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Richtig trinken!

Trinken hält das Gehirn fit – denn das Denkorgan braucht einen konstanten Wassergehalt. Aber es geht dabei nicht nur um eine bestimmte Menge pro Tag, sondern auch um den richtigen Zeitpunkt. Wer zu wenig und zur falschen Zeit trinkt, verringert seine geistige Leistungsfähigkeit - wir haben den Test gemacht und Freiwillige in der Sauna schwitzen lassen. Vorher und nachher ging es zum Denktest…

Wer richtig trinkt, denkt besser!

Schweiß auf der Stirn eines Mannes
Schweiß bei der Arbeit am Schreibtisch | Bild: WDR

Sommer, Sonne, heiße Tage: Die höheren Temperaturen verlangen dem Körper einiges ab. Um nicht zu überhitzen, läuft sein Kühlsystem auf Hochtouren. Das funktioniert vor allem über die Haut: Schweiß verdunstet und kühlt den Körper. Auch ohne körperliche Anstrengung verliert man durch Schwitzen jeden Tag gut einen halben Liter Wasser. Ist es heiß oder treibt man Sport, schwitzt man mehr. Außerdem geht noch mehr Flüssigkeit verloren: Wasser verdunstet über den Atem und es verlässt den Körper natürlich auch über den Urin - zusammen macht das gut zwei Liter am Tag.

Was macht Wasser im Körper?

Animation der Niere
Die Niere filtert ununterbrochen Blut | Bild: WDR

Der Stoffwechsel braucht ständig Wasser für viele Funktionen und Organe, auch im Schlaf. Wasser ist nicht nur Wärmeregulator, sondern auch Transport- und Lösungsmittel sowie flüssiger Baustein. Besonders wichtig ist Wasser für

  • das Blut: 90 Prozent Wasser
  • das Gehirn: 70 Prozent Wasser
  • die Nieren: Sie filtern etwa 180 Liter Blut täglich
  • die Muskeln: Wasser dient ihnen auch als Baustoff
  • die Leber: die Entgiftungszentrale funktioniert mit Wasser
  • die Haut: vor allem für die Schweißdrüsen
  • die Bandscheiben: Wasser sorgt für ihr Volumen.


Hunger ist länger zu ertragen als Durst: Hungern kann man Wochen bis Monate. Aber nach nur etwa vier bis sechs Tagen ohne Flüssigkeitszufuhr verdurstet ein Mensch. Bei hoher Außentemperatur, etwa in der Wüste, kann es auch schneller gehen. Auch ein Baby kann viel schneller verdursten - schon innerhalb von 48 Stunden.

Viele trinken falsch

Laut Experten ist ein schleichendes Flüssigkeitsdefizit sehr verbreitet, weil viele Menschen zu wenig trinken: Sogar ein Großteil der Deutschen, insbesondere auch der Kinder, liegen regelmäßig rund 20 Prozent unterhalb der optimalen Trinkmenge. Doch viele Menschen trinken nicht nur zu wenig, sondern auch nicht zur rechten Zeit: Nur zu den Mahlzeiten, oft erst abends, oder erst, wenn sie schon starken Durst verspüren. Das ist falsch, sagen Fachleute wie Günter Wagner, Ernährungswissenschaftler am Institut für Sporternährung e.V. in Bad Nauheim: "Viele glauben, dass sie sich das Wasser zu einem beliebigen Zeitpunkt zuführen können, zum Beispiel erst abends. Doch wer nicht tagsüber trinkt, und zwar regelmäßig, und auch dann, wenn er sich körperlich oder geistig anstrengen muss, der schwächt seine geistige Leistungsfähigkeit."

Im Alltag schnell Informationen verarbeiten

Der Ernährungsforscher hat sich schon seit Jahren auf das Thema Trinken spezialisiert und berät Sportler und andere Interessenten dazu, wie sie optimal trinken können. Zusammen mit Günter Wagner und dem Kognitionspsychologen Dr. Siegfried Lehrl hat W wie Wissen den Test gemacht: Wie wirkt sich Flüssigkeitsentzug auf die geistige Leistungsfähigkeit aus? An einem halben Tag verliert man durch den Atem, den Schweiß sowie Urin etwa einen Liter Wasser, auch wenn man nur am Schreibtisch sitzt. Diesen Verlust haben wir mit drei Saunagängen simuliert, in denen acht Freiwillige etwa einen Liter Wasser ausschwitzen sollten. Die jungen Männer und Frauen haben einen kleinen Denkparcours absolviert. Getestet wurden Merkspanne und Informationsverarbeitung – die Probanden mussten sich Silben und Zahlenreihen merken, Buchstabenreihen schnell lesen und aufschreiben. "Diese Aufgaben bilden insgesamt das ab, was man im Alltag so leisten muss – vor allem die Merkspanne und die Informationsgeschwindigkeit sind wichtig, weil sie bei komplexen Handlungen und Entscheidungen, etwa im Büro bei Besprechungen oder auch im Straßenverkehr, eine Rolle spielen", so der Psychologe Siegfried Lehrl.

