So., 15.11.09 | 17:03 Uhr
Das Erste
Tricks und Zauberei
Wie hat er das wieder gemacht? Wie hat sich die Flasche verdoppelt? Woher kommt das Glas Orangensaft? Zauberei ist eine der ältesten Formen der darstellenden Künste, doch auch Zauberer können die Gesetze der Natur nicht ändern, keine Menschen durchsägen oder Objekte auflösen. Sie haben es lediglich gelernt, das menschliche Gehirn auszutricksen, mit den Schwächen und Störungen der Wahrnehmung zu spielen. Diese informelle Recherche der Magier ist eine Schatzkiste für Neurologen, in die sie sich bisher eher scheuten hineinzugreifen.
Magicology – Zauberei im Labor
Einer der ersten, der es wagte, Zauberei wissenschaftlich zu untersuchen, ist der britische Psychologe Gustav Kuhn. Er gründete die „Magicology“, die Zauberwissenschaften, und untersucht, wie und warum sich das Gehirn täuschen lässt. Mit einem Eye Tracker misst er zum Beispiel die Augenbewegungen von Probanden, während er ihnen Zaubertricks vorführt. So wirft er mehrmals einen Ball in die Luft. Den letzten Wurf deutet er aber nur an. Den Ball verbirgt er in seiner Hand, dennoch verfolgt er das imaginäre Objekt mit seinen Kopf- und Augenbewegungen, ganz so, als ob er den Ball wieder in die Luft werfen würde. Die meisten Probanden glauben, dass sie den Ball bis zuletzt im Flug sehen und dass dieser in der Luft verschwinde.
Gustav Kuhn sieht anhand seiner Daten, dass die Probanden nur auf die Augen des Magiers achten. Er vermutet, dass Neuronen im hinteren Scheitellappen der Hirnrinde die angedeutete Bewegung als reale wahrnehmen. Schließlich gibt es eine kurze Verzögerung, bis die Signale vom Auge bis ins Bewusstsein gelangen. Bis zu 100 Millisekunden muss das Gehirn warten. Diese Lücke kompensiert das Gehirn, in dem es vorausdenkt. Diese Vorhersagen sind nötig, wenn schnelle Reaktionen gefragt sind – beim Sport, beim Autofahren. Zauberer aber nützen dies gezielt aus, um uns Dinge sehen zu lassen, die gar nicht vorhanden waren.
Wo entsteht die Welt neu, wenn ein Hase aus dem Zylinder hoppelt?
Wie erklärt sich das menschliche Gehirn die Welt neu, wenn Zauberer die Gesetze der Physik auf den Kopf stellen? Mit dieser Frage beschäftigt sich die Psychologin Amory Faber in ihrer Doktorarbeit. Sie misst Gehirnströme mehrerer Versuchspersonen. Sie will wissen, wie und wo im Gehirn die Welt neu entsteht, wenn die normalen Erklärungsmuster verletzt werden. Ihre Forschung ist noch nicht abgeschlossen. Die Ergebnisse versprechen weitere spannende Aufschlüsse über die Denkprozesse. Es könnte sein, dass der sogenannte Anteriore Cinguläre Cortex, eine Art Frühwarnsystem des Gehirns, eine Rolle spielt. Hier werden Umgebungssignale interpretiert und hier leitet das Gehirn bei Gefahr eine Verhaltensänderung ein. Besonders aktiv wird diese Gehirnregion, wenn es gilt Fehler zu korrigieren und schwierige Entscheidungen zu treffen. Sie macht uns auch optimistischer.
Für die Forscher ist die Zauberei nicht nur Spielerei – im Idealfall hoffen sie, damit Gehirnkrankheiten zu kurieren. Man denke nur an die Folgen von Hirnverletzungen, Hyperaktivität und Demenz. Vielleicht gelingt es den Forschern eines Tages mit den Methoden der Zauberer Patienten im positiven Sinn auszutricksen.
Adressen & Links
Informationen zum Werdegang des Zauberkünstlers gibt es auf der Website von Thomas Fraps:
www.thomasfraps.com
Autorin: Nicoletta Renz (BR)
Stand: 24.07.2015 12:32 Uhr