So., 07.11.10 | 17:03 Uhr
Das Erste
Der Goldschatz aus den Alpen
Es ist der Traum eines jeden Goldsuchers: Einmal im Leben den ganz großen Fund zu machen. Doch mit der Schürferromantik vergangener Tage scheint es vorbei zu sein. Goldsuche ist heute Sache großer Bergbaukonzerne, die mit ungeheurem Aufwand dem edlen Metall rund um den Erdball nachjagen. Hat ein Abenteurer mit Spitzhacke und Klappspaten da überhaupt noch irgendeine Chance?
Der Jäger des verlorenen Schatzes
Michael Wachtler aus Innichen in Südtirol glaubt fest daran, dass große Goldfunde mit einfachen Mitteln auch heute noch möglich sind – und das sogar mitten in Europa. Sein ganzes Leben verbringt der eigenwillige Naturforscher mit der Suche nach Mineralien und Fossilien in den Alpen. Mit beachtlichem Erfolg: Über 30 Tier- und Pflanzenarten hat er schon entdeckt. Seine große Leidenschaft gilt allerdings dem Gold der Alpen. Er ist sicher, dass sich hier die Suche auch heute noch lohnen kann: "Die Alpen waren über Jahrtausende das Goldland Europas. Die alten Römer haben Gold abgebaut, die Kelten, im Mittelalter wurde wahnsinnig viel Gold abgebaut. Es kann ja nicht sein, dass das Gold total verschwunden ist."
Eine alte Karte weist den Weg
Vor einigen Jahren fällt Michael Wachtler ein unscheinbares Büchlein in die Hände: Die exakte geologische Beschreibung einer Goldlagerstätte im italienischen Aostatal. Noch vor 100 Jahren wurde hier Gold abgebaut. Nichts ungewöhnliches, noch immer gibt es zahlreiche Goldvorkommen in den Alpen, für die sich inzwischen auch wieder zunehmend große Bergbaugesellschaften interessieren. Doch für Freizeitschürfer ist hier meistens nichts zu holen. Das in dem Gestein fein verteilte Gold muss erst durch aufwändige, industrielle Verfahren von dem übrigen Erz getrennt werden. In dem kleinen Buch von 1916 ist allerdings von massiven Goldklumpen die Rede, an einzelnen Stellen sollen die Bergleute auf Erznester mit 20, ja über 40 Kilogramm purem Gold gestoßen sein. Zu allem Überfluss liefert die Beschreibung auch noch den exakten Ort des letzten großen Fundes.
Auch ein Schatz für die Wissenschaft
Auch Geowissenschaftlern wie Thomas Pettke von der Universität Bern ist dieses Vorkommen nahe dem kleinen Ort Brusson bestens bekannt. "Die Goldanreicherung in den Brusson-Adern ist gewaltig, im Vergleich zum normalen Krustengestein haben wir dort mehrere millionenfach Gold konzentriert." Der größte Schatz ist für die Forscher allerdings nicht das Gold selbst, sondern winzige Gas- und Flüssigkeitseinschlüsse im Quarz, dem Begleitmineral des Goldes. Sie verraten den Wissenschaftlern viel über dessen Herkunft. Fest steht: Es war gelöst in extrem heißem Wasser, das vor 11 bis 31 Millionen Jahren durch Spalten aus dem Erdinnern emporstieg. Solche Untersuchungen können helfen, neue Goldvorkommen zu finden. Die Mine im Aostatal gilt jedoch als erschöpft.
Der Geheimnis der Fenillaz-Goldader
Mit der alten Fundortbeschreibung im Gepäck macht sich Michael Wachtler, zusammen mit einigen Freunden, in die alten Stollen auf. Vielleicht gibt es ja doch noch etwas zu holen. Die erfahrenen Mineraliensucher haben etwas dabei, was die alten Bergleute nicht besaßen: hochempfindliche Metalldetektoren, die Gold auch dann aufspüren können, wenn es im festen Gestein verborgen ist. Und genau an der Stelle, die in dem alten Buch als ein Teil der sogenannten Fenillaz-Goldader beschrieben ist, schlagen die Instrumente der Schatzsucher an. Im alten Sprengschutt taucht ein einzelner Goldbrocken auf. Dann noch einer. Es werden immer mehr. Langsam wird den Schatzsuchern klar, dass sie vor der Erfüllung ihres kühnsten Traumes stehen: Sie haben, dank ihrer Metalldetektoren, eines der extrem seltenen Erznester gefunden! Hätten die alten Bergleute nur wenige Zentimeter weiter gegraben, wäre es vor über 100 Jahren abgebaut worden!
Ein unglaublicher Fund
Am Ende der Grabung kehren die mit einer unfassbaren Ausbeute zurück: Kristallbäumchen aus purem Gold, zusammen fast 30 Kilogramm schwer – der größte und spektakulärste alpine Goldfund der Neuzeit. Allein der Marktwert des Edelmetalls stellt ein Vermögen dar, doch auf dem Sammlermarkt erreichen die sehr seltenen "Goldstufen" leicht den 10fachen Preis. Allein um das Geld geht es Michael Wachtler und seinen Freunden nach eigen Angaben allerdings nicht. Goldsuche ist für sie eine Lebenseinstellung, und ein Fund wie dieser belohnt ihre beinahe bedingungslose Hingabe, mit der sie dem Mythos des Alpengoldes hinterherjagen.
Autor: Frank Bäumer (BR)
Stand: 12.08.2015 12:53 Uhr