So., 10.10.10 | 17:03 Uhr
Das Erste
Deutschland sucht den Superapfel
Apfelanbau im Norden - Komplizierte Tradition
Das Alte Land ist das größte deutsche Obstanbaugebiet und eine der nördlichsten Anbauregionen überhaupt. Seit mehr als 600 Jahren wird hier Obst geerntet. 90 Prozent davon sind Äpfel. Dabei ist längst nicht jede Apfelsorte gut geeignet für diese vergleichsweise kühle, sonnenarme Region. Hinzu kommt: Die Auswahl in Supermarktregalen ist auf wenige gängige Sorten beschränkt. Einige davon dürfen die Obstbauern aus dem Alten Land aus Lizenzgründen gar nicht anbauen, andere dürfen sie zwar anbauen, aber nicht selbst vermarkten. Und für wiederum andere Apfelsorten müssen hohe Lizenzgebühren bezahlt werden.
Die ZIN – Apfelsortenzüchtung in eigener Hand
Viele Bauern hätten deshalb gerne eine ganz eigene Apfelsorte für das Alte Land – zum einen um unabhängiger zu sein, zum anderen um mehr Vielfalt in den Markt zu bringen. Viele alte Sorten sind noch per Zufall entdeckt worden, doch diese Chance liegt mittlerweile nahe null. Der aussichtsreichere Weg zum Ziel ist daher "kontrollierte Züchtung". Die nehmen rund 160 Bauern und 10 Händler seit ein paar Jahren selbst in die Hand. Sie haben dazu die private Züchtungsinitiative Niederelbe, kurz ZIN, gegründet. Unterstützt werden sie bei ihrem Projekt durch den Fachbereich Gartenbau der Hochschule Osnabrück.
Auf der Suche nach dem Super-Apfel
Für die Suche nach dem Super-Apfel treiben die Züchter einen gewaltigen Aufwand. Schließlich haben Professor Werner Dierend von der Hochschule Osnabrück und sein Mitstreiter Jacob-Hinrich Feindt von der Züchtungsinitiative höchste Ansprüche an einen zukünftigen Erfolgsapfel. "Wir möchten einmal ein ansprechendes Aussehen, einen guten Geschmack, dann einen ausreichend hohen Ertrag, eine ausreichend lange Haltbarkeit, robuste Sorten, widerstandsfähige, vielleicht auch krankheitsresistente Sorten", beschreibt Dierend die Zuchtziele. Die sind nicht von heute auf morgen zu erreichen.
Apfelzucht ist Geduldssache. 15 bis 20 Jahre kann es dauern, ehe Apfelzüchter eine neue, aussichtsreiche Sorte entwickelt haben. Viele Arbeitsschritte sind dazu notwendig, jede Menge Erfahrung und noch was: "Es hat dann aber zum Ende auch mit Glück zu tun. Man muss, das sagen andere Züchter auf der Welt auch, irgendwann mal Glück haben. Aber wir sagen, wenn man nichts macht, kann auch nichts passieren. Wenn man aktiv ist, wird man auch dieses Glück haben", so Jacob-Hinricht Feindt von der ZIN.
Frühling in Osnabrück
Im Obstgarten der Hochschule Osnabrück blühen die Elternbäume der Züchtungsinitiative Niederelbe. Im Frühjahr legen die Wissenschaftler die Kreuzungspartner fest. Damit die Natur sich an diesen Plan hält, verteilen sie den Pollen der Vatersorte auf dem Stempel des Mutterbaums per Pinsel. "Das ist dann der eigentliche Bestäubungsvorgang und wenn das abgeschlossen ist, dann wird also der komplette Ast wieder eingetütet, damit man eine Fremdbestäubung durch die Bienen, die ja hier durch die Anlage fliegen, dann ausschließt", erklärt Anette Bier-Kamotzke aus dem Bereich Obstbau.
Kreuzungspartner sind sowohl gängige Hauptsorten als auch alte und/oder gegen Pilzerkrankungen resistente Apfelsorten. Die Plastikbeutel bleiben so lange am Baum, bis die Blütenblätter fallen. Und dann heißt es, Warten auf den Herbst. Jeder Kern, der aus der Kreuzung entsteht ist genetisch einzigartig, also eine eigene Sorte. Aus diesen Kernen ziehen die Züchter Sämlinge. Jeder von ihnen könnte einmal den Super-Apfel hervorbringen. Pro Jahr entstehen so rund 2.000 neuen Kandidaten, die auf einer Versuchsplantage im Alten Land unter strenger Beobachtung weiter wachsen.
Erntezeit an der Niederelbe
Der Herbst ist für die Männer von der Züchtungsinitiative die spannendste Zeit. Jetzt zeigt sich, welcher Apfel eine Chance bekommt und welcher nicht. Aus 10.000 Bäumen wollen sie den einen finden, der es wert ist, eine neue Sorte zu werden. Das zumindest ist die realistische Trefferquote bei der Apfelsortenzucht. 2.000 neue Kandidaten kommen jährlich dazu. Jeder muss immer wieder vermessen, bewertet und natürlich verkostet werden. Alle Bäume haben deshalb eine Nummer und sind mit elektronischem Chip gekennzeichnet. Mit Hilfe dieser Technik können Dierend und Feindt jeden Baum in ihrer mobilen Datenbank identifizieren. Sind die Früchte eines Baums kleiner als 65 Millimeter, wird er bald gefällt. Etwa 10 Prozent der Bäume schaffen es in eine zweite Beobachtungsphase. Gerade mal zwei aus 2.000 bleiben danach noch übrig und werden in größerer Zahl gepflanzt.
Ein Exemplar hat es den Züchtern in diesem Jahr besonders angetan. Eine Kostprobe zeigt: "Der ist knackig, der ist saftig, der ist süß eindeutig", kommentiert Dierend. Und Feindt ergänzt: "Er hat eine ansprechende Fruchtgröße, die Äpfel sind am Baum alle gleichmäßig verteilt. Wir denken, dass er den Verbraucher auch ansprechen wird." Das könnte er also sein, der Super-Apfel für die Niederelbe!
Adressen & Links
Hochschule Osnabrück, Bereich Gartenbau
Prof. Werner Dierend
Oldenburger Landstraße 24, 49090 Osnabrück
Tel.: (0541) 96 95 122
Fax: (0541) 96 95 260
E-Mail: w.dierend(at)fh-osnabrueck.de
ZüchtungsInitiative Niederelbe GmbH & Co. KG (ZIN)
Jacob-Hinrich Feindt
Osterjork 130
21635 Jork
Tel.: (0170) 24 00 373
E-Mail: hfeindt(at)hfeindt.de
Autorin: Britta Thein (NDR)
Stand: 04.02.2013 12:36 Uhr