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Schweißfuß-Forschung

Schweißfußresistente Schuhe

In Zeiten, in denen etwa Schuhe aus ostasiatischer Produktion für wenige Euro zu haben sind, wollen die deutschen Schuhhersteller mit Qualität punkten. Mit einem "Antischweißfuß-Gütesiegel" wollen sie in Zukunft ihre Kunden dazu bringen, mehr Geld für Schuhe auszugeben, in denen man keine Stinkefüße bekommt. Denn die Materialien, aus denen Schuhe aber auch Strümpfe bestehen, können unerwünschte Aromen zur Entfaltung bringen oder eben ihre Entstehung hemmen, je nach Zusammensetzung.
Der "Schweißfußsensor", den Wissenschaftler aus Saarbrücken, Pirmasens und Hohenstein entwickeln, soll hier helfen, die richtige Kombination zu finden, denn wer mit Hilfe der neuen Fußgeruchsensoren seine Schuhe planen kann, hat einen klaren Vorteil. Und eine Firma, die Schuhe mit Innenfutter auf den Markt bringt, das Gerüche hemmt statt sie zu entfachen, hat die Nase vorn. Im Wettstreit mit dem Billigschuh liefert sie dem Kunden am Schuhregal ein gutes Argument, lieber ein paar Euro mehr auszugeben. Es geht für Schuhentwickler dabei also um das richtige Verhältnis von Produktionsaufwand und Effekt.

Vom Schwitzen und Stinken

"Problemzonen" der Füße
"Problemzonen" der Füße | Bild: SWR

Dabei ist Schwitzen normal. Schweiß ist wichtig und frischer Schweiß eigentlich geruchlos, denn er besteht zu 99 Prozent aus Wasser. Der Rest sind hauptsächlich Eiweiße sowie verschiedene Säuren, die für den Säureschutzmantel der Haut entscheidend sind.
Die Füße spielen in Sachen Schweiß eine Sonderrolle, denn hier hat der Mensch über 600 Schweißdrüsen pro Quadratzentimeter. Ähnlich viele sind es nur an den Handflächen und Achselhöhlen. Diese Menge ist ein Relikt aus der Zeit, als wir noch ohne Schuhe unterwegs waren und der Schweiß bei einer Flucht dafür sorgen sollte, die Füße griffig auf dem Untergrund zu halten. Daher reagieren die Füße, so wie die Handflächen, auch noch heute auf Stress – und werden feucht.

In Sachen Geruch wird es dann unangenehm, wenn Bakterien, die bei jedem Menschen auf der Haut zu finden sind, den Schweiß zersetzen. Dann entsteht der typische Schweißgeruch. Am Fuß ist dafür ein besonderes Bakterium verantwortlich. Der niederländische Forscher Bart Knols der Universität Wageningen vermutet, dass die Fette abbauende Bakterienart "Brevibacterium epidermis" diejenige Bakterienart sei, die für die größte Geruchsbelästigung verantwortlich ist. Bakteriell abgebaute Fettsäuren ergäben den charakteristischen Geruch. Der sehr geruchsintensive Limburger Käse reift etwa unter Zuhilfenahme des nah verwandten Bakteriums Brevibacterium linens.
Problematisch ist dann noch, dass unsere Füße die meiste Zeit in Socken und Schuhen stecken. Dadurch kann der Schweiß nicht mehr verdunsten und das Unheil nimmt seinen Lauf.

Wie misst man Gestank?

Prof. Andreas Schütze vom Lehrstuhl für Messtechnik an der Universität des Saarlandes hat sich auf intelligente Gas-Sensorsysteme aller Art spezialisiert. Diese elektronischen Sinnesorgane können alles Erdenkliche erfassen und messen, teilweise sogar genauer und vor allem objektiver als die menschlichen Vorbilder. Eingesetzt werden solche Kunstnasen etwa bei der Sprengstoffsuche, in Bergwerken oder Chemieanlagen. Das Prinzip ist immer gleich: Die Sensoren messen Partikel pro Lufteinheit. Ist ein Grenzwert überschritten, gibt’s Alarm. Beim Fuß- und Schuhgeruch ist das jedoch nicht so einfach. Hier zählt das individuelle menschliche Empfinden eben weitaus mehr.

Das Projekt "Schweißfußsensor", das die Saarbrücker Wissenschaftler mit Kollegen des Prüf- und Forschungsinstituts Pirmasens (PFI) und den Hohensteiner Instituten bearbeiten, ist dabei schon sehr ausgereift.
Eine Testkammer wird mit befeuchteter, synthetischer Luft durchströmt, um die Ausgasungen aus Schuhen/Strümpfen zum Gassensor zu leiten. Wenn die angesaugten Gasmoleküle dann auf eine spezielle, sensitive Schicht des Sensors treffen, ändert diese ihren elektrischen Widerstand, ein elektrisches Signal entsteht, das der Computer verarbeiten und in Werte fassen kann.

