstehen auf der Fleischoberfläche. Je heißer die Glut und je länger die Grillzeit, desto dunkler das Fleisch und - desto mehr HAA!
Schön durch? Lieber nicht!
Forscher am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg folgten der Spur dieser Schadstoffe. Im Rahmen der weltweit größten prospektiven Ernährungsstudie EPIC (European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition) initiierte Dr. Sabine Rohrmann einen eigenen Forschungsansatz. "Je stärker gebräunt das Fleisch ist, desto mehr heterocyclische aromatische Amine entstehen", sagt Rohrmann. "Im Tierversuch hat sich gezeigt, dass diese Aufnahme an heterocyclischen Aminen mit einem erhöhten Krebsrisiko einhergeht, besonders für Dickdarm-Krebs. Allerdings werden im Tierversuch bis zu tausendfach mehr heterocyclische Amine verabreicht, als wir Menschen wahrscheinlich mit der Nahrung aufnehmen. Für uns stellte sich also die Frage: Sind die Mengen, die wir mit der Nahrung aufnehmen, ebenfalls mit einem erhöhten Risiko für Dickdarmkrebs assoziiert?"
Für die Forschung an den Grill
Sabine Rohrmann zeigte knapp 4.500 Probanden Fotos von unterschiedlich gebräuntem Fleisch aus der schwedischen Studie. Die Probanden sollten angeben, wie sie ihr Fleisch verzehren - bei welchem Bräunungsgrad. Anhand der früheren Berechnungen der schwedischen Wissenschaftler konnte Rohrmann ebenfalls bestimmen, wie viel HAA ihre Probanden in der Regel zu sich nehmen. Im letzten Sommer untersuchte Rohrmann den Gesundheitszustand der Probanden, etwa 12 Jahre nach der Befragung. Das Ergebnis der Studie ist für die Wissenschaftlerin eindeutig: "Unsere Studie hat gezeigt, dass Personen, die eine hohe Aufnahme an heterocyclischen Aminen haben, ein etwa um 50 Prozent höheres Risiko haben, Vorstufen von Dickdarm-Krebs - sogenannte Adenome - zu entwickeln, als Personen, die aufgrund ihrer Zubereitungsmethoden für Fleisch, nur wenige heterocyclische Amine aufnehmen."
Auch Geflügel ist nicht unbedenklich!
Gefährlich scheint in dieser Hinsicht auch Hühnerfleisch zu sein. Obwohl alle Untersuchungen bisher nur beim Verzehr von 'rotem' Fleisch eine Gesundheitsgefährdung nahelegen. Aber bei weißem Geflügelfleisch kann sich bis zu 30 mal mehr HAA bilden als in Schweinefleisch oder Rindfleisch. Und ab 220 Grad noch mal mehr. Auf manchem Rost herrschen sogar Temperaturen von 300 Grad! Ob Geflügelfleisch in dieser Hinsicht jetzt auch als 'nicht gesund' eingestuft werden muss, ist noch nicht klar. Weitere Untersuchungen müssen folgen.
Das alles ist trotzdem kein Grund auf den Grillspaß zu verzichten. Zumindest solange zwei Tipps beherzigt werden:
- Weder Fett, Fleischsaft oder Marinade dürfen in die Glut! Alufolie oder Aluschalen verhindern das am einfachsten. So entstehen viel weniger PAKs. Oder das Grillgut wird indirekt gegrillt, also nicht direkt über der Glut! Das geht im Prinzip über jedem Grill. Einfach nur eine Hälfte mit Kohle voll machen. In die andere Hälfte eine hitzebeständige Schüssel mit Wasser geben und darüber das Fleisch auf den Rost legen. So tropft Marinade oder Fett nur ins Wasser und nicht in die Glut.
- Hitze reduzieren und schonend grillen! Zum Beispiel in einem Kugelgrill. Hier ist geringe Hitze notwendig und das Grillgut kann schonend gegart werden.
Oder man achtet einfach auf den Abstand zwischen Glut und Rost. Wenn er genügend groß ist, so dass das Fleisch zwar langsam gar aber nicht stark gebräunt wird, dann ist es richtig.
Und so wird das Grillfest wirklich zu einem reuelosen Genuss!
Adressen & Links
Informationen des Deutschen Krebsforschungstentrum zum Thema "Krebsrisiko aus Grill und Pfanne":
www.dkfz.de
Autor: Herbert Hackl (BR)
Stand: 12.08.2015 13:35 Uhr