Schwitzen für die Wissenschaft

Nach dem ersten Test bildeten die Probanden zwei Gruppen: Vier von ihnen sollten in der Sauna und in den Ruhepausen dazwischen trinken, die vier anderen nicht. Alle mussten insgesamt drei Saunagänge absolvieren, zuvor stiegen sie noch auf die Waage. Bei den Nicht-Trinkern sollte ein Kilo Gewichtsverlust anzeigen, dass sie tatsächlich einen Liter Flüssigkeit – durch Schweiß – verloren haben. Bei den Trinkern dagegen sollte das Körpergewicht konstant bleiben, was zeigt, dass sie den Flüssigkeitsverlust durch das Trinken ausgleichen konnten. Das funktionierte - tatsächlich verloren die Nicht-Trinker während des Tests innerhalb von eineinhalb Stunden mit drei Saunagängen alle über ein Kilo Gewicht.

Durst geht auf den Geist

Ergebnisgrafik 1
Die Trinker lagen deutlich vorne | Bild: WDR

Nach der Sauna wurde der Test mit denselben Aufgaben, aber anderen Inhalten wiederholt. Und tatsächlich zeigte sich ein deutlicher Unterschied: Diejenigen, die trinken durften, schnitten nach dem gemeinsamen Schwitzen um ganze 33 Prozent besser ab als diejenigen, die nicht trinken durften. "Das ist ein ganz deutlicher Unterschied, und dieses kleine Experiment ergibt damit das, was wir in großen Studien mit vielen Probanden schon wissenschaftlich bestätigt haben: Flüssigkeitsentzug vermindert die geistige Leistungsfähigkeit, vor allem Merkspanne und Informationsgeschwindigkeit – das, was Gehirnforscher den Arbeitsspeicher nennen", so Günter Wagner. "Und der ist im Alltag sehr wichtig, übrigens besonders auch für Studenten und Schüler, die viel lernen und sich geistig anstrengen müssen."

Nachschütten hilft nicht wirklich

Doch wer glaubt, er könne die richtige Wassermenge schnell nachschütten, liegt falsch: Zwei Stunden nach der Sauna haben die Experten ihre Denkaufgaben noch einmal allen Teilnehmern gestellt. In diesen zwei Stunden durften alle essen und trinken, was sie wollten. Die Nicht-Trinker hatten also die Chance, den Liter Flüssigkeit, den sie vorher in der Sauna verloren hatten, wieder aufzunehmen. Der Test aber ergab wieder einen deutlichen Vorsprung für diejenigen, die schon während der Sauna ständig Flüssigkeit aufnehmen konnten: 19 Prozent bessere Leistung bei den Denkaufgaben, lautet das Ergebnis. "Das zeigt, dass der Körper ein entstandenes Defizit nicht so schnell ausgleichen kann. Wer also glaubt, er braucht nur nachzutrinken und schon stimmt die Bilanz wieder, der muss berücksichtigen, dass die Erholung nach dem Defizit doch einige Zeit braucht. Das zeigt, dass man eben vor der Anstrengung, also vor dem Lernen oder vor dem Arbeitsmeeting im Büro trinken sollte – und nicht hinterher", so Günter Wagner.

So trinkt man richtig

Der Trink-Experte plädiert daher vor allem für das Frühstück mit Getränken, besonders für Schulkinder. Auch Studenten sollten am besten vor der Vorlesung oder währenddessen trinken, wenn es irgendwie geht: Eine andere Studie, die Wagner an der Universität Erlangen durchführte, ergab, dass Studenten, die während der Vorlesung trinken durften, mehr behielten und aufmerksamer und konzentrierter waren. Getrunken wurde bei den Versuchen übrigens immer nur Wasser – Powerdrinks sind gar nicht nötig. Aber drei Faustregeln sollte man beachten:

  • Menge: 1,5 bis etwa 2,5 Liter am Tag sollten es ungefähr sein, so lautet auch die offizielle Empfehlung der DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung).
  • Zeitpunkt: Kontinuierlich trinken, immer wieder in kleinen Mengen, nicht nur frühmorgens und dann erst wieder abends. Daher am besten das Wasser immer in Reichweite stehen haben. Vor geistigen Anstrengungen sollte man trinken, und möglichst auch währenddessen, damit das Gehirn immer optimal versorgt ist.
  • Wasser reicht: Ernährungsforscher Günter Wagner rät zu Mineralwasser mit Kalium und Natrium, das es dem Körper möglich macht, das Wasser zu binden. Einfaches Leitungswasser geht aber auch – schließlich ist es in Deutschland das am besten kontrollierte Lebensmittel überhaupt.

Adressen & Links

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. gibt Tipps fürs richtige Trinken:
www.dge.de

Autorin: Johanna Bayer (WDR)

Stand: 13.06.2014 14:49 Uhr

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