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Westsahara – Die vergessene Wüste

Im Herbst 2007 startet eine Expedition in einen noch gänzlich unerforschten Teil der Westsahara: Der Botaniker Frank Darius, der Geograf Sven Oehm und der Geologe und Klimaforscher Stefan Kröpelin sind auf der Suche nach neuen Forschungsaufgaben.

Granit-Insel von Leshouat
Blick auf die Granit-Insel von Leshouat. | Bild: WDR

Stefan Kröpelin, Geoarchäologe der Uni Köln, führte selbst schon viele Expeditionen durch die Wüste. Nun vertraut er sich und seine Kollegen dem Sahrawi Bashir Mehdi und seinen Leuten an.

Bashir, der das Führungsfahrzeug steuert, ist ein exzellenter Kenner des Landes: Er kämpfte im Unabhängigkeitskrieg für die Polisario gegen Marokko und lebte lange in England. Seit dem Ende der Kämpfe im Jahr 1991 führt er Expeditionen. Er hat mit Stefan Kröpelin die Tour lange vorbereitet und schätzt dessen Erfahrungen aus mehr als drei Jahrzehnten Forschungsarbeit in der Sahara.

Reise mit besonderen Anforderungen

Das ehemals spanische Gebiet Westsahara reicht von Marokko knapp 800 Kilometer nach Süden. Seit 1975 ist der größere Teil von Marokko besetzt, abgeriegelt mit 1.200 Kilometer vermintem Wall. Die Forscher wollen nun im unbesetzten Teil bis zur Südgrenze vorstoßen - eine schwierige Strecke.

Die Tour in diesem unerforschten Teil der Westsahara fordert die deutschen Wissenschaftler heraus, wie Stefan Kröpelin beschreibt: "Die besondere Herausforderung dieser Reise war der Erfolgsdruck durch die Erwartungen einerseits des eigenen Instituts, andererseits der Sahrawis, die von uns, den Wissenschaftlern, für ihre Unterstützung auch handfeste Ergebnisse wie z. B. Erkenntnisse über ihre historischen Plätze oder Informationen über Wasserquellen erwarten."

Wissenschaftliche These soll widerlegt werden

Stefan Kröpelin will hier ein Klimaarchiv erarbeiten, das seine Aufsehen erregenden Forschungs-Ergebnisse aus der Nord-Ostsahara für die Westsahara ebenfalls bestätigt. Er tritt damit der bisher gängigen These der Klimaforschung entgegen, die aufgrund von Bohrkernen vor der Westafrikanischen Küste ein rasantes Austrocknen der Sahara innerhalb von Jahrzehnten annimmt.

In Ägypten, dem Sudan und dem Tschad erforscht Stefan Kroepelin seit vielen Jahren den Klimawandel. Für den Westen fehlten bisher die Angaben. Um das heutige Klimageschehen zu verstehen, ist jedoch gerade die Entwicklung der Wüsten von Bedeutung. Die elektronische Wetterstation, die die Expedition mitführt, liefert aktuelle Klimadaten.

Besiedlungsspuren in Leshouat

1.300 Kilometer südlich vom Startpunkt liegt Leshouat, ein zentrales Ziel der Expedition: eine Gruppe spektakulärer Inselberge aus Granit. Die Wissenschaftler hoffen, den Höhlen und Nischen Zeugnisse der Vergangenheit zu entlocken. Der Archäobotaniker entdeckt entsprechende Spuren: Holzkohle und Knochen sind erste Hinweise auf menschliche Besiedlung – vermutlich vor mehr als 6.000 Jahren. Zukünftige Forschung könnte hier einen ganzen Lebensraum rekonstruieren.

Ein Felsüberhang in circa 30 Metern Höhe zieht den Geologen magisch an. Oft finden sich an solchen Plätzen Besiedlungsspuren. Der Aufstieg lohnt sich: an den Wänden Felsbilder – verblasst in Jahrtausenden. Sie sind kaum noch im hellen Sonnenlicht zu erkennen. Auf den Fotos wird später ihre Botschaft klarer: hier gab es Savannentiere und gute Lebensbedingungen für Menschen. Die Reibschalen im Höhlenboden beweisen, dass hier sogar auch Getreide verarbeitet wurde.

Wahre Fundgrube auf Monolithen

Aber die Forscher wollen noch höher hinaus – auf den höchsten Monolithen von Leshouat. Der Aufstieg ist beschwerlich, jeder Fehltritt wäre ein Desaster. Solche Inselberge sind allerdings für alle Wissenschaftler spannend: Sie haben wie richtige Inseln ein eigenes Mikroklima, eine spezielle Vegetation und eine eigene Besiedlungsgeschichte. Die riskante Kletterei wird mit einzigartigen Ausblicken belohnt. Und beim Abstieg mit neuen Funden: Keramik mit Kammstichverzierung erzählt ebenfalls von einem prähistorischen Siedlungsplatz. Ein Dorado für künftige Archäologen.

Neues Forschungsgebiet

Aber die Erwartungen von Stefan Kröpelin an die Expedition haben sich noch nicht erfüllt. Er sucht nach einer Stelle für Bohrungen und Grabungen, die ihm sein erhofftes Klimaarchiv liefern.

Geograf Sven Oehm fertigt aus den Daten der Online-Navigation, die während der Fahrt gesammelt werden, dreidimensionale Karten. Ein Salzsee erregt die Neugier von Stefan Kröpelin. Nach drei Wochen erreicht die Expedition endlich diese Stelle.

Stefan Kröpelin beginnt sofort zu graben. Dem Forscher geben die urzeitlichen Seen Hinweise auf den Klima- und Landschaftswandel in der Westsahara: "Ich erwarte mir von unserer zukünftigen Arbeit besonders an dieser Sebhka ein ähnlich aufschlussreiches Klimaarchiv wie von meinen Arbeiten in der Nordostsahara. Die Ergebnisse werden meine These weiter belegen, dass die Sahara nicht aufgrund eines raschen Klimawandels sondern über einen Zeitraum von mehreren tausend Jahren allmählich ausgetrocknet ist und so die Menschen aus der ehemals grünen Savanne vertrieben hat."

Ein neuer Sonderforschungsbereich wird zurzeit von der deutschen Forschungsgemeinschaft begutachtet. Stefan Kröpelin hofft, schon bald seine Klimaforschung in der Westsahara intensiv aufnehmen zu können.

Autor: Wolfram Schiebener

Stand: 30.07.2015 11:43 Uhr

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