So., 14.02.10 | 17:03 Uhr
Das Erste
Cholesterinlüge?
Viel Cholesterin im Blut gilt landläufig immer noch als "Killer", den man möglichst umgehend auf möglichst niedrige Werte drücken muss – meist mit Medikamenten, den sogenannten Lipid-Senkern oder Statinen. Doch der Gesamtcholesterin-Wert sagt gar nichts aus über das gesundheitliche Risiko. Und Cholesterin ist auch nicht grundsätzlich ein gefährlicher Stoff. Heute sehen Ärzte die Frage, ob, ab wann und womit man höhere Cholesterinwerte bekämpfen sollte, weitaus differenzierter.
Cholesterin ist lebenswichtig
Cholesterin ist eine fettlösliche, gelbliche Substanz - ein lebenswichtiger Baustein von Nervenzellen, Hormonen und Membranen. 70 Prozent bildet der Körper selbst, der Rest muss mit der Nahrung aufgenommen werden. Hauptproduktionsort ist die Leber: In der Blutbahn wird das wasserunlösliche Cholesterin von speziellen Proteinen transportiert: HDL (high densitiy lipoprotein, Lipoproteine hoher Dichte) und LDL (low densitiy lipoprotein, Lipoproteine geringer Dichte). Diese Proteine unterscheiden sich nicht nur in ihrer Dichte, sondern auch in ihrer Funktion: HDL fängt im Körper Cholesterin auf und bringt es zurück zur Leber, wo es abgebaut wird. LDL bringt Cholesterin in die Zellen. Das ist seine natürliche Aufgabe.
Oft nennt man das LDL "böse", weil es zur Verkalkung von Arterien beiträgt. Das stimmt im Prinzip auch. Denn wenn viel LDL im Blut ist, kann auch viel Cholesterin in die Wände der Blutgefäße gelangen. Dort finden Prozesse statt, über die man längst nicht alles weiß: Es können Entzündungen, kleine Risse und Ablagerungen entstehen, darin enthalten ist das überschüssige Cholesterin. Wenn so eine Stelle dicht am Herzen liegt und reißt, wird das Gefäß verstopft – dann kann es zu dem gefürchteten Herzinfarkt kommen.
Allgemeingültige Werte gibt es nicht
Erhöhtes Cholesterin gilt als Risikofaktor Nummer 1 für Arteriosklerose, umgangssprachlich Arterien-Verkalkung genannt. Und Gefäßerkrankungen wie die koronare Herzkrankheit oder Verengungen der Hirngefäße werden immerhin für jeden zweiten Todesfall in Deutschland verantwortlich gemacht. Doch wie hoch sollte der Cholesterinspiegel denn nun sein, um vor diesen Risiken sicher geschützt zu sein? Diese Frage ist so gar nicht zu beantworten. Cholesterin ist nämlich nur ein Risikofaktor, das heißt, es erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung. Es gibt keinen Cholesterinwert, bei dem ein Herzinfarkt sicher auftritt, aber auch keinen niedrigen Wert, bei dem er sicher ausgeschlossen ist.
Die Familiengeschichte ist wichtig
Das Alter eines Menschen mit erhöhten Cholesterinwerten ist wichtig, seine individuellen Gesundheitsrisiken wie etwa das Rauchen, aber auch seine Familiengeschichte. Das betont Prof. Elisabeth Steinhagen-Thiessen, die sich am Stoffwechsel-Centrum der Charité Berlin seit längerem mit dem Phänomen Cholesterin befasst: Ein großer Teil der Bevölkerung sei nämlich genetisch so programmiert, dass ihr Körper selbst zu viel Cholesterin herstellt. Dieses Risiko bekomme der Arzt, so die Expertin, relativ rasch heraus: Indem er nämlich seinen Patienten fragt, ob seine Eltern oder Großeltern Herzinfarkte erlitten hätten.
Nicht jeder braucht Medikamente
Wer so ein familiäres Risiko hat und bereits erhöhte Cholesterinwerte zeigt, dazu möglicherweise noch raucht, unter hohem Blutdruck leidet, stark übergewichtig oder sogar Diabetiker ist, wird an einer medikamentösen Therapie zur Cholesterinsenkung nicht vorbeikommen. Alle anderen müssen nicht gleich zur Pille greifen: Eine ausgewogene Ernährung – vor allem mit Verzicht auf gesättigte Fettsäuren – und vor allem Bewegung können die Werte sinken lassen. Prof. Elisabeth Steinhagen-Thiessen nennt als wichtigste Waffe gegen Cholesterin dreimal zwanzig Minuten Sport pro Woche, denn der wirkt in zweifacher Hinsicht: "Wir senken damit das LDL Cholesterin um acht bis zehn Prozent, und das gute HDL Cholesterin erhöhen wir auch noch. Also wir schlagen gleich zwei Fliegen mit einer Klappe."
Literatur
Cholesterin – 99 verblüffende Tatsachen
Dr. med. Volker Schmiedel
Trias-Verlag, Stuttgart 2006
130 Seiten
12,95 Euro
ISBN 978-3-8304-3323-1
Autorin: Sabine Guth (HR)
Stand: 29.07.2015 13:55 Uhr