SENDETERMIN So., 22.03.09 | 17:03 Uhr | Das Erste

Wie genau sind Wettervorhersagen?

Die fast perfekte Überwachung

Wettervorhersage
Wettervorhersage für den 18. September 2006 | Bild: HR

Für die Wettervorhersage haben die Meteorologen weltweit mit einem Arsenal an Messinstrumenten ein feinmaschiges Beobachtungsnetz gespannt; für manches Unwetter ist es aber nicht feinmaschig genug.

Am 17. September 2006 ahnen die Zuschauer der Abendnachrichten noch nichts: "Zum Wetter: Richtung Westen sind noch Schauer oder Gewitter möglich; örtlich auch recht heftig; sonst ist es locker bewölkt oder klar und in der dunstigen Luft kann sich bis zum Morgen etwas Nebel bilden."

Doch dann kommt der Jahrhundert-Regen. Land unter im hessischen Dillenburg. Die Klinik wird überflutet, Keller laufen voll, Autos schwimmen davon.
"Das ging so schnell, da war nur noch das Motto, rette sich wer kann", erinnern sich Anwohner; "Das war der Wahnsinn."
In der Nacht auf den 18. September 2006 fällt so viel Regen wie sonst in zwei Monaten. Das Unwetter trifft die Stadt Dillenburg völlig unvorbereitet, denn es war nicht vorhergesagt. Wie konnte das passieren?

Ursachenforschung beim Deutschen Wetterdienst

Die falsche Vorhersage kam vom Deutschen Wetterdienst in Offenbach. An den 18. September 2006 erinnert sich Meteorologe Andreas Friedrich noch gut; für ihn ein Tag der Niederlage. Und er weiß, woran es lag.

"Das Problem: So ein Unwetter wie das in Dillenburg ist sehr kleinräumig; im Ortskern gibt's Überschwemmungen, 10 Kilometer weiter regnet es fast gar nicht.
Und wenn es jetzt um Dillenburg geht, dann sieht man, dass da kaum was vorhergesagt ist, das heißt wir hätten hier nach der Vorhersage eigentlich trockenes Wetter haben sollen und etwas weiter im Westen in Frankreich war ein Unwetter mit über 100 Litern vorhergesagt. Und das ist für uns Meteorologen das große Problem bei diesen Gewittern."

Das Arsenal der Wetterbeobachtung

Dabei haben die Meteorologen eine ganze Armada von Messinstrumenten.

An Land: 11.000 Boden- und Radarstationen
Im Wasser: 2.800 Schiffe und 750 Bojen
In der Luft: 3.000 Flugzeuge und 1.800 Wetterballone
Im All: 14 Satelliten

Ständig strömen Millionen Mess- und Beobachtungsdaten in die 45 Kilometer Glasfaserkabel der Schaltzentrale, die Großrechner wandeln sie um in Überwachungsbilder. Eine Stadt wie Dillenburg ist also x-fach im Visier.

Die Satelliten messen Bewölkung und Strahlung.
Die Radarstationen fangen Echos und Schallwellen ein.
Die Wetterballone ermitteln die Temperatur in verschiedenen Höhen.
Und die Bodenstationen erfassen den kompletten Ist-Zustand, überall auf der Welt.

"Wir brauchen diese Wetterbeobachtungen weltweit, um Vorhersagen für eine Woche in die Zukunft machen zu können", erklärt Meteorologe Friedrich, "zum Beispiel für einen Ort in Deutschland ist es entscheidend, dass man heute Beobachtungen hat aus der Antarktis oder aus Afrika."

Ein engmaschiges Beobachtungsnetz

Beobachtungsnetze
Verschiedene Beobachtungsnetze | Bild: HR

Überwachung weltweit, rund um die Uhr: Bei einem Beobachtungsnetz wie diesem kann selbst die CIA neidisch werden: Es hat nur 40 Kilometer Maschenweite!
In Europa ist das Überwachungsnetz sogar noch dichter: nur sieben Kilometer Maschenweite. Aber nicht dicht genug für den Jahrhundertregen von Dillenburg - der braute sich auf nur zwei Quadratkilometern zusammen.

"Es hatten sich starke Gewitterwolken gebildet", erinnert sich Meteorologe Friedrich, "und so eine Gewitterwolke hat sich dann rund um Dillenburg gestaut an den Berghängen. Es hat wahnsinnige Mengen geregnet und diese Regensumme hat sich über mehrere Stunden addiert, die Wolke kam praktisch nicht vom Fleck. Sie hat sich über Dillenburg immer wieder neu gebildet und dadurch gab es enorme Regenmengen innerhalb von wenigen Stunden in dieser Region."

Es wird nachgerüstet

Damit die Wetterforscher so einen Jahrhundertregen nicht wieder übersehen, haben sie nachgerüstet: für Deutschland und die Nachbarländer das Beobachtungsnetz auf 2,8 Kilometer Maschenweite zusammengezogen.

Der Großrechner wird 45 mal so leistungsfähig wie bisher: für Massen von Wahrscheinlichkeitsrechnungen, sogenannte Ensemblevorhersage.

"Die Ensemblevorhersage," erklärt der Meteorologe, "geht von einem Anfangszustand aus, den variiert man etwas, man lässt dann den Computer diese Vorhersage 20 oder 40 mal rechnen und hat dann das Ergebnis, dass man die Wahrscheinlichkeit für so ein Wetterereignis besser abschätzen kann, das heißt man sieht dann nach 24 Stunden, in welchem Bereich sich diese Vorhersagen bewegen."

Die Grenzen der Wettervorhersage: das Chaosprinzip

Die neuen Vorhersagen aus dem Großrechner sagen nicht nur, ob es regnet oder nicht, sondern auch, mit welcher Wahrscheinlichkeit wie viel Regen fällt. Daneben liegen können sie aber immer noch. Denn schon ein Schmetterlingsschlag am anderen Ende der Welt kann die ganze Vorhersage durcheinander bringen.

"Da ist das Wetter einfach zu chaotisch," gesteht Friedrich ein; "selbst wenn wir alles ideal überwachen und beobachten, das geht uns dann durch dieses Chaosprinzip durch die Lappen."

Unvorhergesehene Jahrhundertregen wird es also weiterhin geben. Die Stadt Dillenburg trifft es laut Wahrscheinlichkeitsrechnung aber nur einmal in 600 Jahren.

Adressen & Links

Deutscher Wetterdienst
Frankfurter Straße 135
63067 Offenbach
Tel.: (069) 80 62-0
Fax: (069) 80 62-4484
E-Mail: info(at)dwd.de
Internet: www.dwd.de

Das Jahrhundert-Unwetter von Dillenburg richtete einen Schäden in Millionenhöhe an. (Nachrichten-Sendung des Hessischen Fernsehens vom 18.09.06)
www.hr-online.de

Autorin: Bettina Oberhauser

Stand: 17.09.2015 14:13 Uhr

Sendetermin

So., 22.03.09 | 17:03 Uhr
Das Erste

Sprungmarken zur Textstelle