So., 21.11.10 | 17:03 Uhr
Das Erste
Bettwanzen-Alarm
Die Rückkehr der kleinen Blutsauger
Luxushotels, Unterwäscheboutiquen und die UNO in New York: Weltweit tauchen die Bettwanzen wieder auf. Die Gründe: unsere Reisefreudigkeit und wirkungslose Insektizide.
Für 40 Euro nach London, für 35 Euro nach Madrid oder einmal kurz über das Wochenende nach New York. Städtereisen sind beliebt. Die Hotels gut belegt. Doch unsere Reisefreudigkeit hat auch ihre Schattenseite. Bettwanzen nisten sich als blinde Passagiere in unserem Gepäck ein und kehren mit in die Heimat zurück. "Wir beobachten ein stetiges Ansteigen des Bettwanzen-Problems und zwar nicht nur in Deutschland, sondern offensichtlich weltweit. Die Berichte kommen aus den USA, aus Südosteuropa, von überall her", sagt Dr. Jutta Klasen vom Umweltbundesamt in Berlin.
Resistente Stämme - viele überleben trotz Gift
Bis vor kurzem galten Bettwanzen in Westeuropa und Nordamerika nahezu als ausgerottet, denn in den fünfziger Jahren bekämpfte man Bettwanzen erfolgreich mit DDT und Lindan. Beide Chemikalien sind extrem giftig – auch für den Menschen. Heute sind sanftere Insektizide im Einsatz: die Pyrethroide. Doch die Forscher beobachten Genmutationen und stoßen immer öfter auf resistente Stämme. Es gibt Bettwanzen, die überleben mehr als die 250fache Dosis des ehemals tödlichen Giftes. "Das Problem ist, dass wir keine Ausweichwirkstoffe haben", sagt Jutta Klasen, "die Situation ist in der Tat schwierig."
Bettwanzen sind Hungerkünstler
Bettwanzen können bis zu 40 Wochen ohne Nahrung auskommen. Sie leben in Kolonien und werden nachts aktiv – meist zwischen zwei und fünf in der Früh. Sie ernähren sich ausschließlich von Blut. Sie brauchen je eine Mahlzeit, um sich weiterzuentwickeln, um zu wachsen, sich zu verpuppen und um Eier abzulegen. Sie übertragen keine Krankheiten, aber ihre Stiche können sehr unangenehm sein und allergische Reaktionen auslösen: An der Einstichstelle entstehen meist Quaddeln. Es gibt aber auch Menschen, die reagieren mit einem Schock und Herz-Kreislauf-Problemen. In der Regel halten sich die kleinen Parasiten in der Nähe ihrer Wirte auf. Sie nisten vorzugsweise in Bettgestellen, unter Matratzen, unter der Tapete, hinter Bodenleisten oder auch in Sesselritzen. Bettwanzen sind fast blind. Sie verständigen sich über Duftstoffe. Bei Gefahr erhöhen sie die Dosis und sondern einen bitter-süßlichen Mandelgeruch ab. Und sie lieben es warm. Deshalb zieht sie auch verschwitzte Wäsche an und sie kriechen ins Reisegepäck, in dem sie dann von Hotel zu Hotel und manchmal auch ins traute Heim reisen.
Madox – Europas erster Bettwanzenspürhund
Bettwanzen sind immer ein Fall für den Kammerjäger. Sie kennen die Verstecke. Aber die Suche nach den Nestern ist oftmals sehr zeitaufwendig, vor allem bei größeren Objekten wie Hotels. Hier hilft Madox aus Nürnberg weiter. Der belgische Schäferhund ist der erste Bettwanzenspürhund in Europa. Er arbeitet genauso wie die Drogen- und Sprengstoffspürhunde bei der Polizei. Da die Bettwanzen einen bitter-süßen Mandelgeruch aussondern, den sogar wir Menschen riechen können, ist es für ihn ein leichtes, die Verstecke der Parasiten aufzuspüren. W wie Wissen hat Madox getestet und tote Wanzen in einem Hotelzimmer versteckt. Alle vier Proben hat Madox innerhalb weniger Minuten sicher aufgespürt. "Ich bezweifle aber, dass man diese Methode flächendeckend in Deutschland oder gar auch weltweit einsetzen kann. Zumal diese Hunde auch sehr teure und speziell ausgebildete Tiere sind. Aber es ist durchaus eine Möglichkeit in Problemobjekten Wanzen aufzuspüren.", sagt Jutta Klasen vom Umweltbundesamt.
Gift und Hitze hilft
Bei einem Bettwanzenbefall sollte man auf jeden Fall immer einen Kammerjäger rufen. Die Schädlingsbekämpfer besprühen die Nester mit einem Kontaktinsektizid. Damit auch die Larven und Eier abgetötet werden, muss die Behandlung über einen längeren Zeitraum bis zu dreimal wiederholt werden. Eine teure Alternative zum Gift ist Hitze. Der befallene Raum wird mit einem Spezialofen zwei Tage lang auf über 50 Grad Celsius aufgeheizt. Die hohe Temperatur zerstört die Eiweißverbindungen der Parasiten. Die Bettwanzen, ihre Eier und Larven werden in ihren Verstecken quasi gekocht. Die sicherste Methode ist aber nach wie vor die Vorbeugung. Jutta Klasen vom Umweltbundesamt empfiehlt: "Ich gebe immer den Tipp das Bett, in dem man schlafen möchte, sich vorher einmal anzuschauen, auch einmal unter die Matratze zu schauen, sich das Bettgestell einmal genauer angucken, ob man spezifische Spuren findet, zum Beispiel Wanzenkot oder lebende Tiere. Sieht man etwas, sollte man das Zimmer sofort wechseln."
Autor: Michael Ringelsiep (WDR)
Stand: 29.07.2015 12:23 Uhr