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Wie viel Affe steckt im Menschen?

Unsere "Vorfahren": Weißbüscheläffchen

Weißbüscheläffchen
Weißbüscheläffchen | Bild: dpa

Weißbüscheläffchen: Sie sind klein, niedlich und ziemlich umtriebig. Was haben sie mit uns Menschen zu tun? Nichts. Das dachte man jedenfalls. Doch nun scheint es, als ob die Äffchen in gewisser Weise sogar unsere Vorfahren sind. Auf den ersten Blick scheint dies absurd! Der moderne Mensch beherrscht die kompliziertesten Techniken und Werkzeuge. Und verfügt über eine ausgefeilte Sprache. Diese Hochkultur verdanken wir unseren Vorfahren, den Frühmenschen. Sie haben diese Fähigkeiten durch Lernen und Weitergeben nach und nach entwickelt. Im Gegensatz zum Menschenaffen, der vergleichsweise primitiv blieb. Steckt also überhaupt noch ein Quäntchen Affe in uns Menschen?

Orang-Utans: Lernende Handwerker

Orang-Utan-Baby
Orang-Utan-Baby | Bild: HR

Eine Frage, die den Primatenforscher Carel van Schaik schon lange fasziniert. Bislang war klar: Lernen und Weitergeben kommt allenfalls bei Schimpansen vor. Doch van Schaik machte eine eigenartige Entdeckung: In einem abgelegenen Teil Indonesiens traf er Orang-Utans, die etwas konnten, was Orang-Utans eigentlich nicht können: Sie benutzten – etwa zum Öffnen von Früchten - Werkzeuge. Affenforscher van Schaik: "Wie wissen wir jetzt, wie sie das lösen? Das lernen sie voneinander. Sie schauen es ab. Das bedeutet, dass das jemand mal erfunden hat und es dann immer weitergegeben worden ist durch Imitation, durch Abschauen."

Eine weitreichende Entdeckung. Denn damit konnte erstmals nachgewiesen werden, dass soziales Lernen keine Errungenschaft unserer menschlichen Vorfahren war, sondern schon von Affen allgemein beherrscht wird. Der Unterschied zwischen Affe und Mensch - er ist viel geringer als wir bislang dachten!

Hirngröße als limitierender Faktor

Doch wie steht es um komplexe intellektuelle Leistungen wie Schreiben und Rechnen? Keine Frage: Hier ist der Unterschied zwischen Mensch und Menschenaffe ganz offensichtlich und eklatant. Die Erklärung dafür scheint zunächst simpel: Die Basis unser Intelligenz, das menschliche Gehirn, ist mit 1.300 Kubikzentimetern mehr als doppelt so groß wie das größte Gehirn der größten Affen. Doch warum entwickelte es sich bei ihnen nicht ebenso weiter wie beim Menschen? Heute weiß man: Je größer die Gehirne der Menschenaffen sind, umso seltener pflanzen sie sich fort. Carel van Schaik: "Bei den Orang-Utans sind es jetzt bereits bis zu neun Jahre. Das bedeutet, dass sie es sich nicht leisten können, dass die Gehirne jetzt noch größer werden. Wenn die Geburtsintervalle noch größer werden, würde die Population einfach aussterben."
Aber: Wie schaffte es der Mensch dann, ein großes Gehirn zu entwickeln und trotzdem nicht auszusterben?

Sozialverhalten als Fortpflanzungsmotor

Menschliche Familie
Opa spielt mit Enkel | Bild: HR

Die gängige Erklärung lautete bisher: Nach der Geburt ihres Menschenkindes muss die Mutter – im Gegensatz zum Affen – das Kind nicht allein aufziehen, sondern wird unterstützt von der ganzen Sippe. Sie wird dadurch entlastet und kann viel schneller wieder neue Kinder bekommen. Und dieses soziale Verhalten des Menschen gab dem einzelnen Individuum auch mehr Zeit, um zu lernen und sein Wissen zu vermehren. Sind also Arbeitsteilung in der Gruppe und selbstloses, soziales Verhalten des Einzelnen Grund für den Riesenerfolg des Menschen? Unterscheidet wenigstens das uns vom Affen? Fest stand: Affen helfen anderen nur, wenn sie einen offensichtlichen Vorteil davon haben. Das dachte auch Carel van Schaik, bis er sich intensiver mit Weißbüscheläffchen beschäftigte – und Erstaunliches feststellte.

Selbstlose Äffchen

Die kleinen Äffchen verhalten sich geradezu selbstlos, wie ein Test zeigte. Ein Weißbüscheläffchen bekommt einen leckeren Wurm in eine Schale gelegt. Das Problem: Es kommt nicht dran. Ein zweites Äffchen aber könnte ihm den Wurm durch Ziehen an seiner Lade näher heranholen. Es hätte zwar keinen Vorteil dadurch, würde seinem Kollegen aber einen großen Gefallen tun. Kein normaler Affe würde das tun. Aber der Weißbüschelaffe tut es. Und nicht nur einmal, sondern immer wieder. Und noch etwas Erstaunliches fand man heraus: Im Gegensatz zu allen anderen Menschenaffen ziehen Weißbüschelaffen ihre Jungen gemeinsam in der Familie groß.

Steckt also eine Menge Weißbüschelaffe in uns Menschen? Stammen wir wirklich auch von diesen Tieren ab? Carel van Schaik: "Ja, das könnte man schon sagen. Wir sagen immer: Wir sind eine Kombination aus Weißbüscheläffchen und Menschenaffe. Und die Elemente der gemeinsamen Jungenaufzucht sind bei diesen schlauen und hirngroßen Menschenaffen dazugekommen und haben Menschen produziert."

Unser Fazit: Vielleicht hat ein Zweig der Menschenaffen vor Urzeiten den Weißbüschelaffen genau zugeschaut und so gelernt, wie man sich vom Affen zum Menschen entwickeln kann…

Adressen & Links

Homepage des Anthropologischen Instituts der Universiät Zürich. Hier lehrt Professor Schaik.
www.aim.uzh.ch

Autor: Stefan Venator (HR)

Stand: 11.05.2012 13:00 Uhr

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