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Virenforscher im Dschungel

Blinder Passagier: Tödliches Virus

Quarantäne eines Krankenhauses
Quarantäne eines Krankenhauses | Bild: WDR/colourFIELD

Im März 2003 wird die Isolierstation der Frankfurter Universitätsklinik in Alarm versetzt. Im Körper eines Passagiers aus New York sind Erreger der tödlichen Lungenkrankheit SARS nach Deutschland gelangt. Kein Einzelfall. Im Jet-Zeitalter fliegen tödliche Viren in wenigen Stunden um die halbe Welt - im Körper von Infizierten, die noch gar nicht wissen, dass sie krank sind.
Die gefährlichsten Viren kommen fast immer aus den Tropen. Nirgendwo ist die Bevölkerung so bedroht von Zoonosen - von Viren, die von Tieren auf den Menschen übergehen - wie in tropischen Ländern. In Afrika etwa sprang vor rund 100 Jahren das HI-Virus von Schimpansen auf die Menschheit über, der Auslöser für Aids. Und eine Reihe neuer Viren nimmt bereits Anlauf.

Forschung in Zentralafrika

Forscher im Dschungel
Forscher im Dschungel | Bild: WDR/colourFIELD

Xavier Pourrut vom Medizinischen Forschungs-Zentrum in Gabun hat sich auf haemorrhagische Fieber spezialisiert, die ihre Opfer innerlich verbluten lassen. Er und seine Kollegen haben entdeckt, dass Ebola- und Marburg-Viren in afrikanischen Fledermäusen schlummern, ohne dass die Fledermäuse daran erkranken. Infiziert sich jedoch ein Affe oder ein Mensch mit Ebola, beginnt eine tödliche Epidemie, die Hollywood zum Kino-Hit "Outbreak" inspirierte. Xavier Pourrut: "Ebola ging schon oft durch die Medien. Und spätestens seit dem Film stellen sich Menschen die Frage: Könnte dieses Virus im Falle einer afrikanischen Epidemie nicht vielleicht doch auf Europa oder die USA übergreifen und dort eine katastrophale Epidemie auslösen?"

Seit Jahren ist Xavier nun schon auf der Jagd nach Fledermäusen. Und den Viren in ihrem Blut. Noch schlägt Ebola nur in entlegenen Regionen Afrikas zu. Und noch tötet es seine Opfer zu schnell, um sich weiter verbreiten zu können. Doch die Ausbruchswellen werden irgendwann die Millionenstädte Afrikas erreichen. In ein paar Flugstunden wären sie dann in Europa. Eine Therapie gegen Ebola gibt es nicht.

Arbeit unter Zeitdruck

Bei jeder Ebola oder Marburg Epidemie in Afrika fangen Xavier und seine Kollegen Fledermäuse im Umkreis des Ausbruchs - und analysieren Blut und Organe auf Viren und Antikörper. Xavier hofft, damit irgendwann Epidemien voraussagen und vor allem behandeln zu können. In jeder Trockenzeit etwa steigt die Gefahr eines Ausbruchs. Und damit auch das Risiko einer weltweiten Pandemie. AIDS hat genau so begonnen: Es war ein Virus, das vom Affen auf einige wenige Menschen übergegangen ist. Heute ist AIDS eine weltweite Pandemie mit Millionen von Infizierten.

Junge Seuche Ebola

Ebola-Virus
Ebola-Virus | Bild: WDR/colourFIELD

Im September 2007 schlägt Ebola im Kongo zu. Zunächst deutet alles auf eine Durchfall-Epidemie hin. Doch nach 80 Toten schrillen die Alarmglocken. Ärzte ohne Grenzen schickt die ersten Spezialisten und errichtet eine Isolierstation in Kampungo – 170 Kilometer von der Millionenstadt Kananga entfernt. Der Däne Christian Fabiansen ist der erste Mediziner vor Ort. Er hat viele Patienten, die sich bei der Pflege von bereits Erkrankten infiziert haben.
Ihre geröteten Augen deuten bereits auf eine beginnende Zerstörung der Blutgefäße. Durch Wunden oder die Schleimhäute sind die fadenförmigen Killer in ihr Blut gelangt - wie jedes Virus einzig und allein darauf programmiert, sich in bestimmten Zielzellen zu vermehren. Die Zielkoordinaten des winzigen, schleifenförmigen Ebola-Virus liegen ausgerechnet auf den Fresszellen des Immunsystems. Es zwingt die befallene Zelle, Myriaden von Virus-Kopien herzustellen. Und sie - als blinde Passagiere - in fast jeden Winkel des Körpers zu transportieren, bevor Ebola die Immunzelle schließlich killt - und damit das Abwehrsystem des Menschen auskontert.
Hunderttausende neuer Viren platzen bereits aus den befallenen Fresszellen. Überall im Körper der Patienten werden sie in den nächsten Tagen die Zellen zerstören, aus denen die Wände der Blutgefäße bestehen. Das Opfer verblutet damit innerlich. Die meisten der Patienten sterben.

Jedes Jahr attackiert mindestens ein neuer Krankheitserreger die Menschheit. Fast alle kommen von Tieren. HIV, Vogelgrippe, SARS und Ebola sind nur die bisher berühmtesten Zoonosen. Klima-Erwärmung und Umweltzerstörung zwingen Tierarten - und ihre Erreger - in neue Lebensräume auszuweichen. Noch nie war der Mensch einem solchen Ansturm von Viren ausgesetzt.

Autoren: Petra Höfer, Freddie Röckenhaus, Francesca D'Amicis

Stand: 11.05.2012 13:09 Uhr

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