Alltagstest

Testläufer in Hohenstein
Testläufer in Hohenstein | Bild: SWR

Die Schweißfußforscher arbeiten gleichsam an der Quadratur des Geruchskreises. Wie schafft man eine technische Norm für so etwas Subjektives wie stinkende Schuhe?
Denn es gibt ein großes Problem. "Die Sensoren alleine können wir nicht dazu bringen zu unterscheiden, was ist guter Geruch und was ist schlechter Geruch", sagt Andreas Schütze, "die können nur auf verschiedene Gaskomponenten getrimmt werden. Dazu müssten wir wissen, woraus der schlechte Geruch besteht. Das ist aber eine zu komplexe Aufgabe. Und deswegen brauchen wir die menschliche Nase."
Am Forschungsinstitut Hohenstein haben sie daher den Part der "menschlichen Referenzierung" übernommen. Testgeher sind stundenlang mit jeweils unterschiedlichen Schuhen und unterschiedlichen Schuh-Socken-Kombinationen gelaufen. Ein simulierter Alltag, bei dem in den Schuhen kräftig geschwitzt wurde.

Nase rein und tief einatmen!

Nach der Tragezeit kommen Schuhe und Socken in geruchsneutrale Plastiktüten, um den Geruch zu konservieren und das jeweilige Aroma nicht zu verfälschen.
Freiwillige Testriecher stecken dann ihre Nasen tief in Schuhe und Socken und bewerten auf einer Skala von 1 bis 5, ob und wenn ja, wie stark ihre subjektive Geruchs-Schmerzgrenze unter- oder überschritten wird. Anhand dieser Angaben erarbeiten die Forscher eine Datenbank, die zeigt, welche Werte und Muster welcher Reaktion der echten Nasen entsprechen.

Dann geht es ans Trainieren der Kunstnasen. Die komplexen Signalmuster des Sensors vergleicht ein Computer mit den zuvor menschlich erfassten Gerüchen, und das ähnlichste Muster und die damit verbundene Geruchsbelastung werden angezeigt. Jedem abstrakten Wert des Gassensors bei einem bestimmten Schuh wird also das subjektive Empfinden der Testriecher bei exakt dem gleichen Schuh zugeordnet. So kann die Kunstnase sagen: Wenn ich diesen oder jenen Wert messe heißt das: Es stinkt!

Die Zukunft der Schweißfußforschung

Andreas Schütze und seine Gruppe arbeiten nun daran, ihre Geruchstest-Methode weiter zu optimieren. Das Ziel ist, das Verfahren soweit zu automatisieren, dass es eigenständig Messungen durchführt und sich dabei selbst optimiert. Das Potenzial des Verfahrens erschöpft sich dabei nicht in Schuhen und Strümpfen. Insbesondere auch Sportbekleidungshersteller sind Zielgruppe der Saarbrücker Messtechnik-Spezialisten: Neue Materialien für Funktionsunterwäsche lassen sich ebenso testen wie solche für Lauf- oder Skibekleidung. Die Anwendungsmöglichkeiten des Sensor-Systems reichen sogar noch weiter: bis hin zur Lebensmittelbranche. Es ist ein großer Markt, den die Saarbrücker Sensorspezialisten mit ihrer Forschung anvisieren. Etwa in zwei Jahren soll das Verfahren anwendungsreif sein. Sie können dann maßgeschneiderte Systeme mit Sensoren, Elektronik und Software für aussagekräftige Testläufe zur Verfügung stellen. Gute Aussichten also, dass in gar nicht mehr ferner Zukunft die ersten Schuhe und Strümpfe mit einem Anti-Schweißfuß-Gütesiegel in die Regale der Geschäfte kommen.

Adressen & Links

Homepage des Hohenstein Instituts, in dem Fachleute Gerüche erforschen.
www.hohenstein.de

Homepage des Prüf- und Forschungsinstituts Pirmasens, das sich auch mit dem Bereich Schuhtechnik und –klimakomfort befasst
www.pfi-pirmasens.de

Homepage des Lehrstuhls für Messtechnik Universität des Saarlandes
www.lmt.uni-saarland.de

Tipps und Hausmittel gegen Schweißfüße
jumk.de

Autor: Thomas Hillebrandt

Stand: 05.07.2013 10:35 Uhr

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