So., 17.01.10 | 17:03 Uhr
Das Erste
10 Jahre nach "Lothar"
Der "Jahrhundertsturm" Lothar
Orkan Lothar fegte am zweiten Weihnachtsfeiertag 1999 mit Spitzenböen von über 200 km/h über Frankreich, die Schweiz und Südwestdeutschland hinweg. Der gewaltige Sturm forderte über 100 Todesopfer. Versicherungen schätzen die volkswirtschaftlichen Schäden europaweit auf mehr als elf Milliarden Euro. Lothar traf die Bewohner der Bretagne und Normandie völlig unvorbereitet, noch im Schlaf, forderte erste Menschenleben, hinterließ zerstörte Landstriche, Dörfer und Städte. Auf seinem Weg nach Paris übertraf Lothar bereits alle Wetterdaten, die man von Orkantiefs über Kontinentaleuropa kannte. Ein wahrer Albtraum zog über die Metropole hinweg, hinterließ ein Desaster, traumatisierte Menschen. Der Verkehr brach zusammen.
Die meisten Todesopfer forderte Lothar auf seinem Sturmlauf durch Frankreich. Eine 300 Kilometer breite Schneise der Verwüstung von der Bretagne bis in die Vogesen. Lothar mähte ganze Wälder nieder. Europaweit wurden 200 Millionen Festmeter Holz umgerissen. Kaum sechs Stunden nachdem Lothar die französische Küste erreicht hatte, überschritt er die Grenze nach Deutschland. 17 der über 100 Todesopfer kamen im Südwesten unseres Landes ums Leben: von Dachziegeln getroffen, in ihren Autos begraben, erschlagen von Bäumen.
Winterstürme und Klimawandel verändern den Wald
Für den Wald ist ein Sturm in der Größenordnung von Lothar besonders folgenschwer. Sein Wiederaufbau ist nicht nur eine Frage des Geldes, sondern vor allem eine Frage der Zeit. Alte Baumbestände, über Jahrhunderte hinweg gewachsen, sind durch ihren Wert so etwas wie die "Rentenkasse" der Waldbauern. Ein Grund für die Sturmanfälligkeit des Waldes sind die zunehmenden Windgeschwindigkeiten der Stürme, ein anderer ist der Zustand des Waldes selbst.
Seit Jahrzehnten greift der Mensch ins Ökosystem ein. Der Wald ist ein Wirtschaftsfaktor, der bestimmte Funktionen erfüllen muss. Er soll Holz liefern, die Luft und das Wasser rein halten, aber auch der Erholung dienen und Tieren und Pflanzen einen gesunden Lebensraum bieten. Verschiedenste Funktionen, die in Zeiten des Klimawandels immer schwerer unter einen Hut zu bringen sind. Soll der Wald seine Schutzfunktion für Mensch und Natur weiterhin erfüllen, müssen große Gebiete umgestaltet werden.
Der Wald der Zukunft
Nicht nur monotone Fichtenkulturen, sondern auch vitale Mischwälder wurden ein Opfer von Orkan Lothar. In Friesenheim am Rande des mittleren Schwarzwalds waren die naturnahen Gemeindewälder mit bis zu 300 Jahre alten Bäumen vor dem Sturm der ganze Stolz der Friesenheimer Bürger. Durch Lothar ging hier 1999 ein Drittel der Waldfläche und fünfzig Prozent des Holzvorrates verloren. Seither wurde der Wald konsequent zu einem artenreicheren Mischwald umgebaut.
Zehn Jahre nach Lothar sind die 450 Hektar Kahlflächen wieder geschlossen. Die Friesenheimer Wälder mit Eichen, Buchen, Kastanien und Wildkirschen haben Modellcharakter: Für mehr als vier Millionen Euro wurde ein zukunftsfähiger Wald geschaffen, angepasst an die veränderten Bedingungen des Klimawandels. Gefordert sind Baumarten, die den Folgen des Klimawandels gewachsen sind: Extremen Niederschläge, durchfeuchteten Böden sowie ausbleibenden Bodenfrösten. Dazu kommen im Sommer lange Trockenperioden. Die schnell wachsende Fichte, der "Brotbaum" der Holzwirtschaft, wird in Zeiten des Klimawandels mehr und mehr aus unseren Wäldern verschwinden.
Der Kahlschlag hat auch Positives gebracht: Der Wald, der nun heranwächst ist robuster und damit besser für den Klimawandel gewappnet, als die riesigen Fichten-Monokulturen der alten Tage. Es wächst ein anderer, artenreicher Wald heran..
Der dunkle Tann des Schwarzwaldes hat sich gelichtet...
Adressen & Links
Auf der Website gibt es detaillierte Informationen über alles, was mit Wald- und Forstmanagement zu tun hat ins Netz. Vier Forschungsanstalten, unter anderem die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt BaWü, haben hier ihr Wissen zusammengetragen.
www.waldwissen.net
Auf der Website kann man sich aktuell über Unwetterwarnungen informieren. Hier fließen die Daten aller europäischen Wetterdienste zusammen. Gewarnt wird vor Extremwetterereignissen wie Starkregen, Hochwasser, Gewitter, und Sturm.
www.meteoalarm.eu
Auf der privaten Webseite des Berufsmeteorologen Thomas Sävert findet sich unter "Winterstürme" eine lückenlose Dokumentation aller Stürme, die Deutschland in den letzten Jahren heimgesucht haben. Ergänzt durch eine riesige Link-Sammlung zu Fernseh- und Zeitungsberichten über die Sturmkatastrophen. Außerdem liefert die Seite wissenschaftliche Daten, wie die Sturmdokumentationen der Münchner Rückversicherung. Satellitenbilder und genaue meteorologische Rekonstruktionen der Stürme.
www.naturgewalten.de
Auf der Website des Naturschutzzentrums Ruhestein kann man eine Broschüre über den Lotharpfad herunterladen. Ein Naturerlebnispfad durch eine Sturmwurffläche, die seit dem Orkan Lothar 1999 sich selbst überlassen wurde. Neben Bildern der von Lothar verwüsteten Waldfläche informiert die Seite darüber, wie sich der Bannwald seither verändert hat.
www.naturschutzzentren-bw.de
Autoren: Willy Meyer/Pia Grzsiak (SWR)
Stand: 15.07.2015 13:59 Uhr