So., 04.10.09 | 17:03 Uhr
Das Erste
Viren im Meer
Im Meer leben mehr Viren als in jedem anderen Ökosystem. Mehr als eine Million Viren findet man in einem Milliliter Wasser. Biologe Willie Wilson erforscht solche Meeresviren am Bigelow Laboratory im US-Bundesstaat Maine, in dem ansonsten Algenwachstum und auch der Einfluss von Meeresströmungen auf das Weltklima untersucht werden.
Regelmäßig holt Wilson Wasserproben aus dem Meer. Sie werden so lange gefiltert bis er unter dem Mikroskop die Viren darin sichtbar machen kann. In einer einzigen Probe findet er dann Milliarden Viren, eine ungeheure Vielfalt: "Die meisten kennen wir nicht, und wir haben keine Ahnung, wen sie infizieren."
Im Meer sind Viren die "Guten"
Der Biologe entdeckte bereits mehrere Viren, die für uns sogar durchaus nützlich sein können, zum Beispiel für die Behandlung von mit Bakterien befallenen Hummern. Die Viren nutzen die Bakterien als Wirt und zerstören sie. Willie Wilson hofft, mit Hilfe dieser Viren eines Tages Antibiotika in der Hummer- und Krabbenzucht ersetzen zu können. Die Viren schalten die Bakterien aus, selbst wenn diese versuchen, den Angreifer durch schnelle Veränderungen im Erbgut abzuschütteln. "Mit Viren vermeidet man das Problem der Antibiotikaresistenz. Selbst wenn die Bakterien mutieren, entwickeln sich die Viren einfach mit", erklärt Wilson. So entstehen immer neue Viren, die man gegen die neuen Bakterien einsetzen kann.
Kontrolle für das Algenwachstum
Wilsons derzeitiges Lieblingsvirus trägt den Namen EhV86. Es hat sich auf mikroskopisch kleine Meeresalgen mit dem Namen Emiliana Huxleyi spezialisiert. Das Virus schlüpft zwischen den Kalkplättchen der Alge ins Zellinnere. Wie alle Viren zwingt auch EhV86 sein Opfer, das Viren-Erbgut wie am Fließband zu kopieren. Die Algenzelle produziert sehr viele Virenkopien, bevor sie abstirbt. Doch der Tod der Alge hat etwas Gutes: EhV86 und viele andere Meeresviren kontrollieren das Algenwachstum. "Wenn es keine Viren gäbe, würden die Weltmeere verstopfen. Die Bakterien und Algen würden einfach wachsen und wachsen, und am Ende hätte man einen Ozean voll Schlamm", erklärt Wilson. Viren sind also wichtiger Teil des ökologischen Gleichgewichts im Meer. Noch sind die Forscher allerdings weit davon entfernt, einen Überblick über ihre große Vielfalt und ihre noch unbekannten Lebensweisen zu besitzen.
Autorin: Freddie Röckenhaus (WDR)
Stand: 11.05.2012 13:02 Uhr